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#FemaleForward
„Es ist kompliziert“

Die Beziehung der Frauen zum Liberalismus
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Suffragetten in Dresden © (c) dpa - Report

In der Theorie des Liberalismus gibt es keinen Unterschied zwischen Geschlechtern. Das Individuum steht im Mittelpunkt. Spätestens seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts haben dies nicht nur männliche liberal Gesinnte gefordert, sondern auch weibliche. Gleiche Rechte und Freiheiten sollten für alle Menschen gelten. Hierarchien und gesellschaftliche Hürden, einst vorgegeben von Klerus und Adel, sollten nicht mehr dem persönlichen Lebensentwurf entgegenstehen. Erstmals haben sich in Deutschland zu dieser Zeit auch Frauen mit politischen Forderungen auf die Straße gewagt, mit dem Anspruch, dass auch für sie greifen müsse, was für Männer gelte: Gleichheit vor dem Gesetz, gleiche Freiheits- und Grundrechte, unabhängig von der Herkunft. Heute ist das eine Selbstverständlichkeit. Doch in einem Zusammenhang kommen nach wie vor regelmäßig Spannungen zwischen den Geschlechtern auf: im Auseinanderfallen von privater und öffentlicher Sphäre. Außerhalb des häuslichen Bereichs wird dann zwar nach liberalen Prinzipien gewaltet, in der privaten Sphäre hingegen aber nichts oder nur wenig dergleichen gestaltet. Das Fehlen einer Absicherung der wechselseitigen Garantie von Freiheitsrechten in Kombination mit tradierten Geschlechterrollen ist dann durchaus in der Lage, die Harmonie in der Beziehung einer Frau zum Liberalismus zu gefährden. Zusammen mit der steinzeitlichen Erwartungshaltung, dass die Frau selbstverständlich und unentgeltlich die Hauptlast der Fürsorgetätigkeiten und Reproduktionsarbeit in der Familie trägt, vergiftet dieses Defizit die Atmosphäre.

Universalität der Freiheitsrechte

Die Konsequenzen aus dieser Rollenzuteilung sind eine starke Verengung des Gestaltungsraums für Frauen, was berufliche Karrieren, politisches Engagement und gesellschaftliche Teilhabe betrifft, zu der im Sinne des Liberalismus jedes Individuum den gleichen Zugang haben sollte. Deshalb drängt sich gelegentlich der Eindruck auf, dass der Liberalismus ein männlich geprägter Definitionsraum ist, ohne dass die Beteiligten etwas an dessen Erscheinungsbild ändern wollen. Wenn das so bleibt, entzieht sich der Liberalismus selbst die Ressourcen für seine Akzeptanz und hält viele Frauen davon ab, sich inhaltlich für ihn einzusetzen. Um dem entgegenzuwirken, gilt es, den normativen Kern des Liberalismus konsequent hochzuhalten: die Reziprozität der Freiheitsrechte. 


"Silke Adam M. A. beschäftigt sich in ihrer Dissertation mit dem Thema "Frauen und der Liberalismus" und ist Referentin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag.