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Klimapolitik
Shout-out für gut durchdachte Klimapolitik

Umweltschutz benötigt konkrete Lösungen und Ideen.
Fridays for Future

Schülerinnen und Schüler demonstrieren bei der "Fridays for Future"-Klimademonstration im März in Berlin.

© picture alliance/Carsten Koall/dpa

Jahrelang wurde den Digital Natives vorgeworfen, dass sie sich nur für Selbstdarstellung bei Instagram und nicht für Politik und Gesellschaft interessieren würden. Seit durch Klimaaktivistin Greta Thunberg jeden Freitag Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz auf die Straße gehen und dafür Schule schwänzen, überschlagen sich die Meldungen über das mutige Engagement dieser Jugendgeneration. Aber nicht nur die Jugendliche sind beunruhigt angesichts der Auswirkungen des Klimawandels. Laut aktueller Wahlanalyse von Infratest dimap machen sich 77 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland große Sorgen, dass der Klimawandel unsere Lebensgrundlage zerstört.

Engagement ist gut. Der Klimawandel ist Realität und wer ihn ernst nimmt, muss sich aktiv für Klimaschutz einsetzen.

Nur: Genau das tut Deutschland. Die Proteste erwecken einen falschen Eindruck. Als würden wir in einem Land leben, dass seit Jahren rein gar nichts für den Klimaschutz tut. Deshalb ist neben dem „Friday for Future“ auch mal ein „Shout-out“ für durchdachte Klimapolitik notwendig. Deutschland tut viel in Sachen Energie- und Klimapolitik. Nur eben nicht immer das richtige. In wenig überdachter und europäisch unabgestimmter Weise sind wir aus der Atomenergie ausgestiegen. Das gleiche soll jetzt mit der Kohlenverstromung passieren. Nationale Alleingänge nützen dem Klima jedoch wenig. Die Ausmaße dieser Entscheidungen sind immer noch nicht klar - nicht für Wirtschaft und Arbeitsplätze, nicht für eine flächendeckende, ausfallfreie Stromversorgung und auch nicht in der Frage, wie wir Betreibern entschädigen. Ausreichende Netzkapazitäten und Speichertechnologien sind auch nicht vorhanden. Je mehr volatile Energieträger aber zur Stromerzeugung genutzt werden sollen, desto notwendiger werden Netze und Speicher.

Und apropos Atomausstieg: Laut Greta Thunberg, kann Atomstrom zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen. Ihr Heimatland Schweden ist zwar berühmt für seine CO2-Steuer, bezieht aber auch ein Drittel seines Stroms aus Atomkraftwerken und gehört damit zu den Top 5 der EU-Mitgliedsländer mit Atomverstromung. Ganz eindeutig trägt Atomstrom dort dazu bei, dass der CO2-Ausstoß massiv verringert wird. Deutschland hat sich aber bewusst dagegen entschieden und das ist auch durch Gedanken an die Zukunft begründet

Klimaschutz ist relevantestes Thema überhaupt

Wir haben einen riesengroßen Schritt in Richtung Klimapolitik gewagt, nur brauchen wir konkrete und gut durchdachte Lösungen und Ideen, wie es weitergehen soll. Allerdings ist auch richtig: Etwas Nachdenken beim Thema Klimaschutz ist durchaus nicht verkehrt. Schließlich findet man CO2-neutrale Energieerzeugung grundsätzlich gut, möchte aber bitte keine Windräder im eigenen Ort, die verschandeln doch die Landschaft. Soll der Strom aber von der Küste in den Süden Deutschlands kommen, benötigt er viele leistungsstarke Hochspannungstrassen, unter denen möchte jedoch niemand wohnen und Wald darf auch nicht dafür gerodet werden (Erdkabel findet man jedoch auch nicht so gut).

Die Klimabewegung der Jugendlichen hat damit Recht, wenn sie betont, dass Klimaschutz zu den relevantesten Themen überhaupt gehört. Und dass längst nicht alle dazu so beitragen, wie sie es könnten. Und ja, es gibt noch vieles was klima- und energiepolitisch verbesserungswert ist. So emittiert der Verkehrssektor zum Beispiel weiterhin steigend CO2. Wir brauch zeitnah einen CO2-Preis auch für diesen und den Wärme-Sektor durch eine Erweiterung des europäischen Emissionshandels. Bestes Szenario wäre ein weltweiter, sektorübergreifender CO2-Preis.

 

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Die Schnelligkeit von gleichzeitigem Atom- und Kohleausstieg (wurde schon erwähnt, dass kein anderes Land auf der Welt diese Entscheidung getroffen hat?) zeigt jetzt schon auf, wie schwierig es ist ad hoc Lösungen zu finden. Reine Symbollösungen sind mit enormen Kosten und viel Planwirtschaft verbunden. Eine noch schnellere und dadurch überhastete Energie- und Klimapolitik,

wie von Greta Thunberg gefordert, wird wohl kaum noch bessere Lösungen mit sich bringen. Denn effiziente Klimapolitik muss immer von der Gesamtbevölkerung mitgetragen werden, die letztendlich finanziell mit dafür aufkommt. Die Gelbwesten-Proteste zeigen nämlich, was passiert, wenn dies nicht mehr der Fall ist. Perspektivisch werden Kraftstoffe aus fossilen Energieträgern teurer und gemäß dem Verursacherprinzip ist das auch gewollt. Das ist die Chance für den Wettbewerb CO2-armer Technologien bei Antrieben und alternativer Kraftstoffe. Individualverkehr muss weiterhin möglich sein - ohne Verbote und ohne zu hohe Belastungen. Und Belastungen sind hier ein gutes Stichwort. Schließlich zahlen wir in Deutschland den mit Abstand höchsten Strompreis in Europa (Grund dafür unter anderem die EEG-Umlage) und auch die Ökosteuer fällt bei den Abgaben ins Gewicht.

Ja, es ist richtig sein, dass wir immer noch nicht gut genug beim Klimaschutz sind. Klimapolitik darf aber deshalb nicht zum Moral- und Verbotsapostel werden. Sie muss Vertrauen in die Innovationskraft der Menschen haben und technologieoffen in die Zukunft schauen. Wie können wir jetzt schon wissen, welche Technologie die beste für den Klimaschutz sein wird? Wir leben in einem Land in dem Umweltbewusstsein und Klimaschutz sowohl in Bevölkerung als auch in Politik eine lange Tradition haben. Der erste Umweltminister der Republik war Hans-Dietrich Genscher schon zu Beginn der 70iger Jahre. Gut durchdachte Klimapolitik nutzt dieses Potenzial für sich und nimmt die Bevölkerung mit. Überhastete Entscheidungen nützen dem Klima nicht – und auch nicht unserer Stromversorgung. Denn Strom ist für alle wichtig, vor allem für die Digital Natives, denn digital geht nur mit Strom. Den überhasteten Klimaschutz finden vermutlich alle nur bis zudem Punkt gut, so lang der Strom weiter fließt. Hätten wir auf einmal regelmäßige Blackouts, wäre die Panik wirklich groß. In diesem Fall auch zurecht.

Engagement den Klimaschutz ist gut und sinnvoll. Wir dürfen aber nicht aus den Augen verlieren, dass wir in Sachen Umwelt- und Klimaschutz bereits viel tun und deshalb brauchen wir jetzt ein Shout-Out für gut durchdachte Klimapolitik und unser bereits existierendes Engagement für das Klima

 

Christine Frohn ist Referentin für Energiepolitik und Nachhaltigkeit bei der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.