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In eigener Sache
Was jetzt zu tun bleibt

Wolfgang Gerhardt wird nun nach 12 Jahren die Amtsgeschäfte des Vorstandsvorsitzenden in die Hände seines Nachfolgers Karl-Heinz Paqué übergeben

Beim Ausscheiden einer prägenden Persönlichkeit aus einem Amt ist oft vom Ende einer Ära die Rede. Und auch wenn Wolfgang Gerhardt diesen Begriff, bezogen auf seine Person, sicherlich ablehnen würde, so ist man doch geneigt, ihn hier anzuwenden, wenn wir auf den kommenden Dienstag schauen.

Die Friedrich-Naumann-Stiftung hat in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen gefeiert. Ein Fünftel davon, nämlich exakt zwölf Jahre, hieß der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Gerhardt. Wenn man genau nachrechnet, hält er damit sogar den Rekord als am längsten amtierender Stiftungsvorsitzender – knapp ein halbes Jahr länger im Amt als der legendäre, auch von ihm hoch verehrte Hans-Wolfgang Rubin.

Zum 25. September 2018 wird Wolfgang Gerhardt aus dem Vorstandsvorsitz ausscheiden und die Amtsgeschäfte in die Hände seines im März gewählten Nachfolgers Karl-Heinz Paqué übergeben. Wolfgang Gerhardt hat sich dazu entschieden, knapp vor Vollendung des 75. Lebensjahres seine Arbeit als getan anzusehen. Er hat jedes Recht dazu.

Als Wolfgang Gerhardt am 01. Mai 2006 den Stiftungsvorsitz übernahm, als Nachfolger von Otto Graf Lambsdorff, war die Friedrich-Naumann-Stiftung eine andere, als sie es heute ist. Allerdings hat er sich, neu im Amt, nicht mit einer Kritik des Bestehenden aufgehalten, sondern Möglichkeiten, Perspektiven und Neuerungen durchdacht, formuliert, präzisiert, diskutiert und implementiert. Auf sein Betreiben wurde der Stiftungsname durch den Zusatz „für die Freiheit“ erweitert – ein zunächst für viele ungewohntes Zwischending zwischen Slogan und Schlachtruf. Heute dürfte unbestritten sein, dass viele der positiven Entwicklungen, die die Stiftung in den letzten Jahren genommen hat, mit eben dieser eindeutigen Betonung der Freiheit als Grundlage des Stiftungshandelns zu tun haben, um es zurückhaltend auszudrücken. Mit großer Energie hat Wolfgang Gerhardt diese Erneuerungsprozesse betrieben, gegen Widerstände, gegen anfängliche Skepsis bei einigen, gegen Beharrungstendenzen und Veränderungsunwillen.

Wolfgang Gerhardt hat den Stiftungsvorsitz niemals als Altersbetätigung ehemaliger Spitzenpolitiker gesehen, als Möglichkeit, auf kleiner Flamme das politische Süppchen irgendwie weiter zu kochen. Als durchaus bewährter Spezialist für schwierige Aufgaben hat er auch diese angenommen und bewältigt. So wie er 1982/83 die hessische FDP nach dem Ausscheiden aus dem Landesparlament wieder dort hinein führte. So wie er die Bundes-FDP aus der schwierigen Phase Helmut Kohl‘scher Kanzlerdämmerung herausführte, 1995 bis 98. So wie er der FDP-Bundestagsfraktion neue Orientierung und Fundierung gab in der ungewohnten Oppositionsrolle, nach 1998. Und als die Jüngeren, auf der Gerhardt'schen Konsolidierungsleistung aufbauend, drängten, hat er sich eine neue Aufgabe gesucht und diese mit der gleichen Zielstrebigkeit betrieben.

Bildung und Ausbildung ist unser Pass für die Zukunft und das Morgen gehört denjenigen, die sich heute darauf vorbereiten.

Wolfgang Gerhardt
Wolfgang Gerhardt

Was Wolfgang Gerhardt in all den Jahren umtrieb, was seine Arbeit in all den Funktionen, die er in der Politik ausgeübt hat, vorangetrieben hat, ist eine Art polit-intellektueller Unruhe auf hohem reflexivem Niveau, einer latenten Unzufriedenheit mit den politischen Umständen, wie sie den (guten) Liberalen wesenseigen ist. Folgerichtig hießen seine Positionspapiere, wie wir es in der Büroablage kategorisierten, seine Grundsatzreden und seine aktuellen Arbeitspapiere oft „Was jetzt zu tun ist“, oder „Lagebewertung“, oder „Es geht! Reform statt Reparatur“, oder „Für einen Politikwechsel in Deutschland“. Und was noch nicht alle wissen dürften: Den Begriff „Agenda 2010“ hat Wolfgang Gerhardt einst aufgebracht, in einem Schreiben an den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Wenn Wolfgang Gerhardt am 26. September 2018 den Stiftungsvorstand „als freier Mensch“ verlässt, ist er der Gleiche, der er 2006 war. Und das ist so, weil er der Gleiche ist, der er 1982 war, und 1995, und 1998, und 2001 – und bei den vielen übrigen Wegmarken seines politischen Lebens. Was jetzt zu tun ist, oder bleibt, ist ihm zu danken für seine Leistung im und für den politischen Liberalismus, in Partei, Fraktion und Stiftung. Gelegenheit dazu wird es reichlich geben.