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10-Punkte-Survival-Guide für den Shutdown

Wie können die gesunden Unternehmen den Stillstand überdauern
10 Punkte Plan Survival

Der weitgehende Stillstand scheint zu wirken: Die Zunahme der Infektionszahlen durch das neue Coronavirus in Deutschland hat sich seit Beginn der Maßnahmen verlangsamt. Laut Robert-Koch-Institut steckt ein Infizierter im Durchschnitt ungefähr eine weitere Person an. Gelingt es, diese Ansteckungsrate unter eins zu senken, kann die Epidemie zurückgedrängt werden. Zudem geht der Ausbau der intensivmedizinischen Kapazitäten voran; es gibt aktuell noch keinen Engpass bei der Belegung der Krankenhausbetten. Deutschland ist hier im internationalen Vergleich ohnehin sehr gut aufgestellt. Es ist aber nicht garantiert, dass es in den nächsten Tagen und Wochen nicht doch knapp wird. Deshalb müssen wir weiter darüber nachdenken, wie wir die medizinische Krise in den Griff bekommen.

Dies gilt umso mehr, da die Kosten des weitgehenden Stillstands immer deutlicher hervortreten. Die psychologische Belastung steigt und es steht zu befürchten, dass sich viele Menschen weniger bewegen und mehr Alkohol trinken. Zudem wird es immer deutlicher, dass die wirtschaftlichen Kosten hoch sein werden. Der Sachverständigenrat geht in einem Sondergutachten davon aus, dass die Wirtschaft in 2020 je nach Länge des Stillstandes um 2,8 bis 5,4 Prozent einbrechen wird. Das ifo Institut befürchtet in einem Worst-Case-Szenario mit einem sehr langen Stillstand sogar einen Einbruch von über 20 Prozent.

Bedenklich wird es insbesondere, wenn der weitgehende Stillstand länger anhält. Der Verband der Familienunternehmer hat in einer Umfrage unter seinen Mitgliedern festgestellt, dass ein Drittel der Mitglieder den weitgehenden Stillstand ohne Hilfe nicht zwei Monate überstehen könnten. 26 Prozent geben an, ohne Liquiditätshilfen höchstens bis zu drei Monate überleben zu können. Die beschlossenen Hilfsmaßnahmen sollten diese Fristen zwar verlängern. Aber es ist auch klar, dass die öffentliche Hand nicht auf Dauer einen Großteil der Wirtschaft am Leben erhalten kann. Im Gegenteil: Damit wir uns die Kosten der Krisenbewältigung leisten können – von den Liquiditätshilfen über das Kurzarbeitergeld bin hin zu den steigenden Investitionen in den Gesundheitssektor, muss die Wirtschaft nach dem Shutdown schnell wieder in Gang kommen.

Jetzt geht es deshalb darum, den weitgehenden Stillstand zeitlich so kurz wie möglich zu halten und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die gesunden Unternehmen überdauern können. Dafür sind folgende Schritte notwendig:

1. Kreditprogramm mittelstandstauglich machen

Das Kreditprogramm zur Liquiditätsstützung muss dringend unbürokratisch umgesetzt werden. Schon jetzt übernimmt der Staat über die KfW einen Großteil des Ausfallrisikos. Es gibt jedoch ernstzunehmende Berichte aus der Praxis, dass Geschäftsbanken bei der Durchleitung der Mittel sehr zurückhaltend sind. Die Effektivität des Programmes muss deshalb sofort verbessert werden. Neben der Haftungsübernahme für 100% der Kreditsumme gehört dazu auch ein auf 10 Jahre verlängerter Rückzahlungszeitraum. So wird die momentane Unsicherheit in den Geschäftsaussichten entsprechend abgebildet. Die Geschäftsbanken sollten für die Umsetzung des KfW-Programmes von der Pflicht entbunden werden, diese Kredite mit einem Eigenkapitalanteil zu unterlegen. Die  europäischen Beihilferegelungen  sind in dieser Sondersituation flexibel einzusetzen. Mit diesen Änderungen soll das KfW-Programm auch für Start-Ups nutzbar werden, die aktuell kaum eine Chance haben, die Kreditprüfung der Geschäftsbanken zu bestehen.

2. Krisen-Bafög für Soloselbstständige

Soloselbstständige sind in vielen Branchen besonders von der Krise betroffen. Es ist zu befürchten, dass die beschlossenen Maßnahmen wie die Zuschüsse nicht reichen werden. Deshalb sollte ergänzend ein Krisen-Bafög eingeführt werden. Dieses könnte zu 100 Prozent über KfW-Mittel finanziert werden, die die Geschäftsbanken weiterreichen, und in Form von zinslosen Krediten für bis zu zwölf Monate ausgezahlt werden. Soloselbstständige könnten so z. B. bis zu 1000 Euro im Monat aufnehmen, um zusätzliche Mittel zur Bewältigung der schwierigsten Zeit zu bekommen. Die Mittel sind keine Betriebskostenzuschüsse, da viele Soloselbstständige keine festen Betriebskosten haben. Sie werden zur freien Verfügung ausgezahlt und können auch zur Deckung des Lebensunterhalts verwendet werden. Das Krisen-Bafög sollte nicht mit anderen Krisenleistungen verrechnet werden. Die Rückzahlung könnte nach einem Jahr beginnen, wobei großzügige Stundungen möglich sein sollten.

3. Steuergutschriften für kleine und mittlere Unternehmen

Selbstständige und mittelständische Unternehmer haben in den vergangenen Jahren mit ihren Gewinnsteuern zu den stetig steigenden Steuereinnahmen in Deutschland beigetragen. Jetzt ist die Zeit, über das Finanzamt Liquidität zurückzugeben. Steuervorauszahlungen sind zinslos zu stunden. Gleichzeitig kann das Finanzamt im Wege einer „Negativen Gewinnsteuer“ den Selbstständigen und Unternehmern schnell Geld zur Verfügung stellen: Ausgehend von den bislang fälligen Steuern und am Umsatzausfall orientiert, zahlt jetzt das Finanzamt an den Steuerzahler. Daneben sollte die Verlustverrechnung verbessert werden, um so nachträglich die Unternehmenssteuerbelastung zu senken. So könnten beispielsweise die im Jahr 2020 anfallenden Verluste bis zu fünf Jahre rückwirkend mit den damals angefallenen Gewinnen verrechnet werden. Die hieraus anfallenden Steuerrückzahlungen sollten schnell geschätzt und schnell ausgezahlt werden. So könnte den Unternehmen geholfen werden, das sehr schwierige Jahr 2020 zu überstehen.

4. Big Data jetzt: Datenbasis stärken

Eines der größten Probleme bei der Krisenbewältigung ist, dass wir zu wenig über das Corona-Virus, seine Verbreitung und seine Letalitätsrate wissen (siehe beispielsweise hier). Wie viele Menschen haben sich beispielsweise schon in Deutschland angesteckt, hatten nie Symptome und sind folglich schon immun, müssen also nicht mehr vor einer Infektion geschützt werden? Wir brauchen deshalb repräsentative Studien, um all diese offenen Fragen zu klären. Nur so können wir zum Beispiel realistisch einschätzen, welche Folgen es beispielsweise hätte, wenn wir Cafés und Restaurants wieder öffnen, aber gleichzeitig Risikogruppen besonders schützen.

5. Testen, testen, testen

Neben der Klärung der wissenschaftlichen Datengrundlage müssen wir auch im Alltag weiter testen, möglichst jeden Verdachtsfall. In Kombination mit einer Nachverfolgung der Kontaktpersonen Infizierter und ihrer Isolation sind umfassende Tests eine wichtige Grundlage dafür, dass wir die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten wieder hochfahren können. Wenn ein hoher Anteil von Überträgern isoliert wird, müssen wir nicht alle Kontakte einschränken, um einen exponentiellen Krankheitsverlauf zu stoppen.

6. Ausbau der medizinischen Kapazitäten

Wir müssen weiter in Material und Medikamente investieren und zusätzliches Personal aktivieren. Je höher unsere Kapazitäten sind, umso besser können wir eine zweite Welle an Krankheitsfällen abfangen. Besonders wichtig scheint es auch, den Erfahrungsaustausch über die Behandlung zu verbessern: Was können deutsche Krankenhäuser beispielsweise von den bisherigen internationalen Erfahrungen lernen

7. Medikamente und Impfstoffe

Bei der Testung und Zulassung von Medikamenten und Impfstoffen gegen das neue Coronavirus brauchen wir eine gute Balance zwischen den Sicherheitsanforderungen und dem Druck, schnelle Hilfe beim Kampf gegen die Pandemie zu bekommen.

8. Ausstieg vorbereiten

Auf der Basis möglichst genauer Daten und unter Berücksichtigung der Fortschritte beim Ausbau der medizinischen Kapazitäten müssen wir darüber beraten, mit welchen Schritten wir ab dem 20.04. den Übertritt in die Normalität einleiten können. Was ist z. B. gesellschaftlich wichtiger? Kitas und Kindergärten zu öffnen? Die Grundschulen? Oder die weiterführenden Schulen? Schichtbetrieb in Schulen und Hochschulen? Und welche Maßnahmen sind aus infektiologischer Sicht weniger gefährlich? Die Vorbereitung hierfür muss jetzt getroffen werden, damit wir zu einer tragfähigen Balance zwischen Krankheitseindämmung und neuem Alltag kommen können.

9. Smart Shutdown statt Vollstopp

Ziel des Ausstiegsplans muss es sein, Instrumente zu entwickeln, mit denen man die Verbreitung stoppt, ohne fast alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten zu stoppen. Die Ansteckungsrate muss niedrig bleiben, ohne dass fast alle Menschen über Monate vor allem zu Hause bleiben müssen. Hierbei können Maßnahmen wie eine Maskenpflicht in Verkehrsmitteln oder breite Antikörpertestung helfen. Auch eine Handy-App, mit der sich Kontakte schnell nachverfolgen lassen, könnte hier hilfreich sein. Schon eine freiwillige App, die rund 60 Prozent der Bevölkerung nutzen, könnte nach neuesten Erkenntnissen helfen (Details werden in Folge 27 des Corona-Update des NDR erläutert).

10. Diskussion eines Neustart-Programmes

In der akuten Stillstandsphase müssen die wirtschaftspolitischen Maßnahmen im Vordergrund stehen, die das Überleben unserer Wirtschaft sicherstellen. Wir sollten aber schon jetzt anfangen, über einen Pakt zur dauerhaften Stärkung des Standortes zu diskutieren. Schon Anfang Mai können die Maßnahmen beschlossen werden, die zum Neustart des Wirtschaftslebens notwendig sind. Um die Wirtschaft wieder in Gang zu bekommen, sollten frühzeitig nach den Nothilfen positive Signale an Arbeitnehmer und Unternehmer gesendet werden. Das wichtigste Signal eines solchen Pakets muss sein: Es geht weiter!

Unser Kuratoriumsmitglied und Vorstand des Verbandes der Sparda-Banken Florian Rentsch, Staatsminister a.D. und unser Wirtschaft-Experte Justus Lenz diskutierten heute unseren "10-Punkte-Survival-Guide für den Shutdown"  live auf Instagram. Die Diskussion finden Sie auf unserem Instagram-Account.