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Serbien
Wahlboykott in Serbien: Kluge Strategie oder Zeichen der Schwäche?

Im Vorlauf zu den für den 26. April geplanten Parlamentswahlen häufen sich in Serbien die Boykottaufrufe der Opposition
Aleksandar Vučić
Der serbische Präsident Aleksandar Vučić © picture alliance/Sven Hoppe/dpa

Seit vergangenem Herbst schließen sich in Serbien im Vorlauf zu den für den 26. April geplanten Parlamentswahlen immer mehr kleine Parteien und Bewegungen dem Aufruf zum Wahlboykott des Bündnisses „Zusammen für Serbien“ an. So jüngst auch die „Bewegung freier Bürger“ (PSG) und die liberale „Bürgerliche Plattform“. Die Voraussetzungen für faire Wahlen, so der zentrale Vorwurf, seien schon lange nicht mehr gegeben, nicht zuletzt aufgrund der geballten Medienmacht des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić.

Damit sind auch die Gespräche zwischen Regierung und Opposition über eine Verbesserung der Wahlbedingungen, die seit vergangenem Sommer – zeitweise unter Vermittlung des Europäischen Parlaments – stattgefunden haben, endgültig gescheitert.

Nicht zuletzt das Manöver von Präsident Vučić, so kurz vor der Wahl – ohne Absprache und Diskussion – eine Absenkung der Fünf-Prozent-Hürde auf drei Prozent ins Spiel zu bringen, hat das Fass wohl zum Überlaufen gebracht.  

Auf der anderen Seite fehlt der Opposition bis heute ein klares Konzept, wie sie sich etwa die Zeit nach dem Wahlboykott konkret vorstellt und wie sie außerparlamentarisch mit weiter eingeschränktem Zutritt zu den Medien gestalterisch tätig werden will. Daher gehen Kritiker des Boykotts davon aus, dass sich die ohnehin schwache Opposition mit dieser Strategie weiter ins Abseits manövrieren könnte.

Michael Roick, Projektleiter Westbalkan der Friedrich-Naumann-Stiftung fragte am Rande eines Workshops mit der „Bürgerlichen Plattform“ Manfred Richter, Vorstandsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und seit vielen Jahren beratend in der Region tätig, nach seiner Einschätzung der Situation.

Im Gespräch äußerte sich Manfred Richter skeptisch, dass ein Boykott Früchte tragen würde. Die Parteien der Mitte täten gut daran, sich auf die parlamentarische Arbeit und das Erringen von Sitzen zu konzentrieren. Die Abspaltungen und Neugründungen von Parteien, vor allem im liberalen Lager, erklärt er sich durch das Fehlen charismatischer Führungspersönlichkeiten und einer soliden politischen Basis. Die politische Basis, so Richters Hoffnung, soll allerdings durch die Aktivitäten der Stiftung erleichtert werden. In diesem Zusammenhang, bewertet Manfred Richter den Workshop mit der "Bürgerlichen Plattform" als sehr positiv und als einen Schritt in die richtige Richtung. Er sieht große Motivation und liberal-politische Ansätze in dieser jungen Partei. Es sei erstrebenswert, dass sich solche politischen Kräfte so strukturieren könnten, dass sie auch bei Wahlen wirksam werden. Die zurzeit größtenteils fehlende Perspektive auf einen Beitritt Serbiens in die Europäische Union bedauert Richter sehr. Wenn die Bedingungen der EU erfüllt seien, dann sei es unklug einer ganzen Reihe an Ländern die Perspektive auf einen Beitritt prinzipiell zu verwehren, der für diese Länder so außerordentlich wichtig ist.

 

Michael Roick, Leiter des Projekts Westbalkan der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Belgrad, Serbien