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Mali: „Wenn gegen Korruption nicht härter vorgegangen wird, kommt die Hilfe nicht bei den Betroffenen an"

Christoph Hoffmann MdB, entwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, im Interview
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Der pensionierte Oberstmajor Bah N'Daw, der als Präsident des Nationalen Komitees für die Errettung des Volkes (CNSP) den Übergang leiten wird. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited

Christoph Hoffmann MdB, entwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, reiste als erster deutscher Bundestagsabgeordneter nach dem Putsch nach Mali, wo Deutschland sich nicht nur mit Entwicklungszusammenarbeit, sondern auch mit der Bundeswehr engagiert. Er spricht über das Fazit seiner Reise.

Jo Holden: Die Geschichte Malis ist geprägt von politischen Unruhen und schlechter Regierungsführung. Im August hat sich das Militär erneut an die Macht geputscht mit dem Argument, das Land von korrupten Politikern zu befreien - ein gern gebräuchliches Argument von Putschisten überall auf der Welt. Im Rahmen einer Übergangsregierung sollen nun in 18 Monaten grundlegende Staatreformen ausgearbeitet- und dann eine neue Regierung demokratisch gewählt werden.

Sie hatten die Möglichkeit sich als erster deutscher Politiker ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Für wie glaubwürdig halten Sie diese Ankündigungen der Militärs? Und was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Reform, der es in Mali bedarf?    

Christoph Hoffmann: Die Malier warfen der gestürzten Regierung bzw. dem Präsidenten ein Staatsversagen auf der ganzen Linie vor. Dies betraf den Wahlbetrug mit dem er sich an der Macht hielt, aber vor allem die endemische Korruption von ihm und seiner Entourage; dazu kam, dass er die schwierige Sicherheitslage im Land nicht in den Griff bekommen hatte. Bei solche Dynamiken muss feinfühlig beobachtet werden, wie die Machtverhältnisse sich neu ordnen. Man kann und darf nicht so lange weggucken bis weitere Unruhen und Konflikte eskalieren, sondern muss die Bestrebungen der malischen Bevölkerung unterstützen, die sich für Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Frieden stark machen.

Mit Bah N'Daw, ein Offizier im Ruhestand, wird nun den Übergang in Mali leiten. Ob er allen Ansprüchen gerecht werden kann, kann ich nicht letztendlich sagen.  Aber ich habe mit vielen zivilgesellschaftlichen und politischen Gruppen gesprochen, und sie sprechen sehr positiv  über  den neuen Übergangspräsidenten. Nach dem, was mir zugetragen wurde, ist er unbestechlich, ehrlich und standhaft. Das wichtigste ist jedoch, dass er es schafft, das Land aus der Krake der Korruption zu befreien. Nur wenn "Good Governance" der absolute Grundsatz für alle Regierungsgeschäfte ist, kann das malische Volk durch wirtschaftlichen Aufschwung und staatliche Leistungen wie Schule und Gerichtsbarkeit wieder profitieren.

Jo Holden: Die Bundesregierung wendet erhebliche Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit mit Mali auf. Zudem stellt die Bundeswehr einen Teil der UN-Friedensmission vor Ort. Dennoch zeigen die Entwicklungsindikatoren für Mali seit Jahren in eine negative Richtung. Gewaltsame Konflikte nehmen zu und auch bei der Armutsbekämpfung verzeichnet man wenig Fortschritte. Müsste Deutschland sein Engagement nicht noch weiter erhöhen? Oder bedarf es einer Reform der entwicklungspolitischen Ansätze?

Christoph Hoffmann: Es ist schwierig, Fortschritt zu etablieren und Stabilität zu gewährleisten, wenn ein Staat nicht ansatzweise normal funktioniert. Wir haben zum Beispiel seit 20 Jahren ein Programm zur Finanzierung der Schulbauten. Aber die Kinder gehen hier nicht mehr zur Schule, weil der Staat versagt - das ist eine Katastrophe. Ich glaube, wir waren zu tolerant gegenüber den verschiedenen Regimen, die das Land regiert haben. Auch hier gilt: Wenn gegen Korruption nicht härter vorgegangen wird, kommt die Hilfe nicht bei den Betroffenen an. Das muss auch das Credo für die Entwicklungszusammenarbeit werden: Keine Despotenhilfe.

Hinsichtlich des deutschen Militäreinsatzes in Deutschland, sollten wir in Mali in den kommenden Monaten das deutsche Engagement beibehalten oder verstärken. Aber es wird alles davon abhängen, wie sich die Situation im Land entwickelt. Wir sollten jedoch nicht pauschal unsere EZ Programme einstellen und die Malier jetzt in dieser schwierigen Phase allein lassen. Wichtiger wäre die Zusammenarbeit stärker den Bedingungen anzupassen und das besser zu fördern, was zur Demokratie und Rechtstaatsbildung unmittelbar beitragen kann. Da wäre zum Beispiel das Thema der Digitalisierung der malischen Verwaltung. Für Korruptionsbekämpfung wäre dies ein wichtiger Schritt nach vorne, um transparente und effiziente Behörden zu haben. Das könnte ein guter deutscher Beitrag werden.

Jo Holden: Sie sind auf Ihrer Reise mit vielen, sehr unterschiedlichen Leuten ins Gespräch gekommen. Darunter waren auch Führungspersonen von Frauenbewegungen und junge Unternehmer aus dem Start-up Bereich, mit denen die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zusammenarbeitet. Was nehmen Sie von diesen Gesprächen nach Hause mit?

Christoph Hoffmann: Ich habe zwei wichtige Themen mitgenommen: Das sind Freiheit und Gleichberechtigung. Frauenrechte sind in Mali auf dem Papier verankert, die Gleichberechtigung wird aber nicht wirklich gelebt. Die Corona-Pandemie und die damit verbundene  ökonomische Krise, lassen Gewalt gegen Frauen ansteigen. Religion spielt in dem Land noch immer eine bedeutende Rolle. Das  gehört zur Tradition und Selbstbestimmung. Wenn aber Religion instrumentalisiert wird, um Ungleichheit zu manifestieren, ist das problematisch. Religiöse Eliten dürfen ihre Macht nicht benutzen, um Frauen zu unterdrücken. In Mali haben nach Schätzungen der Vereinten Nationen rund 91 Prozent aller Frauen und Mädchen zwischen 15 und 49 Jahren eine Form der Genitalverstümmelung erlitten. Obwohl es bereits seit 2002 einen nationalen Plan gegen Genitalverstümmelungen gibt und eine ganze Reihe Organisationen für ein Verbot kämpfen, ist der Widerstand groß. Prominente religiöse Meinungsführer sprechen sich nicht öffentlich gegen Genitalverstümmelungen aus, mit der Begründung, diese Tradition lasse sich nicht mit einem Dekret ändern. Hier muss viel mehr in Bildung, Aufklärung und Strafverfolgung investiert werden.


Neben der Gleichberechtigung war auch das Thema Freiheit für Jungunternehmer ein Anliegen. Die Reisewarnungen zerstörten den Tourismus. Die Unternehmerinnen und Unternehmer fordern zudem, den Staat zu entfesseln, weniger Verwaltung mehr Digitalisierung und vor allem das Ende der endemischen Korruption. Auch der Ansatz zu Micro-Financing und Crowdfunding wurde diskutiert. Hier gibt es noch unausgeschöpfte Potenziale. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit  muss auch hier einen neuen Schwerpunkt verankern und  Investitionsförderung  für  Jungunternehmer  intensivieren.