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Rechtspopulismus
Einwanderung und das Schielen nach rechts außen

Immer wenn Rechtspopulismus aufkommt, schielen auch moderate Parteien nach rechts außen - Ein Fehler, der sich von Zeit zu Zeit wiederholt.

Einwanderungspolitik ist von Natur aus emotional aufgeladen und verleitet nicht wenige politische Entscheidungsträger, nach einfachen Antworten zu suchen. Gerade die Mitte-Rechts-Parteien schielen allzu gerne nach rechts außen.

Die Flüchtlingsdebatte in Deutschland und Europa hat in den letzten Wochen und Monaten an öffentlicher Aufmerksamkeit verloren. Andere Themen rücken vermehrt in den Mittelpunkt und waren zum Beispiel im Vorlauf der Europawahl von ähnlicher oder sogar größerer Bedeutung. Aber am rechten Rand der politischen Landkarte versuchen weiterhin viele, die Debatte am Leben zu halten. Das kommt nicht von ungefähr.

Ihren wirklichen Durchbruch erzielte die Alternative für Deutschland, als hunderttausende Asylsuchende in die Bundesrepublik kamen. In Italien, jenem Land, das erster Anlaufpunkt für Mittelmeerflüchtlinge ist, regierte sogar bis vor kurzem eine asylkritische Koalition aus Rechtspopulisten und Europaskeptikern. Und auch in Österreich gewannen Sebastian Kurz‘ ÖVP und die rechte FPÖ die Nationalratswahl 2017 unter anderem mit deutlicher Haltung gegen eine zu laxe Einwanderungspolitik. Gerade die Freiheitlichen machen seit Langem Stimmung gegen „Islamisierung“, „Marokkaner-Diebe“ und der vermeintlichen Verwandlung Wiens in ein zweites Istanbul, wie auf Wahlplakaten zu lesen war. Die AfD warb ihrerseits vor der Europawahl mit Slogans wie „Heimat bewahren“ und vor der Landtagswahl in Brandenburg etwa mit dem Spruch „Hol dir dein Land zurück“.

Einwanderung und Rechtspopulismus gehören untrennbar zusammen. Sobald spürbar mehr Ausländer ins Land kommen und die staatliche Kontrolle von Migration infrage gestellt wird, beginnt für die politische Rechte die Zeit für scharfe Rhetorik. Doch während Rechtsausleger wie AfD, FPÖ oder Lega wenig überraschend zu platten Parolen greifen, neigen auch etablierte Konservative und andere moderatere politische Strömungen immer wieder zum Griff in die Mottenkiste der Anti-Einwanderungsrhetorik – meist verpackt als eine Rückbesinnung auf das Nationale, auf Heimat und homogenere Gemeinschaft.

Geschichte wiederholt sich

CDU und CSU haben sich in der Nachkriegsgeschichte jahrzehntelang dagegen gewehrt anzuerkennen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Unter Bundeskanzler Helmut Kohl stand jener Terminus auf der schwarzen Liste. Und im Zuge der ersten bundesweiten Asyldebatte, die in den Jahren 1985 und 1986 ausbrach, vollführten nicht wenige Christdemokraten einen schnellen Schwenk nach rechts, als die Wahlergebnisse in Bund wie Ländern mau ausfielen und rechte Kräfte wie etwa Die Republikaner (REP) an Zustimmung gewannen.

Statt Front zu machen gegen die Rechtspopulisten, liefen so manche CDU-Politiker schnurstracks zur rechten Flanke. Nach einer enttäuschenden Berlin-Wahl 1989 beschwor der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Alfred Dregger, umgehend die Schärfung des Profils seiner Partei. Was er wirklich meinte: Die CDU musste aus seiner Sicht damals vor allem ihr „national-konservatives“ Profil stärker herausheben und als Front gegen den „massenhaften Missbrauch“ des Asylrechts auftreten. Solche Kommentare häuften sich Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre, als die damalige Asyldebatte an Fahrt gewann und mit den Jugoslawien-Kriegen immer mehr Flüchtlinge in die Bundesrepublik kamen.

Dass zeitgleich mit immer populistischeren Attacken gegen Asylsuchende und die deutsche Einwanderungspolitik auch die physischen Attacken auf Ausländer und Flüchtlingsheime zunahmen, markierte eine dunkle Stunde in der Geschichte des noch jungen wiedervereinigten Deutschlands. Heribert Prantl warf den regierenden Parteien damals vor, ihre „politische Schuld“ begraben zu wollen. Sie sahen sich nicht mitverantwortlich für jene bekannten Brandanschläge in Mölln, Hoyerswerda oder Rostock-Lichtenhagen. Dabei waren es gerade die Etablierten und ihre Annäherung an radikalere Programmatik, die auch Ausländer- und Asylfeindlichkeit normalisierten.

Der diffizile Umgang mit den Rechten

Die Parallelen zu heute und dem, was seit dem Spätsommer 2015 passiert ist, scheinen frappierend. In den vergangenen Jahren durchlebte die Union eine interne Zerreißprobe, in der immer wieder führende Figuren gegen den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage feuerten – nicht zuletzt auch ihre Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Mit Horst Seehofer hatte Merkel ihren lange Zeit prominentesten Kritiker sogar am eigenen Kabinettstisch sitzen.

Anders als der Kohl-CDU in den 1980er Jahren fehlt es heute am Regulativ in der Bundesregierung. Die damalige FDP wehrte sich bis kurz nach der Wiedervereinigung mit Händen und Füßen in Koalitionsverhandlungen gegen eine allzu restriktive Einwanderungspolitik. Doch heute ist die Union mehr mit sich selbst beschäftigt, weil der sozialdemokratische Koalitionspartner mit genügend eigenen Problemen zu kämpfen hat.

Ähnlich wie beim ungeschickten Umgang mit dem Aufstieg von REP oder DVU vor rund 30 Jahren wusste und weiß die Union auch heute noch nicht, wie sie auf die AfD gerade mit Blick auf die Flüchtlingsdebatte reagieren soll. Ein migrationspolitischer Schwenk nach rechts wirkt doch allzu verführerisch. Statt ausbalancierte Antworten auf eine komplexe Fragestellung zu geben, würden einfache Lösungen das kurzfristige Gefühl geben, wieder Herr der Situation zu sein.

Dieser Schuss ging allerdings in den 1990er Jahren schon nach hinten los. Denn die damals angestrebte Einschränkung des Asylrechts im Grundgesetz, die 1993 vom Bundestag beschlossen wurde, führte nicht etwa dazu, dass rechtspopulistische Parteien über Nacht verschwanden. Sie verschwanden langsam und schleichend – meist zerfressen von internen Querelen oder strukturellen Schwächen. Es brauchte Geduld und kein überschnelles Kuschen mit deren populistischer migrationspolitischer Programmatik.

 

Constantin Eckner promoviert an der University of St Andrews zur Asyldebatte in Deutschland seit Beginn der 1980er. Er war von 2016 bis 2019 Promotionsstipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und Chefredakteur des Stipendiaten- und Alt-Stipendiaten-Magazins „freiraum“.