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Pastoren, Knackis und Sumpfbewohner

Erste große Vorwahlrunde in den USA

Der Wahlkampf für die „Midterm elections“ in den USA ist in voller Fahrt. Am Dienstag fand die erste große Vorwahlrunde statt. In West Virginia, Indiana, Ohio und North Carolina gingen die Wähler an die Urne, um die Kandidaten für die diesjährigen Halbzeitwahlen zu bestimmen.

Spannend wurde es vor allem in West Virginia, Indiana und Ohio, die allesamt als „toss-up states“ gelten, bei denen der Ausgang im Herbst noch ungewiss ist. In allen drei Bundesstaaten kämpfen demokratische Senatoren um ihre Wiederwahl und müssen dabei um ihre Existenz bangen. 2016 hatte Donald Trump in diesen Staaten, die im „Heartland“ Amerikas liegen, gegen Hillary Clinton gewonnen. In Ohio gelten zudem fünf der sechszehn zur Wahl stehenden Sitze im Repräsentantenhaus sowie der Gouverneursposten als umkämpft. Ein halbes Jahr vor dem Wahltermin liefern die Ergebnisse der Vorwahlen interessante Einblicke.

Aufatmen bei den Republikanern

In West Virginia kämpften sechs republikanische Bewerber um die Nominierung ihrer Partei für die Senatswahl. Als aussichtsreichste Kandidaten galten West Virginias Justizminister Patrick Morrisey und der Kongressabgeordnete Evan Jenkins. Gefährlich nah kam ihnen dabei der in republikanischen Kreisen gefürchtete Don Blankenship. Noch bis vor kurzem saß der frühere Vorsitzende eines Kohlekonzerns im Gefängnis. 2015 wurde er im Zuge einer tödlichen Bergwerksexplosion in einer Mine in West Virginia, bei der 29 Arbeiter ums Leben kamen, zu einer Haftstrafe verurteilt. Das Gericht sprach Blankenship schuldig, Sicherheitsvorschriften umgangen und staatliche Aufseher getäuscht zu haben. Der 68-jährige bezeichnet sich selbst als „Trumpiger als Trump". Für das Partei-Establishment galt er als Schreckgespenst, mit dem man keine Wahlen gewinnen kann. Populistische Parolen und persönliche Attacken gegen das Establishment gehörten in seinem Wahlkampf zum Standardprogramm.
 

 
Erste große Vorwahlrunde in den USA
West Virginia © TUBS/ Wikimedia CC BY-SA 3.0

Kurz vor den Vorwahlen hatte sogar Präsident Trump die Wähler in West Virginia persönlich dazu angehalten, nicht für Blankenship zu stimmen. Das Risiko, die Halbzeitwahlen mit einem extremen Kandidaten zu verlieren, sei zu hoch. Dienstagnacht kam dann das große Aufatmen: Der Kohle-Baron und Ex-Knacki landete nur auf Platz drei der internen Vorwahlen. Gewinner Patrick Morrisey wird sich im November mit Senator Joe Manchin messen müssen, der als meistgefährdeter demokratischer Kandidat der „Midterm Elections“ gilt. Wegen der politischen Stimmung in West Virginia – Donald Trump hatte dort ganze 68 Prozent der Wählerstimmen eingefahren und ist nach wie vor sehr beliebt bei der Wählerschaft – und der starken Konkurrenz durch Morrisey haben die Republikaner echte Erfolgsaussichten.

Establishment vs. Underdog

Darüber hinaus gelten die Vorwahlen auch als eine Art internes Zeugnis für das Partei-Establishment. Können sich die von den Parteioberen favorisierten Kandidaten durchsetzen oder haben Außenseiter und Politikneulinge gepunktet? Für das republikanische Establishment fiel dieses Zeugnis am vergangenen Dienstag durchwachsen aus.

Auffällig war, dass viele Republikaner, die aktuell im Repräsentantenhaus sitzen und darauf gehofft hatten, im November für den Senat antreten zu können, ihre Vorwahlen verloren haben. In West Virginia landete der Kongressabgeordnete Jenkins nur auf Platz zwei, während in Indiana die Abgeordneten Luke Messer und Todd Rokita gegen den Geschäftsmann und Politnovizen Mike Braun verloren. In den letzten Wochen des Wahlkampfes hatten sich Messer und Rokita verbündet, um die Wähler davon zu überzeugen, dass Braun kein „wahrer Konservativer“ sei, schließlich habe er eine demokratische Vergangenheit. Allerdings zog Braun mit Leichtigkeit an den erfahrenen Politikern vorbei. Mit seiner Außenseiterrolle kam er bei der republikanischen Wählerschaft besser an als die „Washington Insider“ Messer und Rokita. Im November wird er sich gegen den demokratischen Senator Joe Donnelly behaupten müssen, einem weiteren Wackelkandidaten der Demokraten.

Auch in North Carolina musste ein erfahrener Kongressabgeordneter eine Niederlage einstecken. Robert Pittenger wollte seinen Sitz im Repräsentantenhaus verteidigen, bekam dabei aber Konkurrenz aus den eigenen Reihen. Er verlor die Vorwahl gegen den Baptistenpfarrer Mike Harris. Seine Strategie, Pittenger als Teil des „Washingtoner Sumpfs“ zu brandmarken, ging auf. Mit einer Niederlage Pittengers hatte niemand gerechnet.

In Ohio vertrauten die Wähler hingegen auf etablierte Kandidaten. Für das Senatsrennen wird im November der Kongressabgeordnete Jim Renacci antreten. Zwar konnte er sich letztlich gegen andere republikanische Mitbewerber durchsetzen, doch hatte er sich dabei wesentlich mehr Unterstützung der Wählerschaft erhofft, da er während seines Wahlkampfs tatkräftig von Donald Trump unterstützt wurde. Renacci wird im November auf den demokratischen Senator Sherrod Brown treffen, der das Amt seit 2007 inne hat und bei den Wählern sehr beliebt ist. In Ohio wird außerdem ein neuer Gouverneur gewählt. Der amtierende republikanische Gouverneur John Kasich darf wegen der Amtszeitbeschränkung nicht erneut antreten. Auf republikanischer Seite konnte sich Ohios Justizminister Mike DeWine gegen die stellvertretende Gouverneurin Mary Taylor durchsetzen. Der demokratische Bewerber Richard Cordray, ehemaliger Justizminister von Ohio, stach in der demokratischen Vorwahl gleich fünf Konkurrenten aus. Umgehend gingen die Parteien dazu über, dem jeweils anderen den „Washington-Stempel“ aufzudrücken. So wurde Cordray von den Republikanern als „machthungriger Washington-Insider“ stigmatisiert, obwohl der Republikaner DeWine selber zwanzig Jahre im Kongress diente. Umgekehrt bezeichneten die Demokraten den republikanischen Kandidaten als „eingetragenes Mitglied des Sumpfes“. Vermutlich werden die Töne über die kommenden Monate noch schärfer werden, denn der Ausgang der Gouverneurswahlen ist ungewiss. Die Demokraten haben jedoch große Hoffnungen, den Republikanern mit ihrem Kandidaten Cordray den Gouverneursposten streitig zu machen, um so auch die Erfolgsaussichten in Ohio für die Präsidentschaftswahl 2020 zu steigern.

Erste große Vorwahlrunde in den USA
Ohio © TUBS/ Wikimedia CC BY-SA 3.0

Einige der parteiinternen Wahlen der Republikaner wurden zum Machtkampf zwischen Establishment und Anti-Establishment. Die Tatsache, dass sich der einstige Anti-Establishment-Kandidat Trump dabei auf die Seite der Establishment-Kandidaten schlug und gegen Populisten wie Blankenship wetterte, zeigt, dass ihm sehr wohl bewusst ist, was im November für die Republikanische Partei auf dem Spiel steht. Noch ist alles offen. Doch politische Beobachter gehen davon aus, dass die Republikaner einige Niederlagen werden einstecken müssen. Gerade die Mehrheit im Repräsentantenhaus ist in Gefahr. Mit der Unterstützung der Establishment-Kandidaten geht Trump daher auf Nummer sicher. Denn bei den Halbzeitwahlen müssen die Bewerber ein weitaus breiteres Publikum als lediglich das parteiinterne ansprechen. Daher bräuchte es Kandidaten, die auch Wechselwähler überzeugen können.

Ruhe vor dem Sturm bei den Demokraten?

Seit der Niederlage der Demokraten bei der Präsidentschaftswahl 2016 sprechen politische Beobachter wiederholt von einem „Bürgerkrieg“, der zwischen dem „Mainstream“ und dem linken Flügel der Demokraten ausgebrochen sei. Bei den Vorwahlen wurde dieser Konflikt bisher nicht sichtbar. Die parteiinternen Rennen um die Nominierung der Kandidaten verlaufen bisher friedvoller als bei den Republikanern. Auf den Hauptwahlkampf für die „Midterms“ dürfte sich dies positiv auswirken, da die Demokraten keine Zeit und Ressourcen für interne Machtkämpfe verschwenden.

Als Reaktion auf das Gebaren Donald Trumps sowie die aufkeimende „#metoo-Bewegung“ gibt es bei den Demokraten in diesem Jahr überdurchschnittlich viele Bewerberinnen. Das Wahljahr 2018 wurde daher bereits zum „Jahr der Frauen“ deklariert. Die Ergebnisse der Vorwahlen zeigen, dass viele Demokratinnen die Wähler auf ihrer Seite haben. In 31 Wahlbezirken in West Virginia, Indiana, Ohio und North Carolina stellten sich am Dienstag demokratische Frauen zur Wahl mit der Aussicht, im November für das Repräsentantenhaus anzutreten. In 22 der 31 Vorwahlkämpfe gewannen Frauen das Rennen und steigen nun in den Hauptwahlkampf gegen die republikanische Konkurrenz ein. Viele Bewerberinnen werden es aber nicht einfach haben, da sie in Wahlbezirken kandidieren, die als „rot“ – also republikanisch – gelten. Doch der Zuwachs an Kandidatinnen sowie ihre bisher eingefahrenen Erfolge zeigen, dass die „pinke Welle“, wie sie ein wenig despektierlich genannt wird, keine Eintagsfliege ist, die mit der Abschlusskundgebung des „Women’s March” ihr Ende fand.

Iris Froeba, Policy Analyst und Media Officer, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.