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Rassismus
Wir brauchen eine nachhaltige Berichterstattung über Rassismus

Black Lives Matter
© picture alliance / Photoshot | -

Die tagelangen Proteste nach dem Mord an George Floyd haben sich zu einer weltweiten Rassismusdebatte ausgeweitet. Dabei kommt es neben einer Diskussion um Reformen in den Sicherheitsbehörden jetzt auch zu einer Auseinandersetzung mit der Geschichte.

In den USA reißen Aktivisten die Denkmäler von Südstaatengenerälen und Kriegshelden ab. Auch vor Christoph Kolumbus oder dem Andenken an Abraham Lincoln machen sie nicht halt. In Europa verschwinden Statuen von Sklavenhändlern und Kolonialherren und die Belgier demonstrieren gegen ihren „Mörder“ Leopold II., dem einst der Kongo gehörte.

Auch in Deutschland wird über Rassismus diskutiert. Laut einer Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung sehen hier mehr als die Hälfte der Menschen (51%) große Probleme. Rassismus gibt es natürlich auch in unseren Sicherheitsbehörden. Und auch hierzulande fällt der Blick nun auf unsere Vordenker und –bilder wie etwa Immanuel Kant. Dieser ging zwar in seinem Denken von der angeborenen Gleichheit aller Menschen aus. In seinem Gesamtwerk finden sich aber auch krude rassistische Theorien, die etwa den Bonner Historiker Zeuske zuletzt zu der Aussage bewegten, Kant sei einer der Mitbegründer des europäischen Rassismus gewesen.

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Rassismusdebatten führen wir in Deutschland abgesehen von der historischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung des Nationalsozialismus immer wieder. Oft sind es erschütternde Verbrechen wie der Mord an Amadeu Antonio 1990, die Hertzjagd auf den später verstorbenen Algerier Farid Guendoul 1999 in Guben oder die Mordserie des NSU zwischen 1997 und 2007, die uns aufrütteln.

Die Politik bemüht sich regelmäßig, „Taten folgen zu lassen“. Die verschiedenen Bundesregierungen der letzten Jahre legten zahlreiche Initiativen („Forum gegen Rassismus“ 1998), Nationale Aktionspläne („Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus“ 2008 und erneut 2017) und Strategien („Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung“ 2016) vor. Doch letztlich brachten alle diese Bemühungen neben einigen Verbesserungen nie einen echten Durchbruch. Immer wieder, so scheint es, gerät das Problem zu schnell aus dem Blickfeld.

Ein nur wenig betrachteter Aspekt ist dabei die Frage, wie in den Medien über Rassismus berichtet wird. Die Ergebnisse der aktuellen Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung lassen hier aufhorchen: Fast die Hälfte (44%) der Deutschen sind der Meinung, dass die klassischen Medien durch ihre Berichterstattung die Spannungen in der Gesellschaft verschärfen. Mehr als ein Drittel (39%) findet, dass klassische Medien nicht objektiv und neutral über Konflikte in unserer Gesellschaft berichten und 31% von ihnen empfindet die Berichterstattung der klassischen Medien als zu regierungstreu. Dabei sind sie überzeugt: Kritischer Journalismus findet nur in den sozialen Medien statt. 

Beunruhigend ist zudem, dass rund ein Viertel der Befragten der Meinung ist, dass zu wenig Berichterstattung über Kriminalität von Ausländern (26%) und zu viel über Diskriminierung von Ausländern (24%) in den klassischen Medien stattfindet.

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Natürlich, für viele sind Themen wie Rassismus, Antisemitismus oder Rechtsextremismus unangenehm. Man will sich nicht damit beschäftigen, es nicht wahrhaben oder kann sich schlicht nicht vorstellen, dass es sowas „bei uns“ gibt. JournalistInnen und Medien wird schnell Übertreibung und Sensationalismus unterstellt. Dabei übersehen viele, dass solche Formen von Diskriminierung für die davon kaum betroffene Mehrheitsbevölkerung oft schlicht unsichtbar sind.

Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Die Unzufriedenheit der Menschen mit der Berichterstattung zu Rassismus ist aber nicht völlig unbegründet. Natürlich wird das Thema zugespitzt, instrumentalisiert und oft zu reißerisch dargestellt. Der Streit um den TAZ-Beitrag von Hengameh Yaghoobifarah stellt das aktuell wieder unter Beweis. Die missglückte Undercover-Reportage „Schwarz auf Weiß“ von Günter Wallraff, dem offensichtlich die rassistische Tradition des „black facing“ nicht bekannt war, zeigte zudem vor einigen Jahren welche Probleme selbst erfahrene InvestigativjournalistInnen mit dem Thema immer noch haben.

Eine nachhaltige Berichterstattung, die das Thema langfristig und von allen Seiten in den Blick nimmt gehört also zu den vielen anderen Maßnahmen dazu, wenn wir im Kampf gegen Rassismus endlich vorankommen wollen. Dafür müssen wir die Medien, aber auch Medienbildung der Menschen stärken. Kurzfristig können wir so vor allem dafür sorgen, dass das Thema nach den üblichen Protest- und Empörungswellen nicht so schnell wieder von der Tagesordnung verschwindet.

Neue Umfrage: Deutsche halten Proteste in den USA für berechtigt

Demo zum Tode von George Floyd Black Lives Matters

Die Proteste des vergangenen Wochenendes in vielen deutschen Städten haben es gezeigt, und eine aktuelle repräsentative Befragung von Kantar im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit liefert die Zahlen dazu: Die Deutschen sind mehrheitlich besorgt über die aktuelle Entwicklung der Lage in den USA nach dem Tod von George Floyd – sie sparen nicht mit Kritik an den Geschehnissen in Minneapolis und unterstützen Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus.

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