EN

#JetztMutMachen
Mehr Bundesverantwortung für die Kultur

Ein Aufruf an die Bundeskanzlerin, den freischaffenden Künstlern zu helfen.
Plakat Kunstpause
Ein Plakat mit einem Gemälde aus der Sammlung der Würzburger Museen hängt im Rahmen der Aktion #KunstPause in der Innenstadt. © picture alliance/Daniel Karmann/dpa

Denn Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder auch streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere eigentliche innere Überlebensfähigkeit sichert.

Richard von Weizsäcker, 1984
Richard von Weizsäcker, 1991

Dieses Zitat von Richard von Weizsäcker muss gerade heute gelten, wenn Schutzschirme für alle Lebensbereiche aufgespannt werden. Dabei muss von der Einsicht ausgegangen werden, dass Kunst auf besondere Weise Daseinsvorsorge ist und eben auch auf ihre Weise systemrelevant. Man kann auf die Energie und die Impulse von Künstlern gerade jetzt nicht verzichten und man muss Vorsorge treffen, damit sie nicht in ihrer Existenz gefährdet oder gar vernichtet werden. Wir brauchen sie. Gerade in Krisenzeiten ist ihr Beitrag zur Aktivierung von Kreativität, Urteilsfähigkeit, zur Nachdenklichkeit unverzichtbar. Es ist ein Irrtum, die Kunst als eine beliebige Wirtschaftsbranche unter anderen zu sehen. Das „Produkt“ ist mit keinem anderen vergleichbar. Künstler als „Solounternehmer“ haben keine Betriebskosten wie ein Unternehmer. Der Betrieb, das sind sie selbst mit ihren Honorareinnahmen, durch die sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Sie  haben selten festen Verträge, also keine Ansprüche auf Kurzarbeitergeld und was sollen sie mit Krediten? Ein ausgefallenes Engagement lässt sich nicht nacharbeiten. Es fällt einfach weg. Sie sind jetzt auf Unterstützung angewiesen. Und diese gibt es nicht oder nicht mehr. Der spezifischen Arbeitsweise freischaffender Künstler wird Unterstützung durch Arbeitslosengeld nicht gerecht. Fazit: Es gibt im Moment so gut wie keinen Rettungsschirm speziell für Künstler.

Nur zwei Länder versuchen es - Baden-Württemberg und NRW -  gegen den Widerstand des Bundes. Wie lange noch? Es stimmt einfach nicht, dass das Soforthilfeprogramm des Bundes von 50 Mrd auch eine Hilfe für individuelle Künstler enthält. Hier werden Betriebskosten abgedeckt, nicht mehr. Es war ein Versäumnis, die Soforthilfe für Künstler in diesem Programm nicht zu verankern.

Auch für die privaten Kultureinrichtungen, für private Theater und Museen, für die Vereine oder für gemeinnützige Kultureinrichtungen taugen Lösungen wie sie für gewerbliche Wirtschaft geschaffen wurden nicht.

Es fehlt eine nationale Kraftanstrengung, um Künstler und Kulturelle Einrichtungen in die Zeiten nach Corona in die Normalität hinüberzuretten. Gefordert ist ein spezieller Kulturnothilfefonds des Bundes, also ein temporärer kulturspezifischer Rettungsfonds, der die Lücken schließt, auch in Richtung auf die kulturellen Einrichtungen, der privaten wie der öffentlichen. Diese vom Deutschen Kulturrat und vom Kulturrat NRW, dessen Vorsitzender ich bin,  gemeinsam getragene Initiative ist von der Seite des Bundes bisher ohne positives Echo geblieben. Das ist umso erstaunlicher, als der Bund für Mehrausgaben der einzelnen Ressorts einen Fonds von 60 Mrd zur Verfügung gestellt hat. Bisher ist nicht erkennbar, was davon überhaupt an die Kultur geht. Wer kämpft im Bundestag jetzt für die Durchsetzung kultureller Belange? Dort gibt es doch einen Kulturausschuss. Warum setzt sich die zuständige Kulturstaatsministerin nicht an die Spitze der Bewegung?

Ich weiß als ehemaliger Bundesinnenminister, der seinerzeit auch für die Kultur zuständig war, dass es nicht einfach ist, sich mit Belangen der Kultur gegenüber den anderen Ressorts und vor allem gegenüber dem Bundesfinanzminister durchzusetzen. Die heute für die Kultur zuständige Ressortverantwortliche hat großes Gewicht. Es ist die Bundeskanzlerin! Sie ist jetzt eine gute Krisenmanagerin, aber man hat nicht den Eindruck, dass sie die besondere Situation der Kultur im Blick hat - auch nicht in ihren Reden.

Wir, die sich für die Kultur verantwortlich fühlen, richten den dringenden Appell an die Bundeskanzlerin, sich der Lage der freiberuflichen Künstler zu öffnen und dafür zu sorgen, dass sie jetzt in der Krise aus Mitteln des Bundes angemessen berücksichtigt werden. Kunst ist im Grundgesetz privilegiert. Aus gutem Grund. Der Staat hat sich inhaltlich nicht einzumischen. Im Kulturstaat Deutschland hat er sie zu schützen und zu fördern - auch wenn sie nur eine Minderheit erreicht.

 

Der Artikel ist am 17. April im Tagesspiegel erschienen.