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Pressefreiheit in Mynamar
Die Wahrheit in der Rohingya-Krise ist unerwünscht

In Myanmar werden Journalisten wegen der Aufarbeitung eines Verbrechens verurteilt
Polizisten
Burmesische Polizisten stehen während des Prozesses gegen die beiden Journalisten vor einem Gericht im Township Insein Wache © CC0 Voice of America

Der frisch verurteilte Wa Lone verließ den Gerichtsaal mit den Worten: „Ich habe keine Angst. Ich glaube an Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit“. Er und sein Kollege Kyaw Soe Oo, die für die Nachrichtenagentur Reuters arbeiten, wurden in Myanmar zu sieben Jahren Haft verurteilt.  Das Urteil gilt als Test für die junge Demokratie. Myanmar-Expertin Katrin Bannach bewertet im Interview mit freiheit.org, ob sie ihn bestanden hat.

Myanmar galt zunächst nach der Öffnung des Landes vor einigen Jahren als hoffnungsvolles Beispiel der Demokratisierung. Ist diese Bewertung noch richtig?

Das Urteil ist nicht nur ein massiver Rückschritt für die Meinungsfreiheit in Myanmar, sondern hängt direkt mit der Frage zusammen, ob das Militär die Aufarbeitung seiner Verbrechen zulässt. Die beiden Journalisten arbeiteten an der Offenlegung eines Massakers an zehn Rohingyas im Dorf Inn Din im September 2017. Das Massaker geschah zu Beginn der Militärkampagne, die zum Exodus von über 700.000 Rohingyas nach Bangladesch führte.

Nach Aussagen von Wa Lone and Kyo Soe Oo wurden sie während ihrer Recherchearbeiten im Dezember 2017 von Sicherheitskräften in eine Falle gelockt. Die Polizei übergab ihnen angeblich geheime Dokumente, nahm sie kurz danach fest und legte ihnen den Besitz eben dieser und anderer Dokumente nach einem Gesetz aus der Kolonialzeit zur Last. Dies bestätigte auch ein Polizist im Zeugenstand. Er sitzt mittlerweile als Disziplinarmaßnahme selbst für ein Jahr im Gefängnis. 

In der Zwischenzeit hat das Militär die Verbrechen in Inn Din selbst eingestanden und die Täter zu zehn Jahren Haft verurteilt. Unzählige weitere Ungereimtheiten wie diese ließen die Anklage der Journalisten zunehmend als schlechten Witz erscheinen. Umso überraschender war deshalb die Verurteilung.

Ist denn die Justiz Spielball des Militärs?

Wie schon seit Jahrzehnten ist die Justiz weiterhin Handlanger der Mächtigen. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Öffnungsprozess vor sieben Jahren vom Militär eingeleitet und nach eigenen machtpolitischen Interessen strukturiert wurde. Das Gerichtsurteil zeigt, dass die Grenzen dieser Öffnung auch weiterhin von ihm bestimmt werden.

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Das Militär lässt jetzt mal wieder seine Muskeln spielen. Gerade als die Weltöffentlichkeit von einem UN-Bericht an die Gräueltaten des Militärs in der Rohingya-Krise erinnert wird, setzt das Militär in Myanmar mit dem Urteil jetzt selber ein Zeichen: Wir lassen uns von niemandem etwas sagen!

Es zeigt uns, welche roten Linien nicht überschritten werden dürfen: Die Aufarbeitung von Verbrechen des Militärs gehört genauso dazu wie eine von Aung San Suu Kyi gewünschte Verfassungsänderung, die zu einer Schwächung des Militärs im politischen Gefüge des Landes führen könnte. Das zeigte der Mord auf offener Straße an dem Verfassungsexperten ihrer Partei, Ko Ni, im Januar 2017, in den die Verwicklung des Militärs ungeklärt bleibt.

Es sitzen jetzt 122 ehemalige politische Gefangene im Parlament und wichtigen politischen Ämtern. Der Wahlslogan von Aung San Suu Kyi war Rechtstaatlichkeit. Ist das Gerichtsurteil ein Armutszeugnis für ihre Regierung?

Es zeigt, wie schwer es einer ehemaligen Oppositionsbewegung fällt, Reformen umzusetzen. Bei der geringen Regierungserfahrung und den verkrusteten Strukturen ist das auch eine Mammutaufgabe. De facto haben sich Aung San Suu Kyi und ihre Partei NLD in eine komplizierte Regierungskonstellation eingelassen, in der sie die Macht mit dem Militär teilen. 

Dennoch hätte die NLD-Regierung Gesetze, die dazu genutzt werden die Meinungsfreiheit einzuschränken, schon schneller reformieren können. Myanmar ist so innerhalb des letzten Jahres im Pressefreiheitsindex der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ von Platz 131 auf Platz 137 gesunken.

 

Rohingyas
Angehörige der Rohingyas in einem Flüchtlingslager © CC BY-SA 2.0 commons.wikimedia.org/ DFID - UK Department for International Development

Aung San Suu Kyi hat es unterlassen, den Angeklagten wenigstens moralische Unterstützung zu bieten, da sie sich auch zu diesem Prozess, ähnlich wie zu der Rohingya-Krise, eher im Sinne des Militärs geäußert hat. Damit liegt sie allerdings leider auf einer Linie mit der Bevölkerungsmehrheit in Myanmar. Für die Anliegen der Rohingyas gibt es in der Bevölkerung Myanmars kaum Unterstützung, da sie aufgrund jahrzehntelanger Hetze als Eindringlinge aus Bangladesch betrachten werden. Hingegen genießt das Militär wegen seines Vorgehens seit letztem Jahr so viel Anerkennung wie schon lange nicht mehr.  

Aber ist das Militär bei diesem Gerichtsprozess vielleicht zu weit gegangen?

Die Bevölkerung ist solche Gerichtsurteile leider gewohnt. Auch wenn der Prozess gegen die Journalisten nicht einmal ein Mindestmaß an juristischen Standards aufwies, wird sich an der aufgehetzten Stimmung gegen die Rohingyas nichts ändern. Einen Aufschrei gab es aber von lokalen Medien, Zivilgesellschaft und internationalen Beobachtern. Unter ihnen machen jetzt Cartoons die Runde, in denen gefragt wird, wer der nächste Journalist ist, der verurteilt wird.

Gibt es denn keinen Lichtblick?

Ich hoffe, dass sich Aung San Suu Kyi und ihre Berater dieses Mal trauen, ein deutliches Zeichen auch gegen das Militär zu setzen. Zunächst geht das Verfahren in die Berufung vor dem Obersten Gericht Yangons. Bestätigt das die Verurteilung, bleibt dem neuen Präsidenten Myanmars Win Myint, einem engen Vertrauten Aung San Suu Kyis, die Möglichkeit, die Verurteilten zu begnadigen. Da er in seiner Amtsantrittsrede im April dieses Jahres die Bedeutung der Medien für die Demokratie hervorhob, pochen Pressevertreter jetzt darauf, dass er sich selbst beim Wort nimmt.

 

Katrin Bannach leitet die Arbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung in Myanmar und Thailand.