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Mit der ehemaligen Guerilla ins Parlament

Kolumbien vor den Wahlen am 11. März 2018
Parlament
Der kolumbianische Senat - bald gefüllt mit neuen Abgeordneten, darunter ehem. FARC-Rebellen © CC BY-SA 2.0 commons.wikimedia.org/ Miguel Olaya

Am Sonntag, den 11. März 2018 finden in Kolumbien Parlamentswahlen statt. Zur Wahl stehen alle Abgeordnetenmandate. Der gewählte Kongress wird vom 20. Juli 2018 bis zum 20. Juli 2022 im Amt sein. Die kürzlich verabschiedete politische Reform sieht vor, dass der Präsidentschaftskandidat, der bei den Wahlen im ersten oder zweiten Wahlgang den zweiten Platz erzielt einen Sitz im Senat einnimmt. Für den Senat werden daher 107 von 108 Mandatsträger gewählt. 100 hiervon gehen an die entsprechenden Wahlkreise, zwei an die Vertretung indigener Gemeinden und fünf an die ehemalige Guerillabewegung FARC (Fuerza Alternativa Revolucionaria del Común), wie es im Friedensabkommen von 2016 festgehalten wurde.

Für die Abgeordnetenkammer werden 161 Mandate vergeben, 32 davon aus Departments und dem Stadtstaat Bogotá, vier in Vertretung afrokolumbianischer und indigener Gemeinden sowie von im Ausland lebenden Kolumbianern. Fünf weitere Mandate werden wiederum durch die FARC besetzt. Im Wählerverzeichnis sind 36024.467 Wähler registriert. Bei Parlamentswahlen ist jedoch i.d.R. eine Enthaltung von 54% bis 67% zu verzeichnen (2014 erreichten die Enthaltung 56%).

Am 11. März finden aber auch parteiübergreifende Vorwahlen für die Präsidentschaftswahlen im Mai statt. Auf der einen Seite treten Iván Duque, Marta Lucía Ramírez und Alejandro Ordóñez in der Gran Consulta por Colombia (Volksbefragung für Kolumbien) um die Kandidatur einer mitte-rechts Koalition gegeneinander an. Die Gran Consulta por Colombia ist das Ergebnis einer politische Übereinkunft zwischen den ehemaligen Präsidenten Andrés Pastrana und Álvaro Uribe zur Bestimmung eines gemeinsamen Kandidaten. Auf der anderen Seite kandidieren Gustavo Petro und Carlos Caicedo in der Consulta Inclusión Social para la Paz (Volksbefragung der sozialen Inklusion für den Frieden). Die Gewinner dieser Vorwahlen werden am 27. Mai (erster Wahlgang) und evtl. am 17. Juni (zweiter Wahlgang) gegeneinander antreten. Nach jüngsten Umfragen würden bei diesen Vorwahlen Iván Duque bzw. Gustavo Petro gewinnen. Sie würden auch bei den Präsidentschaftswahlen die Gunst der Wähler für sich entscheiden.

Wie sind die Prognosen über den Ausgang der Wahlen?

Die Zusammensetzung des Kongresses ist derzeit ungewiss. Jedoch würden nach Prognosen des Meinungsforschungsinstituts Cifras & Conceptos folgende Parteien im Senat die meisten Stimmen erhalten: die Partei Centro Democrático würde sich mit 19 bis 24 Sitzen als stärkste Kraft konsolidieren; ihr würden folgen die Partido de la U, die Partido Conservador, Cambio Radical, die Partido Liberal, die Alianza Verde und Polo Democrático (letztere erhielte 3 bis 5 Sitze). So gäbe es im Senat eine leichte Dominanz der mitte-rechts Parteien. Im Hinblick auf die Zusammensetzung des Parlaments aus den regionalen Wahlkreisen ist es noch schwieriger eine Prognose zu treffen. Jedoch sind die Ergebnisse im Abgeordnetenhaus im Allgemeinen denen im Senat ähnlich.

Friedensvertrag
Die Unterzeichnung des Friedensvertrags mit der FARC am 26.9.2016 © CC0 U.S. Departement of State

Was ist das Besondere an diesen Parlamentswahlen in Kolumbien?

Die Wahlen in 2018 sind die ersten nach Abschluss des Friedensabkommens von 2016 zwischen der Regierung von Präsident Santos und der ehemaligen FARC-Guerrilla. Wenngleich keine gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den FARC – die heute zu einer Partei geworden sind – mehr zu verzeichnen sind, ist die öffentliche Sicherheit weiter durch kriminelle Handlungen unterschiedlicher illegal bewaffneter Gruppierungen (Dissidenten der FARC und des Ejército de Liberación Nacional) bedroht.

Welchen Einfluss haben die Wahlen vom 11. März auf die Präsidentschaftswahlen im Mai?

Obwohl kein direkter Zusammenhang zwischen den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen besteht, könnte sich das Ergebnis der Parlamentswahlen vom 11. März auf das Kräftegleichgewicht mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen auswirken, insbesondere auf den zweiten Wahlgang. Der Kongress 2018-2022 wird eine maßgebliche Rolle im Hinblick auf die Regierbarkeit des Landes spielen, da die nächste Regierung wegweisende Reforminitiativen umsetzen muss. Diese betreffen die politischen Institutionen, die Wirtschaft sowie die Umsetzung des Friedensabkommens. Aufgrund des fehlenden gesellschaftlichen Konsenses rund um die in Havanna zwischen der Regierung Santos und den FARC unterzeichneten Abkommen, mangelt es dem Friedensprozess insgesamt an Legitimität.

Andrés Molano ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituto de Ciencias Políticas