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Nordkorea
Kann dieser Gipfel den Durchbruch bringen?

Donald Trump und Kim Jong-un treffen sich in Hanoi
US North Korea Summit Closing Yongbyon

US North Korea Summit Closing Yongbyon

© picture alliance / AP Photo

Vor eineinhalb Jahren war es unvorstellbar: Der amerikanische Präsident und der Oberste Führer der Demokratischen Volksrepublik Korea schütteln sich die Hände und sitzen an einem Tisch. Nun erfolgt in Hanoi bereits das zweite Treffen dieser Art. Wird es konkrete Schritte zu einer dauerhaften Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel einleiten? Ebnet es den Weg zu einem dauerhaften Frieden und wirklicher Aussöhnung? Aus Seoul berichten Christian Taaks und Tim Brose.

Gemischte Erwartungen

„So lange keine Tests stattfinden, habe ich keine Eile“ verkündete US-Präsident Donald Trump vor dem zweiten Gipfel mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un. Trump nahm mit der Äußerung einigen Zeit- und Erwartungsdruck von dem Treffen. Gleichzeitig betont Trump nach wie vor, dass er die Denuklearisierung Nordkoreas erreichen möchte.

Zu große Hoffnungen auf einen Durchbruch in Hanoi wären naiv: Der Konflikt dauert nunmehr seit über 70 Jahren an. Er beinhaltet zahlreiche, regionale und geopolitische Probleme, die sich keinesfalls kurzfristig lösen lassen. Nichtsdestotrotz betonen die meisten Beobachter, dass dieser Gipfel endlich substanzielle Fortschritte bringen müsse. Eine Show-Veranstaltung wie im vergangenen Juni in Singapur reiche dieses Mal nicht. Trotz aller vollmundigen Erklärungen und einem Potpourri an symbolpolitischen Gesten waren die Ergebnisse des ersten Gipfeltreffens am 12. Juni 2018 insgesamt dürftig.

Eine Woche vor dem nächsten Gipfel in Vietnam haben die nordkoreanischen Medien noch kein Wort über das bevorstehende Treffen verloren. Amerikanische und südkoreanische Medien sind dagegen dieser Tage prall mit Analysen und Kommentaren gefüllt. Je nach politischer Couleur überwiegen Zuversicht oder große Skepsis. Manche Journalisten befürchten, dass Trumps offenkundige Sehnsucht nach einem diplomatischen Triumph und nach dem Friedensnobelpreis dazu führen könnte, dass er zu viel anbietet und sich mit zu wenig zufrieden gibt.

Geben und Nehmen?

Eine Grundregel langwieriger Verhandlungsprozesse ist es, dass auch bei den Zwischenschritten keine Seite als Verlierer dastehen darf. Die Ergebnisse sind keine bilaterale Angelegenheit zwischen den Verhandlungsführern, sondern müssen auch der heimischen Politik, den Medien und den Bevölkerungen als Sieg verkauft werden können. Darin sehen zahlreiche Experten eine Gefahr: Sie befürchten, dass Trump zwar mit zelebrierter Grandezza, aber naiv agieren werde. Der US-Präsident könnte sich von nordkoreanischen Versprechen blenden lassen. Auf dem Gipfel in Singapur versprach Nordkoreas Kim Denuklearisierung. Daraufhin twitterte Trump realitätsfern, Nordkoreas nukleare Gefahr sei gebannt.

Zu welchen Zugeständnissen man dieses Mal bereit ist und welche roten Linien auf der nordkoreanischen Seite gezogen werden, ist wenige Tage vor dem Gipfel nicht vorhersehbar. Eine Verringerung der Sanktionen ist für die Nordkoreaner essentiell und steht auf der Forderungsliste wohl ganz oben. Immer wieder betont aber die US-Regierung, dass die Sanktionen so lange bestehen bleiben, bis sich in Nordkorea substanzielle, überprüfbare Fortschritte hin zu einer Denukleariserung zeigen. Als eine andere wichtige Karte in den Verhandlungen wird eine Friedenserklärung zur Beendigung des Korea-Krieges genannt. Dialogbefürworter sehen in einer solchen Erklärung eine Sicherheitsgarantie für Kim. Ob dies der nordkoreanischen Seite jedoch ausreicht, um im Gegenzug weitreichende Zugeständnisse zu machen, ist offen. Ein vorläufiger Erfolg wäre es, wenn der Gipfel einen Fahrplan mit klar formulierten, einzelnen, nächsten Schritten hervorbrächte. Ob so eine „Roadmap“ dann aber auch eingehalten würde, stünde allerdings keineswegs fest.

Zurzeit sind sich beide Seiten noch nicht einmal darüber einig, was „Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel“ oder „Verbesserung der Koreanisch-Amerikanischen Beziehungen“ bedeutet. Die USA möchten umfangreiche Kontrollen, die Offenlegung aller Nuklearanlagen sowie die Offenlegung potentieller Nuklearwaffenmaterialien. Die Nordkoreaner fordern als Bekenntnis zum Frieden den Abzug aller strategischen US-Waffen aus einer umliegenden Region, deren Ausmaß Verhandlungsmasse zu sein scheint. Der geforderte Abzug umfasst Langstreckenbomber und Flugzeugträger. Zudem könnte der Abzug der amerikanischen Truppen aus Südkorea gefordert werden. In Südkorea möchte selbst die linksliberale, dialogorientierte Regierung den amerikanischen Schutz behalten. Trump liebäugelt mit einer Verringerung der US-Truppen. Sollte Trump hier unerwartet sehr weitreichende Zugeständnisse an Nordkorea machen, wäre dies für die bisherige Sicherheitsarchitektur in Asien ein Desaster. Bereits im Anschluss an den Singapur-Gipfel überraschte er die Welt, inklusive seiner eigenen Generäle, mit der Ankündigung, dass gemeinsame Militärmanöver mit Südkorea ausgesetzt werden.

Die Nuklearanlagen: Ein Lackmustest

Repräsentativ für die schwierigen Verhandlungen ist das nordkoreanische Nuklearzentrum Yongbyon, in der Vergangenheit der wichtigste Forschungsreaktor und die größte Produktionsstätte von waffenfähigem Plutonium und hochangereichtertem Uran. Einige Experten sehen eine Überprüfung dieser Anlage als wichtigen ersten Schritt und substanzielles Zugeständnis seitens Nordkoreas. Anderen Beobachtern ginge ein solches Zugeständnis nicht weit genug. Außer Yongbyon gibt es nämlich noch andere Nuklearanlagen in denen, wenn auch wohl in geringerem Maße, atomwaffenfähiges Material hergestellt werden kann. Weiterhin gibt es zahlreiche Raketenbasen, zum Teil durch Satellitenanalysen bekannt, zum Teil auch geheim. Hier vermuten Experten eine Vielzahl der Nuklearwaffen und dazugehörige Trägerraketen, die eine Gefahr für Südkorea und die USA darstellen. Nordkorea müsse alle diese Anlagen offenlegen und eine Überprüfung zulassen.

Innerhalb der US-Regierung beharken sich verschiedene Fraktionen bezüglich des richtigen Umgangs mit Nordkorea. Daniel Coats, Direktor der US-Geheimdienste, bestätigte in einer Senatsanhörung im Januar, dass es keinerlei Beweise gebe, dass Nordkorea ein ehrliches Interesse an einer Denuklearisierung habe. Inzwischen berichten amerikanische Medien, dass Coats auf Trumps Abschussliste steht, da seine Einschätzungen Trump widersprechen. Die Washington Post berichtete in dieser Woche, dass John Bolton, Nationaler US-Sicherheitsberater, sich lautstark kritisch über den US-Sondergesandten für Nordkorea Stephen Biegun geäußert habe. Hintergrund ist, dass Biegun laut Bolton um jeden Preis einen Deal mit den Nordkoreanern erreichen und dafür große Zugeständnisse in Aussicht stellen möchte. Wie Trump sich letztendlich entscheidet, ist kaum vorherzusehen.

Von „Fire and Fury“ über Verliebtheit in die Verhandlungssackgasse: Wie geht es weiter?

Seit Januar ist der US-Kongress in demokratischer Hand. Die Russland-Ermittlungen von Robert Mueller stehen vor ihrem Abschluss. Donald Trump könnte also einen außenpolitischen Gewinn gut gebrauchen. Kim hingegen muss sich im eigenen Land zwar um keinen Kongress sorgen oder gar Ermittlungen fürchten, aber auch er muss so langsam ein Vorankommen erreichen. Insgesamt lief es für ihn seit seiner Machtübernahme bisher sehr gut: Potentielle Gegner wurden aus dem Weg geräumt. Raketen und Nukleartests waren erfolgreich. Die Annäherung an Südkorea, von der seit 2017 regierenden linksliberalen Regierung in Seoul massiv vorangetrieben, eröffnet die Perspektive auf einen verstärkten Austausch zwischen dem Süden und dem Norden.

Er und Kim hätten sich ineinander „verliebt“, verkündete Trump im Herbst 2018
Er und Kim hätten sich ineinander „verliebt“, verkündete Trump im Herbst 2018 © Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International - Michael Vadon

Trump drohte in seinem ersten Regierungsjahr dem „kleinen Raketenmann“ Kim zwar mit „Fire and Fury“. Doch nun hätten er und Kim sich ineinander „verliebt“, verkündete Trump im Herbst 2018. Kim drücken die Sanktionen sehr. Für ihn ist die Notwendigkeit groß, US-Zugeständnisse zu erreichen. China und Russland haben die engen Sanktionszügel im Vergleich zur zweiten Jahreshälfte 2017 zwar wieder gelockert, ein für die Nordkoreaner devisenbringender Rohstoffverkauf wie in der Vergangenheit bleibt aber weiterhin weitgehend blockiert.

Der erste Trump-Kim-Gipfel im Juni 2018 war schon allein durch die Tatsache seines Zustandekommens historisch. Aber das gemeinsame Abschlussdokument blieb vage: Ankündigungen statt detaillierte Abläufe. Die US-Regierung und ihre Dialogbefürworter betonten anschließend, dass dies doch nur ein Startpunkt gewesen sei und nun auf Arbeitsebene die Details ausgearbeitet werden sollten. Doch dann folgten Monate des Stillstandes. Treffen der Amerikaner mit der nordkoreanischen Seite kamen nicht zu Stande und man überzog sich gegenseitig mit Vorwürfen. Verhandlungsanfragen des im August ernannten US-Sondergesandten Stephen Biegun blieben unbeantwortet.

Erst seit dem Jahreswechsel und der Ankündigung eines erneuten Gipfeltreffens kam wieder Bewegung in die Diplomatie. Kann der selbsternannte „Dealmaker“ Trump jetzt erreichen, was in den letzten sechs Monaten nicht vorangekommen ist? Erneut gab es nur wenig Vorbereitungszeit für den zweiten Gipfel. Noch immer scheinen die Vorstellungen beider Seiten kaum kompatibel. Die USA fordern substanzielle Schritte zu einer Denuklearisierung, die Nordkoreaner fordern frühzeitige Verringerungen der Sanktionen. Irgendwo in der Mitte werden sich die beiden Seiten treffen müssen. Der zweite Gipfel zwischen Kim und Trump wird bestenfalls den Auftakt zu langfristigen und zähen, dann aber besser strukturierten und kontinuierlichen Verhandlungen bilden. Das klingt nach wenig, wäre aber durchaus so etwas wie ein Erfolg. Wer auch immer welche Zugeständnisse zu welchem Preis zu welchem Zeitpunkt macht - es wird ein schwieriger und langer diplomatischer Prozess bleiben.

Dr. Christian Taaks ist FNF-Projektleiter Korea mit Sitz in Seoul. Tim Brose befasst sich im FNF-Büro Seoul schwerpunktmäßig mit Nordkorea. Beide kennen das Land aus eigener Anschauung.

Weitere Beiträge zum Trump-Kim-Gipfel von unserem Projektleiter Christian Taaks:

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