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Libyen
"Die Gefahr ist groß, dass der Konflikt weiter andauern wird"

Alexander Rieper, Projektleiter für Tunesien und Libyen, ordnet die Ergebnisse der Libyen-Konferenz im Interview ein
Foto: Die Teilnehmer der Libyen-Konferenz
© picture alliance/Fabian Sommer/dpa

Herr Rieper, Sie sind Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für Tunesien und Libyen. Wie ist aus Ihrer Sicht das Ergebnis der Konferenz zu bewerten?

Alexander Rieper: Grundsätzlich ist es positiv, dass die Konfliktparteien miteinander verhandelt haben und sich auf eine Deeskalation verständigt haben. Nun werden die kommenden Wochen und Monate zeigen müssen, ob einerseits der Waffenstillstand hält und die internationalen Akteure wie versprochen den Konflikt nicht weiter anheizen, und andererseits, und das ist meiner Meinung nach entscheidender, ob man in der Lage sein wird, einen politischen Plan zu entwickeln, der zu einem Ende des Konfliktes führt, damit am Ende Libyen eine stabile staatliche Ordnung bekommt, die es den Bürger erlaubt, in Frieden zu leben. Hier ist noch sehr unklar, wie diese Lösung aussehen soll. Im Moment stehen sich beide Konfliktparteien, der amtierende Premierminister Fayiz as-Sarradsch und General Chalifa Haftar unversöhnlich gegenüber. Letzterer kontrolliert mittlerweile große Teile des Landes, bis auf die Region um die Hauptstadt Tripolis. Verschärfend kommt hinzu, dass es innerhalb der internationalen Gemeinschaft keinen Konsens darüber gibt, auf welchem Weg man eine Lösung erreichen kann. Daher ist die Gefahr groß, dass der Konflikt in Libyen weiter andauern wird.


Sind Sie erstaunt, dass Tunesien nicht mit an dem Verhandlungstisch saß? Denn die politischen Geschehnisse in Libyen haben doch sicherlich Einfluss auf sein Nachbarland Tunesien?

Alexander Rieper: Fast jeder tunesische Beobachter, mit dem ich gesprochen habe, war erstaunt, dass Tunesien nicht eingeladen wurde. Einen Tag vor der Konferenz erhielt Staatspräsident Kais Saied ja noch eine Einladung von Bundeskanzlerin Merkel, die er dann aber ablehnte, weil sie ihm zu spät kam. Um die Nichteinladung einzuordnen sollte erwähnt werden, dass vor allem jene Staaten eingeladen wurden, die eine aktive Rolle an dem Konflikt haben. Tunesien nimmt ja eher eine neutrale Position ein. Dennoch, gerade vor dem Hintergrund, dass praktisch alle deutschen Aktivitäten in Bezug auf Libyen von Tunesien aus gesteuert werden hätte es nicht geschadet, das Land einzuladen. Schon 2011 hatte es nach Beginn des Bürgerkrieges die größte Menge an libyschen Flüchtlingen aufgenommen, und das wäre wieder der Fall, sollten die Kämpfe sich intensivieren. Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass Tunesien im Moment nicht die diplomatische Rolle einnehmen kann wie noch zu Zeiten des ehemaligen Präsidenten Beji Caid Essebsi, der Mitte letzten Jahres verstarb. Der neue Präsident ist international noch unerfahren. Auch gibt es seit den Parlamentswahlen, die am 6. Oktober 2019 stattfanden, noch keine neue Regierung, da die Verhandlungen noch andauern. Das Land hat also viele eigene Herausforderungen zu meistern. 


Ist eine Projektarbeit in Libyen eigentlich möglich?

Alexander Rieper: Die Projektarbeit der Stiftung in Libyen findet aktuell in Tunesien statt. Wir laden die Teilnehmer unserer Partner nach Tunis oder an andere Orte in Tunesien ein, da es uns die Sicherheitslage in Libyen nicht erlaubt, unser Programm dort zu machen. Zudem ermöglicht es den Teilnehmern aber auch eine sichere Atmosphäre. Für uns als Stiftung ist es sehr wichtig, weiter zu Libyen zu arbeiten, damit wir uns mit unseren Partnern austauschen können, wie sich das Land entwickelt. Gerade unter der jungen Generation von Libyern gibt es beeindruckende Projekte, die wir gern unterstützen. Einerseits gibt es eine kleine, aber sehr lebendige Szene von Start-Ups, die den Gedanken von Vorankommen durch eigene Leistung und Innovation verkörpern, andererseits widmet sich eine andere Partnerorganisation den Perspektiven von Frauen in Zivilgesellschaft und Wirtschaft. Beide Bereiche wollen wir als liberale Stiftung auch weiterhin unterstützen und hoffentlich ausbauen, sobald es die Sicherheitslage zulässt.

 

Alexander Rieper ist Projektleiter Tunesien und Libyen mit Sitz in Tunis.