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Kim-Trump Gipfel
Deal Maker und Deal Breaker: Zum vorzeitigen Abbruch des Kim-Trump-Gipfeltreffens

Das Scheitern von Hanoi könnte der Anfang von wirklichen Abrüstungsverhandlungen sein
 Donald J. Trump und Kim Jong Un in Hanoi.

Donald J. Trump und Kim Jong Un in Hanoi.

© Official White House Photo by Shealah Craighead)

Donald Trump wollte Geschichte schreiben. Vietnam – Ort der Demütigung des US-Militärs in den siebziger Jahren – sollte die Kulisse für seinen Triumph als Friedens-Dealmaker werden. Nach dem optimistischen Auftakt und einem Charmegewitter am ersten Gipfeltag fand dieser am Zweiten völlig unerwartet ein vorzeitiges Ende ohne jegliche gemeinsame Abschlusserklärung. Es rächt sich nun die unzureichende Vorbereitung. In Hanoi hat man zwar den Verhandlungstisch verlassen, nicht aber die Türe zugeschlagen. Was könnte der Ernüchterung folgen?

Das vorzeitige und ergebnislose Ende des erwartungsbeladenen Gipfeltreffens zwischen dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dem Obersten Führer Nordkoreas war ein Paukenschlag, mit dem wohl nicht einmal die pessimistischsten Experten gerechtet hatten. Zahlreiche Beobachter hatten befürchtet, dass sich US-Präsident Donald Trump bei seinem zweiten Gipfeltreffen mit Kim Jong-un in Vietnam übers Ohr hauen lassen würde. Seine Geltungssucht, seine Sehnsucht nach einem Nobelpreis, die Probleme in der Heimat - und dann das. Fans protzender Ratgeberliteratur wie Donald Trumps „Art of the Deal“ mit Interesse an Weltpolitik verstanden den amerikanischen Präsidenten auf Anhieb: „Know when to walk away from the Table“. Alle anderen mussten erst einmal ihre Gedanken ordnen.

Nach dem vorzeitigen Ende des Gipfels stellte sich Donald Trump der Weltpresse, um der Öffentlichkeit seine Sichtweise als Erster darzulegen. Zum Auftakt der Pressekonferenz musste er sich aber erst einmal Fragen über Aussagen seine langjährigen Anwalts Michael Cohen stellen, der in einer Anhörung des Repräsentantenhauses in Washington einige Sprengsätze an seine Präsidentschaft gelegt hatte.

Woran scheiterte der Gipfel?

Laut Trump verlangte die nordkoreanische Seite eine vollständige und allumfassende Auflösung der Sanktionen, sei aber nur zu unzureichenden Zugeständnissen bereit gewesen. So war Nordkorea zwar bereit die wichtigste Nuklearanlage Yongbyon zu schließen, andere Anlagen oder Nuklearwaffen- und Raketenstützpunkte standen für Kim Jong-un aber wohl nicht zur Debatte. Für eine komplette Aufgabe der Sanktionen war das nicht genug. Selbst Joel Wit, der in den neunziger Jahren mehrmals das damalige erfolgreiche Rahmenabkommen mit Nordkorea verhandelt hatte und generell ein starker Dialogbefürworter ist, schrieb auf Twitter, dass das nordkoreanische Angebot unzureichend sei.

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Eine Darlegung der nordkoreanischen Sichtweise erfolgte erst einen halben Tag später, als Donald Trump schon fast wieder in Washington war. Nordkoreas Außenminister Ri Yong-ho widersprach der amerikanischen Darstellung und sagte, man habe lediglich eine teilweise Aufhebung der Sanktionen verlangt und dafür die Aufgabe von Yongbyon angeboten. Vor diesem Hintergrund ist Donald Trumps Aussage zu sehen, man wisse mehr über Nordkorea, als dieses glaube: „We know every inch of this country“, sagte er in der Pressekonferenz und meinte damit wohl die Möglichkeiten Nordkoreas, nach einer Schließung Yongbyons auf andere Atomwaffenproduktionsanlagen auszuweichen.

Von einer von vielen erhofften Absichtserklärung, den Waffenstillstand im formal nie beendeten Koreakrieg durch eine Erklärung zum Kriegsende und der späteren Unterzeichnung eines entsprechenden Vertrages ersetzen zu wollen, war nun keine Rede mehr.

Selbstüberschätzung und mangelnde Vorbereitung

Der Abbruch der Verhandlungen ohne konkrete Ergebnisse zeigt, dass alte jahrhundertelang gewachsene diplomatische Regeln und Gepflogenheiten auch in der Ära Trump nichts von ihrer Relevanz und Gültigkeit verloren haben. Nachwuchsdiplomaten können sich nun wieder ihren Lehrbüchern zuwenden und Donald Trumps Buch „The Art of the Deal“ anderen als Einschlaflektüre überlassen. In Hanoi rächte sich die mangelnde Vorbereitung, die in einem einwöchigen Verhandlungsmarathon der Unterhändler nicht mehr aufgeholt werden konnte. Nach dem mit viel Pomp aber ebenfalls nur wenigen Ergebnissen am 12. Juni 2018 in Singapur durchgeführten ersten Gipfel, hatten beide Seiten kaum mehr verhandelt, sondern Stillstand zugelassen. Der amerikanische Sonderbeauftragte für Nordkorea, Stephen Biegun, bekam monatelang keinen Termin in Pjöngyang und selbst eine Reise des amerikanischen Außenministers Mike Pompeo in die nordkoreanische Hauptstadt wurde kurzfristig abgesagt.

In einer Abschlusserklärung hätte auch stehen können, dass beide Seiten sich darauf verständigt haben, „Liaison Offices“, also Verbindungsbüros in Washington und Pjöngjang zu eröffnen, was noch am Vormittag des zweiten Gipfeltages möglich schien. Nun hat man es erst einmal nicht mit der Einrichtung von Liaison Offices zu tun, sondern mit der Ausräumung einer Beziehungsstörung. Nicht zuletzt Donald Trumps maßlose Rhetorik aus dem Wortfeld der Liebe („we fell in love“) hatten den Erwartungshorizont an dieses Treffen enorm erweitert.

In Hanoi trafen sich zwei selbstbewusste Führer, die davon ausgingen, mit der Kraft ihrer Autorität und ihrer wirkungsmächtigen Worte einen konsistenten Fahrplan zur Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel und zur Aufhebung der Sanktionen schaffen zu können. Die Realität holte sie dann schnell ein, denn in den vorverhandelten Papieren fanden sich zu viele „eckige Klammern“, also Punkte, die nur von den Chefs entschieden werden können. Dass der Führer eines Landes, das sich in jahrzehntelanger Isolation befand, dies für erfolgsversprechend halten könnte, mag man noch nachvollziehen können; dass aber der Präsident des mächtigsten Landes der Erde glaubt, die „Mühen der Ebene“ vor einem Vertragsabschluss überspringen zu können, lässt viele Beobachter dann doch an dessen Welt- und Selbstbild (ver)zweifeln.

Gipfeldiplomatie als Ende und nicht als Anfang ist nun zum zweiten Mal gescheitert. Das ist ein Mal zu viel und es sollte kein drittes Mal geben. Ohne ausreichende Vorbereitung und langwierige Verhandlungen auf der Arbeitsebene kann es kein Vorankommen geben. Man hat noch immer nicht einmal ein übereinstimmendes Verständnis des Begriffs „Denuklearisierung“. Zwar sei man sich inzwischen in der Definition näher als noch vor einem Jahr, doch gab Trump in der Pressekonferenz unumwunden zu, dass beide Seiten weiterhin unterschiedliche Auffassungen darüber haben, was „Denuklearisierung“ konkret umfassen würde.

Wichtigstes nächstes Zwischenziel ist nun, dass die beiden Seiten eine „Roadmap“ aushandeln, in der die jeweiligen Zwischenschritte so detailliert wie möglich festgehalten werden.

Alles wies auf einen erfolgreichen Gipfel hin

Das Gipfeltreffen hatte wie erwartet bzw. wie befürchtet begonnen. Gleich zu Beginn am Mittwochabend: schöne Bilder, herzliches Lächeln und gegenseitige Bauchpinselei. Trump selbst betonte immer wieder, wie gut er sich mit seinem „Freund“ Kim verstehe, was für ein großartiges Potential Nordkorea habe und dass man keine Eile habe, solange Nordkorea auf Atom- und Raketentests verzichtet. Auch am folgenden Haupttag des Gipfeltreffens präsentierte man sich der Weltöffentlichkeit für gemeinsame Fotos und Kim Jong-un nahm erstmals in seiner Regentschaft die Frage eines ausländischen Journalisten an. Die Erwartungen an einen erfolgreichen Gipfel stiegen. Nur wenige Stunden später toppte Kim Jong-un die vorherige Überraschung, indem er bei einem weiteren Fototermin vor den Verhandlungen sogar mehrere Fragen ausländischer Journalisten zuließ. Es verstärkte sich der Eindruck, dass der Gipfel erfolgreich laufe. Zumal Kim auf die Frage, ob er denn bereit sei für eine Denuklearisierung seines Landes, antwortete: „Wenn ich nicht bereit wäre, warum wäre ich dann hier?“.

Nur wenige Stunden später stockte der Ablauf des Gipfels und Gerüchte über ein Scheitern machten die Runde. Nach einer kurzen Phase der Unklarheit bestätigte die US-Seite, dass es keine gemeinsame Erklärung geben werde - die Gipfeldiplomatie war gescheitert.

Ende oder der Anfang?

Auch das erste Gipfeltreffen von Kim und Trump war im vergangenen Jahr im Vorfeld kurzfristig abgesagt worden und konnte wohl nur dank einer Intervention des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in stattfinden. Wahrscheinlich wird auch jetzt Südkorea alle Hebel in Bewegung setzen, damit die Verhandlungen zwischen den USA und Nordkorea besser verlaufen. Das Interesse an einer Sanktionserleichterung für inner-koreanische Projekte ist ungebrochen. Dies bekräftigte Moon Jae-in am 1. März in einer Erklärung zum Unabhängigkeitsfeiertag. Moon Jae-in hat sich massiv für eine Annäherung an Nordkorea eingesetzt und wird es weiter tun. Sollte diese Entwicklung scheitern, so wird die Kritik konservativer Südkoreaner an seiner angeblichen Naivität weiter steigen. Gespannt wird man nun erst einmal auf die Reaktion Chinas warten müssen. In seiner Pressekonferenz lobte Donald Trump die Unterstützung Xi Jinpings in der Koreafrage - und auch die Russlands.

Man muss es Trump zugute halten, dass er nicht um jeden Preis einen Deal eingegangen ist. Seine unerwartete Standfestigkeit wird von vielen als positive Überraschung gewertet. Beide Seiten sind mit hohen Forderungen in die Verhandlung gegangen, ohne die notwendige detaillierte Vorarbeit geleistet zu haben.

Die mit Spannung erwartete offizielle Erklärung Nordkoreas wie auch Trumps wiederholte Aussage in der Pressekonferenz, dass Kim Jong-un sein „Freund“ sei und man sich mit einem Handschlag und freundlich verabschiedet habe, nähren die Hoffnung, dass die Verhandlungen nicht dauerhaft unterbrochen werden. „Wir mögen einander, wir haben gute Beziehungen, sagte Präsident Trump. Nordkorea zog in seinen Medien gar ein positives Fazit, denn der Gipfel habe zu einer „Vertiefung des gegenseitigen Respekts und Vertrauens“ geführt. Man werde den „produktiven Dialog fortsetzen“. Von beiden Seiten habe es seit dem letzten Sommer „proaktive Maßnahmen“ gegeben, um den Frieden auf der koreanischen Halbinsel zu sichern und zu einer kompletten Denuklearisierung zu kommen.

Beide Seiten haben also angekündigt, die Verhandlungen fortführen zu wollen. US-Außenminister Mike Pompeo hatte bereits in Hanoi gesagt, dass man einige Fortschritte erzielt habe, aber es für ein Abkommen oder eine von beiden Seiten getragene Erklärung noch nicht gereicht habe: „Lieber gar kein Abkommen als ein schlechtes Abkommen.“ „Ich mache es lieber richtig, statt schnell“, ergänzte Trump. Die Türen bleiben also offen und es zu hoffen, dass beide Seiten als Lehre von Hanoi einen höheren Respekt gegenüber der Arbeitsebene entwickeln und die Erkenntnis, dass es angesichts der Komplexität der Probleme besser ist, sich auf lange und mühsame Verhandlungen einzustellen. Vielleicht war das erst jetzt der Anfang.

Dann hätte sich vielleicht eines Tages im Rückblick der in diesem Februar betriebene Aufwand gelohnt: Eine 66-stündige Anreise mit der Bahn von Kim Jong-un und die astronomischen Kosten sind da nur zwei Indikatoren für Aufwand und Ertrag. Vorerst ist die Bilanz mehr als dürftig, aber vielleicht wird man das Treffen von Hanoi eines Tages einmal als Investition in die Zukunft sehen.

Dr. Christian Taaks ist FNF-Projektleiter Korea mit Sitz in Seoul. Tim Brose befasst sich im FNF-Büro Seoul schwerpunktmäßig mit Nordkorea. Beide kennen das Land aus eigener Anschauung.