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Kroatien
Patzer der Rivalin helfen Kroatiens neuem Präsidenten Milanovic in den Sattel

Präsidentschaftswahlen in Kroatien: Streit unter den Rechten hilft der Linken
Zoran Milanovic
Kroatiens künftiger Präsident Zoran Milanovic © picture alliance / Photoshot

Ausgerechnet bei dem von rechten Tönen dominierten EU-Neuling Kroatien hat der Kandidat der Linken die Präsidentschaftswahl für sich entschieden. Sein Comeback hat der frühere Premier Zoran Milanovic vor allem seiner Rivalin zu verdanken: Die Patzer der entthronten Landesmutter Kolinda Grabar-Kitarovic, aber auch die Verwerfungen im rechten Lager haben dem Sozialdemokraten den Sieg beschert.

Rückkehr eines bereits Abgedankten

Bei einer Wahlbeteiligung von 55 Prozent konnte sich Milanovic in der Stichwahl mit 52,67 Prozent überraschend klar gegen die bisherige Amtsinhaberin Grabar-Kitarovic (47,33 Prozent) durchsetzen, die ursprünglich als haushohe Umfragefavoritin ins Präsidentschaftsrennen gegangen war. Gleichzeitig war der Weg vom Premier zum Präsidenten für den langjährigen Ex-Vorsitzenden der sozialdemokratischen SDP keineswegs vorgezeichnet: Auch viele Analytiker hatten Milanovic als vermeintlichen Politfrührentner bereits abgeschrieben.

Denn als Chef der linksliberalen Kuriku-Koalition (2011-2015) hatte sich Milanovic keineswegs sonderliche Meriten erworben – und eher unglücklich agiert. Mit der zunächst verweigerten Auslieferung des unter Mordverdacht stehenden Ex-Geheimdienstchefs Josip Perkovic verärgerte er am Vorabend von Kroatiens EU-Beitritt 2013 nicht nur Berlin, sondern auch Brüssel. Gleichzeitig vermochte er während seiner von jahrelangem Minuswachstum geprägten Amtszeit kaum ein Reformvorhaben zu verwirklichen. Nach zwei verlorenen Parlamentswahlen innerhalb eines Jahres erklärte der langjährige Chef der sozialdemokratischen SDP im Herbst 2016 seinen Abschied vom Politparkett.

Die Auszeit hat dem impulsiven Milanovic offensichtlich gutgetan. Denn oft stand sich der lange als „beratungsresistent“ verrufene Ex-Premier mit seinem störrischen Charakter in seiner Karriere selbst im Weg. Wie im Präsidentschaftswahlkampf glückte Milanovic nun auch in der Stunde seines größten Erfolgs die Selbstzähmung seiner widerborstigen Kämpfernatur: Bereits in der Wahlnacht versuchte er sich am Sonntag in seiner künftigen Rolle des überparteilichen Landesvaters.

Erst bat der Wahlsieger seine Anhänger auf die Buhrufe bei der Nennung des Namens seiner unterlegenen Rivalin Kolinda Grabar-Kitarovic zu verzichten. Dann schlug der Sozialdemokrat gegenüber Kroatiens rechter Regierungspartei HDZ nach Ende des mit harten Bandagen geführten Stimmenstreits ungewohnt versöhnliche Töne an, sprach vom Wert des Dialogs und lobte Europa in höchsten Tönen.

Er wisse, dass seine Wahl „nicht jedem zum Willen“ sei „und von mir werdet ihr auch kein süßes Einigkeitsgerede hören“. Doch er werde sich bemühen, „niemand ohne Not zu verletzen“, versicherte der Mann, den als Regierungs- und Parteichef einst ein eher rüder und undiplomatischer Ellbogenstil auszeichnete. Als Präsident werde er „mit jedem“ zusammenarbeiten und alle Parteien seien für ihn „formal und gesetzlich gleich“: „Die Verfassung gilt es zu respektieren. Alles andere würde in die Autokratie führen.“

Kolindas Patzer

Sein leicht aufbrausendes Temperament hatte der künftige Landesvater während des gesamten Stimmenstreits auffällig gut unter Kontrolle. Doch auch die Fehler seiner Konkurrentin halfen ihm in den Präsidentensattel. Mal pries Grabar-Kitarovic bei ihren fahrigen Wahlkampfauftritten den wegen Korruption inhaftierten Ex-Premier Ivo Sanader als Kroatiens besten Regierungschef aller Zeiten; dann gelobte sie Monatslöhne von 8000 Euro im Monat für im Land verbleibende IT-Spezialisten oder sie sang Milan Bandic, dem unter Korruptionsverdacht stehenden Bürgermeister von Zagreb, ein Geburtstagsständchen. Schließlich rief sie vor der Stichwahl gar die Bürger dazu auf, ihr Kreuz unter den Kandidaten Nr. 1 zu setzen: Dummerweise ging sie aber als Kandidatin Nr. 2 ins Rennen.

Zu schaffen machte der bisherigen Amtsinhaberin jedoch vor allem die Konkurrenz im rechten Lager. Wie der im ersten Wahlgang ausgeschiedene Sänger und Rechtsausleger Miroslav Skoro hatten auch viele von dessen Anhängern in der Stichwahl aus Protest gegen die HDZ eine „3“ auf die Wahlzettel gekritzelt. Der Vorsprung von 104 000 Stimmen für Milanovic war nicht zuletzt auch den mehr als 84 000 ungültigen Stimmen zu verdanken.

Daneben vermochte der SDP-Kandidat seiner Konkurrentin alle Großstädte abzunehmen. Milanovic triumphierte nicht nur in Zagreb und im „roten“ Rijeka, sondern auch in den angestammten HDZ-Hochburgen Zadar, Osijek und Split: Allein in Zagreb lag er über 70 000 Stimmen vor seiner Konkurrentin.

Mit eher versteinerten Mienen applaudierte die HDZ-Führung der pathetischen Abschiedsrede ihrer gescheiterten Kandidatin auf ihrer tristen Wahlparty: Denn während die lange in der Selbstfindungskrise dümpelnde SDP durch den Überraschungssieg neuen Aufwind für die Parlamentswahl im Herbst verspürt, drohen der schon bei den Europawahlen enttäuschenden Regierungspartei neue Richtungskämpfe.

Machtkampf in der HDZ

Eifrig werden sowohl von dem gemäßigten Flügel um Premier Andrej Plenkovic als auch von der Parteirechten um den früheren HDZ-Generalsekretär Milan Brkic die Messer gewetzt: Schon in der Wahlnacht mühten sich beide Seiten, den Schwarzen Peter für die Schlappe dem jeweils anderen Lager zuzuschieben. Die Politik von Kolindas Wahlkampfstab sei „rechter als die der HDZ“ gewesen, mäkelte Gordan Jandrokovic, ein enger Vertrauter des Premiers. Grabar-Kitarovic habe den „Preis für die Politik der HDZ“ zahlen müssen, schoss der Parteirechte und frühere Außenminister Miro Kovac zurück: Bis zu den Parlamentswahlen müssten sich „einige Dinge ändern“.

Die lange darniederliegende SDP wittert Morgenluft. Gleichzeitig hat die HDZ unabhängig vom Ausgang des parteiinternen Machtkampfs bei den Parlamentswahlen mit neuer Konkurrenz im rechten Lager zu rechnen. Miroslav Skoro, der im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl auf fast ein Viertel der Stimmen kam, hat bereits die Gründung einer neuen Partei angekündigt.

Zwischen Zurückhaltung und Taktik: Die Liberalen

Von den fünf kroatischen liberalen Parteien hatte nur die HSLS einen unabhängigen, aber der Partei nahestehenden Kandidaten im ersten Wahlgang unterstützt: Der 34-jährige, in Princeton lehrende aber politisch eher unerfahrene, Dejan Kovac, landete allerdings mit 0,95 Prozent abgeschlagen auf Platz neun von elf.

Im Unterschied zur HSLS unterstützten die Parteien GLAS und IDS die Kandidatur von Milanovic, dies vor allem aus taktischen Gründen. GLAS empfahl sich dadurch für eine von der SDP geführte Vorwahl-Koalition im kommenden Herbst. 

Da im linksliberalen Istrien ein Erdrutsch-Sieg von Milanovic zu erwarten war (in der Tat holte er dort in der Stichwahl mehr als 80% der Stimmen), unterstützte die IDS von Beginn an seine Kampagne, um dem Eindruck entgegen zu wirken, dass alle Milanovic-Wähler dem SDP-Lager zuzuschreiben sind.

Pametno verzichtete auf die Unterstützung eines Kandidaten und stellte auch keinen eigenen auf. Sie konzentriert sich voll und ganz auf die Vorbereitung der Parlamentswahlen im Herbst 2020.

Von allen liberalen Parteien befand sich die HNS wohl in der prekärsten Lage. Da ihre Wähler eher linksliberal eingestellt sind, sie sich aber gleichzeitig in einer Koalition mit der HDZ befindet, wollte man weder die Amtsinhaberin noch den SDP-Kandidaten unterstützen. In dieser Lage blieb die HNS während der Kampagne fast stumm. Weitere harte innerparteiliche Auseinandersetzungen dürften auch hier die Folge sein.

Der gerade begonnene erstmalige EU-Ratsvorsitz Kroatiens dürfte vor dem Hintergrund der jüngsten Präsidentschaftswahl von anhaltenden innenpolitischen Turbulenzen überschattet sein.