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Schwarzboot-Törn mit dem Bund der Steuerzahler

Wie kann effizienter gewirtschaftet und finanzpolitisch gehandelt werden?
Schwarzboot mit dem Bund der Steuerzahler zu Steuerverschwendung oder Zukunftsinvestition der Marina Teltow

Schwarzboot-Törn mit dem Bund der Steuerzahler zur Marina Teltow

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Bei vielen staatlichen Bauvorhaben in Deutschland stellt sich die Frage: Zukunftsinvestition oder Steuerverschwendung? Der Bund der Steuerzahler (BdSt) kann jedes Jahr gleich eine ganze Liste von Negativbeispielen aufzählen, die nach seinem Ermessen zu letzterem gehören. Eines dieser Projekte ist aus Sicht des BdSt der Teltower Hafen in Brandenburg. Bei dem öffentlichen Projekt sei die Kalkulation bereits vor Baubeginn aus dem Ruder gelaufen. Wieso dies nicht nur hier so passiert, erklärt der BdSt ebenfalls in seinem „Schwarzbuch“.

Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit organisierte gemeinsam mit dem Bund der Steuerzahler einen Austausch mit den beteiligten Lokalpolitikern eines dieser Projekte. Mit dem Schiff ging es auf dem Teltow-Kanal in Richtung Baustelle des Sportboothafens „Marina Teltow“. Bei der Diskussionsrunde des Schwarzboot-Törns waren als Experten mit dabei:

  • Ludwig Zimmermann, Bund der Steuerzahler Brandenburg e.V.
  • Thomas Schmidt, Bürgermeister der Stadt Teltow, SPD
  • Eric Gallasch, Bürgermeisterkandidat, CDU
  • Hans-Peter Goetz, Bürgermeisterkandidat, FDP
  • Dr. Andreas Wolf, Bürgermeisterkandidat, Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegung/Freie Wähler/Bürger für Bürger
  • Jürgen Stich, ortskundiger Redakteur und Moderator der Veranstaltung, Märkische Allgemeine Zeitung

Stich moderierte dabei nicht nur die Debatte, sondern führte auch in den historischen Ort sowie die gewerbliche, infrastrukturelle und touristische Bedeutung der Gegend rund um den Teltow-Kanal ein. Doch schon hierbei tauchten erste Meinungsverschiedenheiten auf. Denn sowohl Wolf wie Zimmermann teilten nicht die positive Einschätzung über aktuelle Attraktivität und Zukunftserwartungen. „Der private Bootsverkehr auf dem Teltow-Kanal ist sehr schwach und wird auch künftig keine touristische Bedeutung haben.“, merkt Zimmermann kritisch im Schwarzbuch an. Stehen solche Projekte also lediglich für überzogene Wunschvorstellungen aus Sicht von lokalen Vertretern? Oder kann ein Vorhaben wie dieser Hafen tatsächlich zum Publikumsmagneten für die gesamte Region werden?

Steuerverschwendung: Ein Thema, dem leider nie der Stoff ausgeht.

Anne Wellingerhof, Leiterin des Regionalbüros Berlin-Brandenburg der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
Anne Wellingerhof (Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit)

Verdreifachung der Kosten

Auch wenn die Zahlen unterschiedlich sind. Das Kernproblem ist eine Kostenexplosion beim Bauprojekt „Marina Teltow“. Offiziell sind nach aktuellem Stand circa 15 Millionen Euro im Vergleich zu ursprünglich 5 bis 6 Millionen Euro veranschlagt. Wolf und Zimmermann gehen von insgesamt eigentlich weit über 20 Millionen Euro aus. Laut Wolf seien einige Posten der Marina in anderen Haushaltsposten enthalten. Eine hohe Gefahr gehe zudem von Folgekosten aus. Diese weitere Kostenentwicklung über den aktuellen Stand hinaus bestreiten die anderen Diskutanten jedoch vehement. „Ich bin entsetzt, welche Behauptungen kursieren.“, wehrt sich Schmidt. Auch bei der immer wieder aufgeworfenen Schuldfrage und Schrei nach Verantwortungsübernahme würde einfach ein falsches Bild für die Öffentlichkeit gezeichnet: „In der Politik ist es eigentlich nie eine Entscheidung einer Person, sondern von Mehrheiten.“ Kompromisse und Abwägungen führen zu einer politischen Maßnahme. Doch was Fakt ist: Die Kosten werden viel höher ausfallen, als geplant.

Fehler bei der Planung:

1. Mangelhafte Bauvorbereitung

Alle, bis auf dem Bürgermeister, sind sich einig: Die Bauvorbereitungen waren mangelhaft. So gab es Fehlkalkulationen aufgrund mangelhafter Untersuchungen, da kontaminierter Boden und Grundwasser nicht ausreichend berücksichtigt wurden. „Aus meiner Sicht hätte man vorher besser prüfen müssen.“, ist auch Gallasch kritisch mit seiner Partei. Schmidt hingegen meint: „Ganz klar: Es war nicht vorhersehbar.“

2. Unterschätzte Folgekosten

Die Stadt würde mit den derzeitigen Planungen finanziell an den Folgekosten ertrinken, meint Heiner Haass, Professor für Städtebau und Tourismusarchitektur. Und auch Zimmermann warnt, dass nachträgliche Aufwendungen oft unterschätzt würden.

3. Unklare Einnahmen

Hohe Kosten – kaum Nutzen? Nein, nicht alle sehen solche öffentlichen Projekte als Millionengräber an. Zwar würden die direkten finanziellen Einnahmen durch die 39 Bootsliegeplätze nur gering ausfallen, bestätigten alle Teilnehmer. Eine Amortisation sei utopisch, machte sogar Bürgermeister Schmidt klar. Doch das sei bei solch einem Projekt auch nicht geplant. Es gehe um einen langfristigen Mehrwert für die Region. „Man muss auch Risiken eingehen in der Politik. Aber war dieses zu groß?“ fragte Stich hier kritisch nach. Der Bürgermeister verneinte deutlich, ein zu hohes Risiko eingegangen zu sein, auch wenn sich jetzt große Belastungen herausstellen würden. Denn gerade, wenn man etwas entwickeln wolle, brauche es Mut und Visionen.

Eine Amortisation, das war zuvor schon klar, wird es nicht geben. Auch in mehreren Generationen nicht. Doch das ist bei solch einem Projekt auch nicht geplant.

Thomas Schmidt, Bürgermeister der Stadt Teltow, SPD
Thomas Schmidt (SPD)

Nicht das einzige streitbare Beispiel in Brandenburg

Die genannten Probleme seien jedoch nicht einzigartig. Schon bei anderen Projekten in Brandenburg wie dem Hallenbad in Werder sei ein Problem die Kurzsichtigkeit der Entscheidungsträger gewesen, merkte Zimmermann an. Auch hier sei die Terme als Teil eines riesigen Entwicklungsprojektes der Region verkauft worden. In den voreiligen Kalkulationen seien jedoch die langfristigen Folge- und Betriebskosten wie so oft unterschätzt worden. Und die Einnahmen seien überschätzt worden. Denn die Konkurrenz durch andere bereits bestehende große Hallenbäder sei außer Acht gelassen worden. Dies geschehe häufig bei öffentlichen Unternehmungen, da der notwendige Blick über die Lokalregion hinaus bei Entscheidungsträger fehle. Dabei habe sogar die Landesregierung gewarnt, dass es nicht mehr Bäder brauche. Zudem hätten viele andere extrem unwirtschaftliche Bäderprojekte in ganz Deutschland als Negativ-Beispiele dienen können. Doch die Werderaner hätten das Bauvorhaben dennoch gemeinsam mit einem privaten Unternehmen umsetzen wollen und stünden nun vor noch größeren Problemen als die Teltower mit ihrer Hafenbaustelle.

Schiffbruch. Und jetzt?

Die ursprünglichen Planungen haben sich zum Teil als falsch herausgestellt. Viele neue Erkenntnisse und damit Steigerungen bei einzuplanenden Kosten sind hinzugekommen. Wie sollte die Stadt nun also mit dem Hafenprojekt weiter verfahren? Beim SchwarzBoot-Törn machten die Teilnehmer ihre Positionen eindeutig. Zimmermann war dafür, das Projekt zu beenden. Dies sei schon bei der ursprünglichen Kalkulation der Standpunkt des BdSt gewesen. Wolf war für eine Bürgerbefragung. Und nach eigener Einschätzung sei er auch für eine Beendigung der Bauvorhaben.

Kurioserweise kostet es immer mehr, wenn die öffentliche Hand baut.

Eric Gallasch, Bürgermeisterkandidat, CDU Teltow
Eric Gallasch (CDU)

Einen alternativen Umgang mit der Baustelle und dessen Kosten zeigt er jedoch nicht auf, bemängelten die politischen Kontrahenten. Goetz sprach sich für das Weiterbauen aus. Auch wenn er unter vorheriger Kenntnis der aktuellen Sachlage zu den Kosten das Projekt abgelehnt hätte, wie er betonte. Doch einige Dinge hätte man eben nicht absehen können. Und nun sei schon zu viel investiert worden und ein Abbruch sei ebenfalls sehr teuer. Gallesch sei ebenfalls fürs Weiterbauen. Er wolle jedoch nun als Leiter des Hafenausschusses für eine genaue Untersuchung der Vorfälle sorgen. Schmidt plädierte unbeirrt für die Fertigstellung und verteidigte als Bürgermeister die Entscheidung für den Hafen.

Den weiteren Verlauf sollten die Bürger direkt entscheiden.

Dr. Andreas Wolf, Bürgermeisterkandidat, Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegung/Freie Wähler/Bürger für Bürger
Dr. Andreas Wolf (Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegung/Freie Wähler/Bürger für Bürger)

Nach welchen Prinzipien investieren?

Der Bund der Steuerzahler bewerte jedes öffentliche Projekt nach den Kriterien: erforderlich, nachhaltig und gleichberechtigt. Nur wenn es wirklich notwendig ist, sollte der Staat Ausgaben tätigen, meint Zimmermann. Die Grundüberzeugung, die dahintersteht: „Steuerbelastungen bedeuten weniger Freiheit für Bürger.“ Denn was man an den Staat abgibt, darüber hätte man keine Kontrolle mehr. Je mehr Steuern, desto weniger Bestimmung über sich selbst und das Eigentum gäbe es.

Diese sehr staatskritische Einstellung teilte niemand der anwesenden Teilnehmer. Aufgabe der Politik sei es, auch über die absoluten Notwendigkeiten hinaus zu investieren, so die Überzeugung der anderen. „Grundsätzlich halte ich Großprojekte, die die Stadt und Region voranbringen, für wichtig. Auch wenn sie sich auf lange Sicht nicht finanziell tragen.“, ist Gallesch überzeugt. Wolf versucht hier einzuwenden: Wenn Schulen und Kitas zu klein und schlecht seien, müssten andere Prioritäten gesetzt werden. Doch dieses Vermischen und Ausweichen auf populärere Spielfelder war den anderen Politikern zu einfach.

Reiche Gemeinden gehen besonders locker mit Geld um. Aber mit welcher Berechtigung?

Ludwig Zimmermann, Bund der Steuerzahler Brandenburg e.V.
Ludwig Zimmermann (BdSt)

Goetz stellte in Bezug auf Marina Teltow klar: „Viele andere Projekte sind mir viel wichtiger.“ Aber trotzdem sollten auch solche attraktivitätssteigernden Maßnahmen, wie einen Kanal wieder erlebbar zu machen, angegangen werden. Denn: „Man gibt als Staat häufig Geld aus für Dinge, die man nicht braucht – zum Beispiel Blumenbepflanzung, Kunstwerke oder Kulturveranstaltungen.“ Dies mache eine Stadt attraktiv. Sein überzeugtes Plädoyer lautete: „Damit das Leben lebenswerter wird, sollte auch in die freiwillige Kür neben der Pflicht investiert werden.“ Und aufgrund der guten Haushaltslage, könne sich die Stadt eben auch mehr solcher Dinge leisten, schloss Götz seine Einordnungen. Es sei ihm ein Anliegen, zu betonen, dass wichtige Projekte der Daseinsfürsorge nicht unter dem Hafenprojekt gelitten hätten. Alle Neubauten von Schulen, Kitas etc. seien wie geplant umgesetzt worden.

Somit ergab sich am Ende der Diskussion ein sehr differenziertes und zum Teil auch konträres Bild der zunächst offensichtlich scheinenden Sachlage. Ob öffentliche Projekte wie die „Marina Teltow“ eine Zukunftsinvestition oder Steuerverschwendung sind, darüber wird sich nach sachlich fundierter Betrachtung auch noch zukünftig ausführlich gestritten werden können.

Demokratie ist ein mühsamer und langwieriger Prozess. Nur mit markigen Sprüchen kommen wir nicht voran.

Hans-Peter Goetz, Bürgermeisterkandidat, FDP
Hans-Peter Goetz (FDP)

In seinem jährlich herausgegebenen Werk listet der Bund der Steuerzahler nicht nur einzelne staatliche Projekte auf, die nach Meinung des BdSt schiefgelaufen seien. Sondern es werden auch Fehler identifiziert, die beim Einsatz von Steuermitteln begangen werden.

Die sechs Hauptprobleme bei staatlichen Projekten sind laut dem Bund der Steuerzahler

  1. Haftung und Risiko
  2. Intransparenz und Kontrolldefizit
  3. Unübersichtlicher Wildwuchs
  4. Wettbewerbsverzerrungen
  5. Ineffizienz
  6. Fehlprognosen

Die Ursachen, die dazu führen, dass es immer wieder zu diesen Problemen kommen kann, sind laut BdSt vielfältig. „Der immer wiederkehrende Kostentreiber ist in der Regel die Politik selbst.“, stellt der Verband fest. Der größte Kostentreiber seien häufig nachträgliche Planungsänderungen. So passe zum einen nichts mehr zum anderen, wenn nach Bauanfang noch umgeplant wird, wie im Falle des Flughafens BER. Zum anderen passe die ursprüngliche Kalkulation nicht mehr, wenn ausgeklammerte Aufwendungen und Sonderwünsche nachträglich eingefügt werden müssen.

Schwarzbuch 2016/17 Bund der Steuerzahler BdSt

Schwarzbuch 2016/17

© Bund der Steuerzahler

Deshalb fordert der BdSt alle staatlichen Stellen auf, von Anfang an Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Die sechs Verbesserungsvorschläge lauten hierbei:

  1. Geltende Richtlinien der Bauverwaltung einhalten
  2. Geeignetes Fachpersonal beauftragen
  3. Verträge sorgfältiger aushandeln
  4. Aufsicht professionalisieren
  5. Risikopuffer erhöhen
  6. Planungsprozesse verschlanken

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Video-Bericht der TKSzeit zum Schwarzboot-Törn mit Aussagen der Diskutanten

© TKSzeit

Video-Bericht der TKSzeit zum Schwarzboot-Törn: