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Polen vor der Präsidentschaftswahl: Noch ist nichts entschieden

Rafal Trzaskowski
Rafal Trzaskowski spricht während einer Wahlkampfveranstaltung mit seinen Anhängern. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Filip Radwanski

Am Sonntag wählen die Polinnen und Polen ihren Präsidenten für die nächsten fünf Jahre. Sollte kein Kandidat beim ersten Wahlgang mehr als 50% der Stimmen gewinnen, kommt es am 12. Juli zu einer Stichwahl. Der Amtsinhaber Andrzej Duda, der der regierenden national-konservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) nahesteht, führt mit etwa 42% in den Meinungsumfragen. Duda gilt als Favorit der Wahl. In den letzten Wochen sank seine Popularität jedoch deutlich. Hingegen scheint das größte Oppositionsbündnis, die liberalkonservative „Bürgerkoalition“ (KO), mit ihrem Kandidaten Rafał Trzaskowski im Aufwind zu sein. Einigen Befragungen zufolge würden sowohl Trzaskowski, als auch der unabhängige proeuropäische Kandidat der Mitte, Szymon Hołownia, gegen Duda im zweiten Wahlgang knapp gewinnen.

Die Präsidentenwahl war ursprünglich für den 10. Mai geplant, konnte aber aufgrund der Corona-Pandemie nicht stattfinden. Die Wahlverschiebung war ein schwerer Schlag für die PiS, deren Kandidat Duda seitdem in Umfragen um circa 20 % schrumpfte – nicht zuletzt auch wegen der angekündigten Kandidatur von Trzaskowski.

Neuer Kandidat der Bürgerkoalition

Mitte Mai löste der 48-jährige populäre Warschauer Bürgermeister Trzaskowski die bis dahin erfolglos agierende KO-Kandidatin Małgorzata Kidawa-Błońska ab, die ihre Kandidatur nach der Wahlverschiebung zurückzog.

Trzaskowski startete seine Kampagne energisch und selbstsicher. Innerhalb weniger Tage sammelte er mehr als 1,6 Millionen Unterschriften für seine Kandidatur und wurde schnell zum größten Herausforderer vom amtierenden Duda. Jüngsten Umfragen zufolge liegt er mit circa 29% auf dem zweiten Platz und weit vor dem drittplatzierten Hołownia (rund 10%).

Innerhalb des liberalkonservativen Lagers gilt Trzaskowski als profilierter gesellschaftspolitischer Liberaler, der sich für die LGBT-Rechte und eine klare Trennung zwischen Staat und Kirche in dem streng katholischen Land einsetzt. Im Rahmen einer energischen Antikampagne versucht nun die PiS die liberalen Ansichten von Trzaskowski als eine Bedrohung für die polnischen Traditionen darzustellen. So unterschrieb Duda vor kurzem die sogenannte Familiencharta, in der er einen besonderen Schutz der Familie und Kinder vor der "LGBT-Ideologie" fordert.

Als Präsident möchte sich Trzaskowski auf die lokalen Investitionen oder Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt konzentrieren. Auch wolle er statt des staatlichen Fernsehsenders TVP, der oft als Propagandainstrument der PiS bezeichnet wird, einen neuen öffentlichen Sender gründen.

Welche Richtung nimmt Polen?

Die Wahl sei für lange Zeit die letzte Gelegenheit, den Aufstieg von PiS-Chef Jarosław Kaczyński zur absoluten Macht zu behindern. In den vergangenen fünf Jahren schaffte er es die Kontrolle über die meisten Schlüsselinstitutionen im Land zu gewinnen:  vom Posten des Präsidenten, über das polnische Unterhaus und Regierung, bis zum wesentlichen Teil des Justizwesens und öffentlichen Medien.

Als Präsident würde Trzaskowski die dringend benötigte Überwachung der Regierung ausüben. Der polnische Präsident verfügt über ein Vetorecht und hat dadurch direkten Einfluss auf die Gesetzgebung. Dazu ernennt er oberste Richter. Die Wahlumfragen jedoch zeigen, dass noch nichts entschieden ist. Wichtig ist, ob Trzaskowski auch einige rechtszentrierte gemäßigte katholische Wähler überzeugen kann.

Natálie Maráková ist Projektmanagerin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit im Büro für die Mitteleuropäischen und Baltischen Staaten in Prag.

 

Der Artikel erschien am 23. Juni in der Fuldaer Zeitung