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Recht auf Privatsphäre per App

„Avatars“ gewinnen Studentenwettbewerb zu Wirtschaft & Menschenrechten in Hongkong
Gewinner-Team

"Avatars", die Gewinner der diesjährigen Business-Challenge

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

An wenigen Orten der Welt ist das Thema „Wirtschaft und Menschenrechte“ relevanter als in Hongkong. Zwar sind die Auswirkungen unverantwortlichen Wirtschaftshandelns hier weniger sichtbar als zum Beispiel an den Produktionsstätten der Textil- oder Elektronikindustrie der Region. In Hongkong sitzen jedoch viele der vor allem in China tätigen Großunternehmen, die die wirtschaftlichen Freiheiten der „Sonderverwaltungszone“ nutzen, die aber gleichzeitig immer wieder mit Menschenrechtsverletzungen wie etwa moderner Sklaverei in Verbindung stehen. Damit war die Stadt mehr als passend für die von der Stiftung gemeinsam mit der Studentenorganisation „Eureka ausgerichtete „Hongkong Business Case Challenge 2017“ zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte.

Wie bekannt ist das Thema „Wirtschaft und Menschenrechte“ in der Hongkonger Gesellschaft? Beschäftigen sich vor allem junge Menschen, die letztlich als Generation von morgen mit den Folgen nicht-nachhaltigen Wirtschaftens leben müssen mit diesem Thema? Auf den ersten Blick noch viel zu wenig. Auch bei anderen sozialen Fragen, wie etwa zur immer größeren Ungleichheit in Hongkong oder hinsichtlich des unterentwickelten Sozialsystems, wird die Debatte um die menschenrechtliche Verantwortung der Unternehmen kaum geführt.

Diesen Zustand möchte die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) verbessern und gleichzeitig neue Ideen entwickeln, wie konkrete und sogar wirtschaftlich lohnenswerte Konzepte negativen Einfluss wirtschaftlichen Handels auf die Menschenrechte verringern können. Diese Frage stellte der FNF Innovation Hub Hongkong Studenten der sieben größten Universitäten der Region. Dazu wurde gemeinsam mit der Studentenorganisation „Eureka“ die „Hongkong Business Case Challenge 2017“ veranstaltet. Im Rahmen dieses Ideenwettbewerbs konnten sich Studenten aller Fakultäten vernetzen und Teams formen. Ihre konkreten Vorschläge mussten sie dann in Form von Kurzpräsentationen auf der Plattform hochladen. Eine durch das FNF-Menschenrechtsreferat zusammengestellte internationale Fachjury bewertete die Ideen nach Innovation, Umsetzbarkeit und Relevanz und wählte die zehn besten Teams aus. Diesen wurde sodann für fünf Wochen jeweils ein Experte als Mentor zur Seite gestellt, der mit den Studenten ihre Ideen weiterentwickelte und ihre Präsentationen für die finale Abstimmung fit machte. Hierfür wurden die drei besten Teams ausgewählt, die im Rahmen eines ‚Live Pitch‘ ihre Ideen der Experten-Jury vorstellen mussten.

Nach einer extrem knappen Entscheidung gewann das Team „Avatars“. Ihre Idee einer Blockchain basierten App, die es Nutzern ermöglicht die Nutzung ihrer Daten durch Konzerne nicht nur zu überwachen, sondern gegebenenfalls auch gegen finanzielle Vorteile zu vermarkten, konnte letztlich überzeugen. Dabei unterstrich die Jury in ihrer Begründung vor allem, dass mit der Idee des Sieger-Teams nicht allein das Recht auf Privatsphäre in den Blick genommen werde. In Zeiten der digitalen Erfassung aller Lebensbereiche werden Lösungen zur Datenkontrolle für die Realisierung fast aller Menschenrechte zunehmend relevant. Auch für Bevölkerungsteile, denen der Zugang zur digitalen Welt aus Armut oder anderen Gründen verwehrt bleibt.

Wir haben das Gewinner-Team Natalie Chan, Stephanie Kwok (beide City University of Hongkong) und Silver Pang (Hong Kong University of Science and Technology) am Tag nach ihrem tollen Erfolg getroffen:

FNF: Herzlichen Glückwunsch! Wie seid ihr auf die Business Case Challenge der FNF aufmerksam geworden – und warum habt ihr Euch für das Thema „Wirtschaft und Menschenrechte“ entschieden?

Natalie: Stephanie und ich sind beide Jurastudentinnen im vierten Jahr. Wir haben uns immer für Menschenrechte interessiert und engagiert. Wir hatten nur zuvor noch keine Vorstellung, wie wir dies vielleicht einmal zu einem Teil unserer professionellen Karriere machen könnten.

Stephanie: Die Business Case Challenge hat uns durch den Austausch mit den Mentoren einen ganz neuen Einblick verschafft, welche Rolle Menschenrechtsarbeit in der Arbeitswelt, in die wir kommen, spielt.

Silver: Ich als Programmierer und Student im Bereich Ingenieurswesen interessiere mich bereits seit längerem dafür, wie Technologie soziale Probleme lösen kann. Gemeinsam mit einem Kommilitonen habe ich vor einiger Zeit eine App entwickelt, um Demenzpatienten bei der Einnahme ihrer täglichen Medikamente zu unterstützen. Die App wird mittlerweile vom örtlichen Krankenhaus, mit dem wir das Projekt durchgeführt hatten, in der täglichen Arbeit mit den Patienten verwendet.

FNF: Kanntet ihr Euch bereits vorher? Gab es Schwierigkeiten in der Kommunikation über die Grenzen Eurer Fachbereiche?

Stephanie: Das war zwar nicht immer leicht, denn wir haben andere Herangehensweisen. Letztlich haben wir uns aber doch gegenseitig ergänzt und Silver hat uns endlich mal erklärt was eigentliche diese Blockchain ist (lacht).

Silver: Auch ich konnte viel lernen über die juristische Seite der Menschenrechte. Mir war gar nicht klar, dass man sich durch technologische Lösungen noch ganz anderer Probleme annehmen könnte. Nicht nur auf kommunaler – sondern auf internationaler Ebene.

FNF: War Euch das Thema „Wirtschaft und Menschenrechte“ vorher bekannt? Wie seht ihr es nun?

Natalie: Wir hatten davon gehört – aber eher im Zusammenhang von Skandalen und Fällen, in denen Firmen wie etwa Apple in der Kritik standen. Der politische und rechtliche Prozess auf internationaler, regionaler und nationaler Ebene war uns bisher unbekannt. Uns ist nun aber klar geworden, wie wichtig es ist dieses Thema vor allem hier in Hongkong, wo viele der Firmen zuhause sind, zu diskutieren.

Stephanie: Ja genau. Bisher geschieht das viel zu wenig. Insbesondere die Firmen haben hier noch oft überhaupt kein Bewusstsein. An den Universitäten gibt es zunehmend Angebote. Ferner sind einige führende Professoren zu diesem Thema in Hongkong. Bei uns an der City University lehrt zum Beispiel Surya Deva, der Mitglied in der UN Arbeitsgruppe zu diesem Thema ist. Er sitzt dort der Gruppe für Asien vor.

Silver: Ich hatte bis zur Challenge dieses Thema fast gar nicht wahrgenommen. Außer natürlich im Zusammenhang mit dem Skandal um den I-Phone-Hersteller, der seine Arbeiter unter extrem schlechten Bedingungen schuften lies. Das kam damals erst in die Presse als sich mehr und mehr Arbeiter vom Dach der Firma stürzten. Die haben damals sogar Netze aufgespannt, um dies zu verhindern…

FNF: Ihr werdet im nächsten Jahr nun als Gewinner nach Berlin fliegen um Eure Idee dort Vorzustellen. Was erwartet ihr?

Silver: Ich freue mich vor allem auf die vielen kreativen start-up Leute aus der Fin-Tech Branche, die zurzeit in Berlin boomt. Darüber hinaus ist es mein Traum einmal ein Konzert der Berliner Philharmoniker zu besuchen, dem besten Orchester der Welt. Ich studiere nämlich nebenher Musik, Hauptfach Violine.

Stephanie: Ich bin sehr an der Social Entrepreneurship community in Berlin interessiert. Außerdem freue ich mich auf Berlin als Stadt. Es soll ja sehr aufregend sein. Außerdem freue ich mich darauf deutsches Bier zu kosten (lacht).

Natalie: Ich finde darüber hinaus auch die Arbeit der FNF interessant. Ich finde, dass politische Bildung überall auf der Welt mehr gebraucht wird. Auch in Hongkong…

Maximilian Spohr ist der Menschenrechtsexperte der Stiftung für die Freiheit