EN

Nationaler Dienst soll Einheit der französischen Nation stärken

Was steckt hinter Macrons Reformplänen?
Macrons Reformprogramm und der neue „Dienst an der Nation“
Der verpflichtende Dienst an der Nation kann sozialer, kultureller oder ökologischer Natur sein. © CC0 Creative Commons/ pixabay

Im Wahlkampf warb der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron mit der Einführung eines neuen universellen und verpflichtenden Dienstes an der Nation für Männer und Frauen. Das Ziel: Solidarität und Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken. Wie passt dieser Vorschlag zum allgemeinen Programm Macrons?

Französische Wehrpflicht in der Tradition        

In Frankreich wurde die Wehrpflicht erstmals 1789 während der französischen Revolution eingeführt, dank ihr konnte Napoleon Bonaparte maßgeblich seine Truppen auf zahlreichen Feldzügen in Europa aufstocken. Im 20. Jahrhundert wurde der service militaire in service national umbenannt, 1997 erfolgte die Abschaffung der französischen Wehrpflicht. Stattdessen müssen Jugendliche zwischen ihrem 16. und 18. Lebensjahr derzeit einen sogenannten Vorbereitungstag für Verteidigung und Staatsbürgerschaft absolvieren. Von Präsident Jacques Chirac eingeführt, sollte dieser Tag junge Französinnen und Franzosen mit Fragen der Landesverteidigung sowie der französischen Staatsbürgerschaft vertraut machen und diente ebenfalls der Rekrutierung. Als Ersatz für den abgeschafften Wehrdienst gibt es in Frankreich seit 2010 einen offiziellen Zivildienst (Service Civique).

Macrons Idee einer Wiederbelebung des service national hat in den letzten Wochen zunehmend Gestalt angenommen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen Wehrdienst im klassischen Sinne, wie die Verwendung des ursprünglichen Begriffs suggeriert, sondern um eine bewusste Neuorientierung des Programms und eine universelle Ausweitung auf alle jungen Bürgerinnen und Bürger Frankreichs. Neben Frankreich haben das NATO-Mitglied Litauen sowie Schweden den nationalen Wehrdienst in den letzten Jahren ebenfalls wieder eingeführt, Grund hierfür ist die Sorge vor einer möglichen Bedrohung durch Russland; es soll daher primär die Landesverteidigung sichergestellt werden. 

Dienst an der Nation à la Macron

Hiervon unterscheidet sich der neue französische Dienst an der Nation jedoch grundlegend.  Ausgehend von multiplen Bedrohungen des französischen Staates und seiner Bürger, beispielsweise durch den internationalen Terrorismus, möchte Macron die Beziehungen und den Zusammenhalt zwischen der französischen Nation, der Zivilgesellschaft und den nationalen Sicherheitskräften stärken. Dass der service national keinesfalls einer klassischen Wehrpflicht gleichkommt und stattdessen durchaus mit Macrons gesellschaftspolitisch ausgerichtetem Programm in Einklang ist, zeigt sich bei näherer Analyse des Projekts. 

Kern des Vorhabens ist ein universelles, gemeinsames Engagement aller jungen Franzosen ohne Unterschied nach sozialer Klasse, Wohnort oder Geschlecht. Der Dienst kann in ganz verschiedenen Gesellschaftsbereichen stattfinden und sozialer, kultureller oder ökologischer Natur sein. Ziel ist, das eigene Kennenlernen und die persönliche Entfaltung junger Franzosen durch gesellschaftspolitisches Engagement zu fördern und zugleich Solidarität innerhalb einer ganzen Altersklasse zu stiften, was dann wiederum den Sockel einer solidarischen französischen Gesellschaft bildet.

Als verbindendes Element des neuen Dienstes soll daher die Fraternité, die Brüderlichkeit, dienen, seit der Revolution von 1789 eines der Leitmotive der französischen Republik. Staatspräsident Macron, der in seinem Wahlprogramm sowie mit der Bewegung En Marche! Bürgerbeteiligung und gesellschaftspolitisches Engagement als wichtige Komponenten seiner Politik definiert hat, bleibt somit auch mit dem service national seiner politischen Grundidee treu.

Parlamentarischer Bericht zum Service National 

Auch wenn die Grundzüge und Ziele des Dienstes bereits feststehen, ist seine genaue Ausgestaltung derzeit noch unklar: Soll der drei- bis sechsmonatige Dienst verpflichtend oder freiwillig sein? Sollte à la Macron die Armee einbezogen werden und wenn ja, wie? In ihrem Bericht vom 14. Februar untersuchte die parlamentarische Arbeitsgruppe zum service national verschiedene Szenarien und schlägt insbesondere eine Umsetzung in drei Etappen vor: In einem ersten Schritt sollen Schüler zwischen 11 und 16 Jahren während einer verpflichtenden Projektwoche mit den Themen Verteidigung und Staatsbürgerschaft vertraut gemacht werden. Hieran schließt sich später als zweite Etappe ein einwöchiges soziales Engagement an, an dessen Ende eine offizielle Zeremonie und die symbolische Übergabe eines Bürgerausweises stehen. Als letzten Schritt schlagen die Parlamentarier ein gesellschaftspolitisches oder vorbereitendes militärisches Engagement von mehreren Wochen oder Monaten für 16- bis 25-jährige Franzosen vor.

Gleichzeitig warnen die Berichterstatter neben Schwierigkeiten bezüglich der allgemeinen Umsetzung und gesellschaftlichen Akzeptanz ebenfalls vor möglichen rechtlichen und finanziellen Problemen, die ein solcher Dienst an der Nation mit sich bringen würde. Erste Schätzungen haben ergeben, dass sich die Erstkosten für die Einführung eines Dienstes mit militärischer Komponente auf 3 bis 5 Milliarden Euro belaufen und v.a. der Instandsetzung des Materials dienen würden. Die jährlichen Kosten werden je nach Ausgestaltung des Dienstes mit 2 bis 3 Milliarden Euro veranschlagt, was übrigens in etwa den Unterhaltungskosten der französischen Atomwaffe entspricht. Die Frage der Ausgaben für das Militär wäre durchaus problematisch, da Präsident Macron noch im Juli 2017 bedeutende Kürzungen des französischen Verteidigungsetats ankündigt hatte und dies zum Rücktritt von Generalstabchef De Villiers führte. 

Insgesamt ist die bisherige Planung des service national durchaus konsistent mit Macrons Reformprogramm. Aber weiterhin spannend bleibt die Frage nach seiner genauen Ausgestaltung und dem Umsetzungsbeginn. Warten wir also auf den parlamentarischer Folgebericht im April 2018.

Carmen Gerstenmeyer ist European Affairs Manager der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Brüssel.