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US Wahlen: Der Weg zu 270 Stimmen im Electoral College

Die Rolle der Swing-States bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen
Donald Trump
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Viele ausländische Beobachter übersehen oftmals, dass die amerikanischen Präsidentschaftswahlen keine direkten nationalen Wahlen sind. Es gibt nicht eine gemeinsame Wahl, sondern 51 Einzelwahlen - eine in jedem U.S.-Bundesstaat und eine in Washington D.C.. Über den Sieger entscheidet letztlich das Wahlmännerkollegium (Electoral College). Ein Kandidat ist gewählt, wenn er mindestens 270 Stimmen im Electoral College gewinnt.

Dabei gibt es zahlreiche Bundesstaaten, die schon seit Jahrzehnten für demokratische oder republikanische Kandidaten stimmen. Die Wahl wird somit in etwa einem Dutzend Staaten entschieden, die als Swing-States bezeichnet werden. Das sind Staaten, in denen es in der jüngeren Geschichte mehrfach einen Wechsel von einer Partei zur anderen gegeben hat. Sie spielen die entscheidende Rolle für die Kandidaten auf ihrem Weg zum Gewinn der benötigten 270 Stimmen. Auf diese Staaten konzentriert sich auch der Präsidentschaftswahlkampf.

Auch in diesem Jahr sind die traditionellen Swing-States, die in den letzten zwanzig Jahren eine wesentliche Rolle gespielt haben, entscheidend für die Präsidentschaftshoffnungen der Kandidaten: Florida, Michigan, New Hampshire, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin. Knappe Siege in diesen Staaten waren zentral für Donald Trumps Sieg gegen Hillary Clinton vor vier Jahren. Im Jahr 2016 gewann er Michigan, Pennsylvania und Wisconsin mit jeweils weniger als 1 Prozentpunkt. Florida gewann er auch nur ganz knapp.

Inmitten der menschlichen und wirtschaftlichen Krise durch die Coronavirus-Pandemie und der erneuten gesellschaftlichen Spannungen und sozialen Unruhen in amerikanischen Städten haben sich jedoch neue Swing-States, die in der Regel Hochburgen der Republikaner sind, als kritische Akteure bei der Bestimmung des Wahlergebnisses herauskristallisiert. Zu den überraschend hart umkämpften Bundestaaten gehören jetzt Arizona, Georgia, Iowa, North Carolina und Texas.

Die Tatsache, dass traditionell republikanische Staaten beginnen, wieder in die „noch unentschiedene“ Kategorie zu rutschen, ist ein Zeichen für die abnehmende Popularität von Trump, sowohl auf nationaler Ebene aber auch in den einzelnen Swing-States. Neue Umfragedaten zeigen, dass Trump deutlich hinter seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden zurückgefallen ist. Trumps Umgang mit der Pandemie und den Protesten nach dem Tod von George Floyd erklären die Erosion seiner Wählerunterstützung in traditionellen und neuen Swing-States. Eine große Zahl von Wählern in diesen Staaten missbilligt es, dass Trump der Wirtschaft Vorrang vor der Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus einräumt und noch mehr Öl in die Flammen der Wut über den Tod von George Floyd gegossen hat.

Auf der anderen Seite profitiert Biden von der Wahrnehmung des Versagens von Trump bei der Bewältigung dieser Krisen. Der Wahlkampf in Abwesenheit scheint für Biden zu funktionieren. Einer aktuellen Umfrage zufolge liegt Biden in fast allen traditionellen Swing-States vor Trump. Und die neu entstandene Gruppe von Swing-States könnte die Waage noch weiter zu Gunsten Bidens kippen.

Game Over?

All dies würde darauf hindeuten, dass das Spiel bereits vorbei ist. Aber wie die Amerikaner vor vier Jahren gelernt haben, ist das Spiel nie vorbei, wenn Trump ein Mitspieler ist; nur wenige haben den Ausgang der Präsidentschaftswahl 2016 vorhergesagt. Trump besitzt weiterhin trotz seiner politischen Verwundbarkeit einige wichtige Vorteile als Kandidat. Während Bidens Bemühungen um Spendensammlungen an Dynamik gewonnen haben, sitzt Trump auf einer erheblich größeren Kriegskasse.

Es ist auch wichtig zu bedenken, dass die Wirtschaft, die in Wahljahren immer eine große Rolle spielt, am Wahltag vielleicht gar nicht so schlecht aussieht wie jetzt. Vielleicht ist alles, was Trump tun muss, um wieder zu gewinnen, die skeptischen Wähler davon zu überzeugen, dass sich die Wirtschaft zumindest in die richtige Richtung bewegt, auch wenn die Arbeitslosenquote noch weit von den Werten vor der Coronavirus-Pandemie entfernt ist.

Und während diese neusten Umfragen Probleme für Trump signalisieren, sollte man nicht vergessen, dass Umfragen nur bestimmte Trends zeigen und eine Situationsausschnitt sind. Der Wahltag ist noch vier Monate entfernt - was in U.S.-Wahljahren wie ein ganzes Leben erscheinen kann. Bis dahin kann noch vieles passieren.

 

Claus Gramckow ist Leiter des Regionalbüros Nordamerika der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Washington, D.C.. 

Johanna Rudorf ist regionale Kommunikationsreferentin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Washington, D.C..