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Midterm Elections
„Für die polarisierte US-Gesellschaft ist Trumps Rhetorik pures Gift“

Trump im Wahlkampfmodus
Im Nordflügel des Kapitols in Washington sitzt der Senat

Im Nordflügel des Kapitols in Washington sitzt der Senat

© Leonid Andronov / iStock / Getty Images Plus

Dieser Artikel erschien zuerst am 5. November. Mittlerweile sind die Ergebnisse der Midterm Elections bekannt: Die Republikaner verlieren zwar die Mehrheit im Repräsentantenhaus an die Demokraten, was für Donald Trump das Regieren schwieriger machen wird. Doch im Senat konnten die Republikaner ihre Mehrheit sogar ausbauen. Eine fundierte Analyse unserer US-Experten zu den Halbzeitwahlen finden Sie morgen an dieser Stelle.

Am Dienstag werden die Karten im politischen Washington neu gemischt. Bei den Midterm Elections stehen sämtliche Sitze des Repräsentantenhauses sowie rund ein Drittel der Senatssitze zur Wahl. Mit aggressiver Stimmungsmache gegen Einwanderer versucht Präsident Trump, Wähler für seine Partei zu mobilisieren. Im Interview mit freiheit.org spricht USA-Expertin Iris Fröba über die Auswirkungen der jüngsten Äußerungen Trumps auf die Halbzeitwahlen und die politische Kultur des Landes.

Während der Wahlkampf in den USA in die heiße Phase ging, machten sich in Zentralamerika tausende Menschen auf den Weg in die USA, um vor Armut und Gewalt in ihren Heimatländern zu fliehen. Wie haben sich die Entwicklungen in Zentralamerika auf die Stimmung in den USA so kurz vor dem Wahltag ausgewirkt?

Die Entwicklungen in Zentralamerika und Mexiko haben in den USA einen politischen Flächenbrand ausgelöst. Kurz vor den Halbzeitwahlen überschlagen sich die Ereignisse und Trumps hetzerische, migrantenfeindliche Rhetorik erreicht einen neuen, traurigen Höhepunkt. Im aktuellen Wahlkampf gibt es für Trump nur noch ein Thema: Einwanderung. Vor dem Hintergrund der sich in Bewegung gesetzten „Migrationskarawane“ wurde seine Liste an Forderungen in den vergangenen Wochen immer länger. Zunächst drohte er, Finanzhilfen für die Heimatländer der Flüchtlinge zu kürzen. Dann kündigte er die Entsendung von bis zu 15.000 Soldaten an die Grenze zu Mexiko an. Per Dekret will er zudem durchsetzen, dass Asylanträge zukünftig nur an offiziellen Einreisepunkten gestellt werden können. Das Geburtsrecht auf US-Staatsbürgerschaft will Trump ganz abschaffen. Zuletzt gab es eine klare Ansage für die an der US-mexikanischen Grenze stationierten Soldaten: Sollten Migranten mit Steinen werfen, sollen die US-Soldaten wie bei einem Angriff mit Schusswaffen reagieren, was so viel heißen soll wie: „Schlagt zurück!“ Diese perfide Äußerung auf einer Wahlkampfveranstaltung in Missouri war der traurige Höhepunkt eines Wahlkampfes, der von fremdenfeindlicher Rhetorik dominiert war.

Hinzu kommt, dass sich Trump diese Äußerung nur wenige Tage nach der Briefbomben-Serie sowie dem grauenvollen Attentat gegen jüdische Gemeindemitglieder in Pittsburgh leistete. Sowohl der fanatische Trump-Anhänger, der Briefbomben an Politiker und prominente Unterstützer der Demokratischen Partei schickte, als auch der antisemitisch motivierte Attentäter in Pittsburgh bezogen sich auf eine Verschwörungstheorie, die behauptet, die Migrationskarawane aus Zentralamerika werde von Juden finanziert und unterstützt. Donald Trump erwähnte, dass er nicht überrascht wäre, wenn der jüdischstämmige Philantrop George Soros, der zu den wichtigsten Spendern der Demokraten gehört, hinter der Finanzierung der Migrantenkarawane stecken würde. Zumindest entfachten die brutalen Gewaltserien eine Debatte darüber, inwieweit Trumps Rheotrik das politische Klima in den USA aufheizt und als Nährboden für Gewaltverbrechen dient. Der Präsident ist sich jedoch keiner Schuld bewusst. Wie so oft schiebt er den Medien die Schuld zu. Nicht er, sondern die fehlerhafte Berichterstattung würde die Wut im Land anstacheln. Die Presse sei der wahre Feind des Volkes.

Wie sieht es bei den Republikanern aus, die auf lokaler, Landes- und Bundesebene zur Wahl stehen? Schlagen sie gemäßigtere Töne an? Wie verhalten sich die Demokraten?

Die Halbzeitwahl ist eine Wahl für oder gegen Trump, auch wenn er selbst gar nicht auf dem Wahlzettel steht. Bei den Vorwahlen konnte man deutlich erkennen, dass sich die republikanischen Kandidaten in zwei Lager aufteilten: diejenigen, die Trump bedingungslos unterstützen und das zur Kernaussage ihres Wahlkampfes machten. Und diejenigen, die moderatere Töne anschlugen und sich teilweise auch öffentlich gegen den Präsidenten aussprachen.

Dem Präsidenten ist sehr wohl bewusst, was für ihn und seine Republikaner am Dienstag auf dem Spiel steht. Deshalb ist seine Botschaft deutlich: „Wenn ihr nicht wollt, dass Amerika von Massen von illegalen Einwanderern und riesigen Karawanen überrollt wird, dann wählt republikanisch.“ Es ist schlimm, dass viele Republikaner, die auf lokaler, Landes- oder Bundesebene kandidieren, auf den Zug der hetzerischen Rhetorik aufgesprungen sind. Die Wahlkampfvideos, die im TV und im Internet kursieren, sind teils verstörend und Trump scheut sich nicht, als rassistisch eingestufte Videos auch auf seinem Twitter Account zu teilen.

Glücklicherweise gibt es einen ganzen Schwung an Republikanern, die Trumps Rhetorik zunehmend kritisch sehen und öffentlich anprangern. Zuletzt mahnten der republikanische Gouverneur John Kasich aus Ohio und der republikanische Senator Jeff Flake aus Arizona, dass Trump mit seiner Äußerung bezüglich des Einsatzes von Gewalt an der US-mexikanischen Grenze den Rubikon überschritten habe.

 

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Für viele politische Beobachter geht die bloße Kritik an seinen Äußerungen jedoch nicht weit genug. Das Partei-Establishment müsse endlich eingreifen. Ansonsten stünde die Zukunft der „Grand Old Party“ auf dem Spiel.

Die Demokraten befinden sich im Zwiespalt: Reagieren sie auf Trumps Hasstiraden, schenken sie ihm und der Debatte noch mehr Aufmerksamkeit und schütten zusätzliches Öl ins Feuer. Für die meisten Demokraten sind seine Äußerungen aber so unerträglich, dass sie nicht anders können als darauf zu reagieren.

Vor den Wahlen ist nach den Wahlen. Wie werden sich die aktuellen Entwicklungen langfristig auf die USA auswirken? Kann man Trumps Äußerungen als Wahlkampfrhetorik abtun und darauf hoffen, dass nach den Halbzeitwahlen wieder Ruhe einkehrt?

Unter Präsident Trump wird wohl nie Ruhe einkehren. Schon 2016 hatten wir gehofft, dass der Wahlkämpfer Trump moderatere Töne anschlagen würde, sobald er im Weißen Haus sitzt. Wenn ihn die Attentate der vergangenen Wochen, bei denen US-Bürgerinnen und Bürger getötet wurden, nicht zur Vernunft gebracht haben, was soll dann noch alles passieren? Die Situation wird sich wohl eher noch zuspitzen, je näher die Karawane an die US-mexikanische Grenze rückt.

Tatsache ist, dass die amerikanische Gesellschaft immer diverser wird. Deshalb erfahren ultrakonservative und rechte Sammelbewegungen wie die „Alt-Right“ seit Jahren Zulauf. Sie sind zwar nicht das Ergebnis von Trumps Kandidatur, fühlen sich seitdem aber ideologisch im Aufwind. Trump weiß ganz genau, dass sich Anhänger verschiedener rechtsextremer Gruppierungen zu seinen Wählern zählen. Und er scheint entschlossen, diese auch zukünftig als Wähler nicht verlieren zu wollen. Für die Stimmung im Land und die ohnehin polarisierte US-Gesellschaft ist seine Rhetorik pures Gift.

Iris Fröba ist Policy Analyst und Media Officer des Transatlantischen Dialogprogramms der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Washington DC.