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Kommunalwahlen in Polen
Testwahl für Polen

Bei den Kommunalwahlen geht es um die Zukunft der polnischen Demokratie
Warschau

Warschau ist politisch besonders heiß umkämpft

© GettyImages/Velishchuk

Am Sonntag findet in Polen die erste Runde der Kommunalwahlen statt. Sie dürfte sowohl für Regierung als auch für die Opposition ein Lackmustest werden. Die nationalkonservative Regierung der PiS-Partei hat seit ihrem Amtsantritt 2015 systematisch den Abbau demokratisch-rechtsstaatlicher Strukturen betrieben. Sollte sie bei der Wahl größere Gewinne einfahren, würde damit eine der letzten institutionellen Beschränkung ihrer Macht fallen. Besonders in der Hauptstadt Warschau ist das Amt des Bürgermeisters hart umkämpft. Der gemeinsame Kandidat der christdemokratischen Bürgerplattform und der liberalen Partei Nowoczesna hat dabei gute Chancen auf den Sieg.

Die Wahlen für die kommunalen und regionalen Selbstverwaltungsgremien in Polen spielen allein schon deshalb eine wichtige Rolle, weil die meisten europäischen Fördermittel über die Kommunen abgerechnet werden. Hier können zivilgesellschaftliche Projekte gefördert werden, die auf nationaler Ebene auf Grund eines entsprechenden NGO-Gesetzes kaum berücksichtigt werden können. Ein Verlust der kommunalpolitischen Basis würde die Oppositionsparteien schwer treffen, für die hier noch echte Gestaltungsmöglichkeiten bestehen.

Stadt und Land

Sowohl Regierung als auch Opposition haben sich in den vergangenen Monaten harte Auseinandersetzungen geliefert. Traditionell ist die christdemokratische Bürgerplattform (PO) die stärkste Partei in den Kommunen. Um eine Zersplitterung der Opposition, wie sie in Ungarn der Fidesz-Regierung unter Viktor Orbán in die Hände spielte, zu verhindern, hat sich die PO mit der kleineren liberalen Partei Nowoczesna – einem Partner der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit – zu einem Wahlbündnis zusammengetan. Besonders in den Städten scheint dieses Bündnis laut Umfragen zurzeit relativ ungefährdet. Eine Anfang der Woche veröffentlichte Umfrage sagte der Wahlkoalition in Krakau, Posen, Breslau und Danzig klare Wahlsiege voraus.

Etwas anders stellt sich die Lage in den ländlichen Gebieten dar. In den Woiwodschaften (Regionen) Małopolska, Masowien, Swiętokrzyskie und Lublin zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Opposition und PiS ab. Insgesamt ist die PiS in den ländlichen Wahlkreisen erheblich stärker als in den urbanen. Dabei ist es in den agrarisch geprägten Regionen weniger die PO oder Nowoczesna, die den Nationalkonservativen Konkurrenz macht, sondern die traditionell gemäßigt-konservative Bauernpartei PSL. Diese Partei, die oft Teil bürgerlicher Regierungen war, schwächelt seit einigen Jahren und schaffte bei den letzten Parlamentswahlen die Fünf-Prozent-Hürde nur knapp. Die PiS setzt im Wahlkampf primär darauf, die PSL zu verdrängen. Diese Strategie könnte, wenn sie denn aufgeht, ihr viele Kommunalmandate einbringen. Sicher ist dies allerdings noch nicht.

Kampf um Warschau

Heiß umkämpft ist vor allem die Hauptstadt Warschau, wo die Opposition zwar tendenziell einen Wahlvorteil hat, aber von der nationalistischen PiS erstaunlich stark bedrängt wird. Sie investiert nicht nur sehr viel Geld in den prestigeträchtigen Wahlsieg in Warschau, sondern schickt gegen den Bündniskandidaten Rafał Trzaskowski den ehemaligen Justizminister Patry Jaki ins Rennen, der einen unerwartet geschickten Wahlkampf führt. Statt den in Warschau nicht so recht ankommenden Pöbeleien gegen politische Kontrahenten, die sonst das Bild von PiS-Wahlkämpfen prägen, gibt er sich europafreundlich und staatsmännisch. Harmlose Freundlichkeiten wie „Warschau ist für alle da!“ gehen ihm locker über den Twitter-Account.

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Faire Wahlen in Warschau

Und dann ist da noch das Wahlrecht. Hier war der Opposition 2017 das Glück hold, was nun ihre Chancen bei der Kommunalwahl erhöht. Die Regierung hatte damals geplant, Warschau um 32 Gemeinden zu vergrößern, die traditionell PiS wählen. Das als effizienzsteigernde Kommunalreform gepriesene Vorhaben sah aber doch zu offenkundig nach Wahlmanipulation aus. In einigen der Gemeinden gab es Referenden, die – trotz dort vorherrschender PiS-Affinität der Wähler – bei hoher Wahlbeteiligung mit über 90% gegen die Reform ausfielen. Dieser „Warnschuss“ wurde von der PiS verstanden. Nach einer Mahnung durch Präsidenten Andrej Duda zog die Partei das Projekt zurück.

In Warschau können nun Opposition und Regierungspartei mit gleichlangen Spießen gegeneinander in den Wahlkampf gehen. Jedenfalls stehen die Chancen nicht schlecht für den Kandidaten von PO und Nowoczesna. Die Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ veröffentlichte gerade eine Umfrage, wonach es wegen der Kandidaten kleinerer Parteien zwar zu einem zweiten Urnengang in Warschau käme, den aber Trzaskowski mit hoher Wahrscheinlichkeit für sich entscheiden würde. Sollte das Resultat am kommenden Wochenende so aussehen, wäre es ein gutes Signal nicht nur für die Opposition, sondern auch für die Demokratie im ganzen Land.

Dr. Detmar Doering ist Projektleiter für Mitteleuropa und die Baltischen Staaten der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.