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Russland
Merkel zeigt in Moskau Pragmatismus mit Putin

Im Kreml haben die Bundeskanzlerin und Russlands Präsident nach Berührungspunkten in Wirtschaft und internationaler Politik gesucht
Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin in Moaskau.
Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau. © picture alliance/Mikhail Metzel/TASS/dpa

Am Wochenende haben sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin in Moskau getroffen und über das bilaterale Verhältnis, Nord Stream 2 sowie die Konflikte in Libyen, Syrien, Iran und der Ukraine gesprochen. Julius von Freytag-Loringhoven, Leiter des Moskauer Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, ordnet das Treffen im Interview mit freiheit.org ein.

freiheit.org: Was für ein Signal hat der Besuch der Bundeskanzlerin in Moskau gesendet?

von Freytag-Loringhoven: Mich hat fasziniert wie ähnlich Auftritt, Körpersprache und Botschaft der beiden Staats- und Regierungschefs waren. Die deutsche Bundeskanzlerin und der russische Präsident, bei all den ungelösten Konflikten, haben Konsens im Bekenntnis zum pragmatischem Kooperationswillen gezeigt. Beide betonten, dass Eigeninteressen eine Vertiefung der bilateralen Beziehungen auf wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und anderen Ebenen befördern. Gleichzeitig hoben Merkel und Putin die gemeinsamen Bemühungen für den Frieden in Libyen und Syrien, eine Rettung des Iran-Atomabkommens sowie ein Bekenntnis für den Minsker Friedensprozess für den Osten der Ukraine hervor. Dass die deutsche Bundeskanzlerin für all diese wichtigen Fragen nach Moskau gereist ist, kann man in Russland als diplomatischen Erfolg verbuchen.

freiheit.org: Der Spiegel schrieb darüber, dass Angela Merkel die Unterstützung einer Friedenskonferenz für Libyen in Berlin als Erfolg zu verbuchen hat. Jetzt haben sich aber bereits die libyschen Konfliktparteien in Moskau getroffen. Welche Rolle spielt da überhaupt die deutsche Bundesregierung?

von Freytag-Loringhoven: Das erratische Vorgehen von Präsident Trump und die internen Probleme der EU haben ein Vakuum in der Weltpolitik gelassen, das der russische Präsident gerne gefüllt hat. Der Besuch Merkels ist auch ein Eingeständnis, dass nach den entschlossenen Interventionen Putins – mit Luftangriffen, Söldnern und Diplomatie – weder in Libyen noch in Syrien an einen Frieden ohne Beteiligung Russlands zu denken ist. Angela Merkel ist der Einladung Wladimir Putins gefolgt und hat, anderes als in der Vergangenheit, in der Pressekonferenz nach den Gesprächen, vor allem von „Interessen“ anstatt von „Werten“ gesprochen, von guter Zusammenarbeit geredet und mit keinem Wort öffentliche Kritik geübt. Besseres kann man sich im Kreml von Angela Merkel nicht wünschen. Aber man kann auf der anderen Seite hoffen, dass die Bundesregierung so diplomatisch vielleicht doch etwas zu den Friedensprozessen bei den Konflikten in Libyen, Syrien und Ukraine – in allen drei Fällen Konflikte mit russischer Beteiligung – beitragen kann.

freiheit.org: Beide Seiten haben auch die Unterstützung von Nord Stream 2 bekundet. Seit dem Beschluss der USA, gegen den Bau der Pipeline exterritoriale Sanktionen zu verhängen, scheint das Projekt gefährdet. Wie interpretieren Sie die heutige Lage von Nord Stream 2?

von Freytag-Loringhoven: Wladimir Putin hat glaubhaft bekundet, die Pipeline trotz Sanktionen in unter zwei Jahren fertig zu bauen und Angela Merkel hat Nord Stream 2 „im Kern ein wirtschaftliches Projekt“ genannt und die exterritorialen Sanktionen der USA gegen den Bau der Pipeline kritisiert. Es scheint, dass es für beide Seiten keinen Weg zurück mehr gibt, obwohl die deutsche Bundesregierung großen diplomatischen Schaden bei seinen wichtigsten Verbündeten angerichtet hat. Anders als beispielsweise Michael Link, europapolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und Vorstandsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, gefordert hat, wollte die Bundesregierung das Pipelineprojekt lieber bilateral mit Russland verhandeln, als die Verhandlung der EU-Kommission zu überlassen – was Sorgen bei Balten, Polen und Skandinaviern hätte abbauen können. Ohne den Widerstand der europäischen Freunde hätten die USA niemals exterritorialen Sanktionen beschließen können. So wird die Pipeline gebaut und der Schaden bleibt.