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"Ich war von der Stärke der Frauen beeindruckt"

Wie eine Stipendiatin für bessere Bildungs-Chancen von Mädchen in Afrika kämpft

Alice Schmidt (27) hat im Rahmen ihrer Doktorarbeit sechs Wochen in Accra, der Hauptstadt Ghanas, verbracht. Die Stipendiatin der Friedrich-Naumann-Stiftung (Politikwissenschaft, Philosophie und International Studies) setzt sich für die Stärkung von Mädchen und Frauen mit Hilfe der Organisation One ein. Mit freiheit.org sprach die Flensburgerin über ihre Motivation und Eindrücke ihres Afrika-Aufenthaltes.

Sie haben sechs Wochen in Accra, der Hauptstadt von Ghana verbracht, um für Ihre Doktorarbeit zu recherchieren. Warum interessiert Sie der afrikanische Kontinent besonders?

Ich forsche zu den Auswirkungen der europäischen Agrar- und Handelspolitik auf afrikanische Entwicklungsländer. Die Auswirkungen sind auf diese Länder am meisten relevant, da viele afrikanische Länder weltweit noch immer zu den Ärmsten zählen. Wirtschaftliche Nachteile durch den Agrarprotektionismus treffen solche Länder besonders stark. Viele afrikanische Länder hätten aufgrund von guten Böden oder vielen Ressourcen ein enormes Potenzial. Dieses kann jedoch nur mäßig ausgeschöpft werden. Die Gründe liegen auch an vielen internen Problemen, wie Korruption. Der Agrarprotektionismus der EU ist in meinen Augen jedoch ein zusätzlicher Faktor, der in den ärmsten Ländern der Welt Wirtschaftswachstum bremst und sehr viele Arbeitsplätze kostet. Wirtschaftsflüchtlinge sind nicht selten ein Resultat dessen. Somit wäre der Abbau von Agrarprotektionismus in meinen Augen eine der besten Methoden, um erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit zu leisten.

Was haben Sie während Ihres Aufenthalts in der westafrikanischen Metropole über die Rechte von Mädchen und jungen Frauen erfahren? Welche interessanten Begegnungen haben Sie gemacht?

Ich war insbesondere von der Stärke vieler Frauen beeindruckt. Die klassischen Rollenbilder sind dort leider immer noch fest verankert und so ist auch die Erziehung von Kindern Frauensache. Das führt dazu, dass Frauen enorm viele Aufgaben zu bewältigen haben: Sie führen den Haushalt, passen auf die Kinder auf und arbeiten zusätzlich. Besonders eindrucksvoll fand ich die tägliche Begegnung mit Frauen, die auf den Straßen während der roten Ampelphase geschnittene Papayas für 20 Cent verkauft haben. Sie tragen bei brütender Hitze schwere Früchte auf ihrem Kopf, dazu noch ein bis zwei Kinder in den Armen und laufen dabei von Auto zu Auto.

Viele verdienen sich dadurch ihr Geld und nicht wenige sterben dabei, weil es auf Schnellstraßen sehr gefährlich wird. Wenn sie ihre Kinder zur Schule schicken wollen, ist das eigentlich kostenlos. Doch durch die benötigte Schulkleidung und Bücher wird es doch teuer. Familien entschieden dann letzlich doch oft, den Jungen mehr zu fördern. 

Was hat Sie an dem Alltag für Frauen und Mädchen in  Ghana überrascht und welche Verbesserungen wünschen Sie sich?

Ich fand gut, dass die Menschen in Ghana "liberaler" waren, als ich es gedacht hatte. Eine Frau kann einen „schlechten“ Freund oder Ehemann verlassen, ohne dafür verurteilt zu werden. Dann muss sie allerdings oft auch allein für den Unterhalt der Kinder aufkommen, da Kindererziehung Frauensache ist.

Obwohl Schule in Ghana kostenlos ist, fördern Familien oft eher den Jungen. 

Alice Schmidt
Alice Schmidt, Stipendiatin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Ich wünsche mir, dass in Ghana Industrie entsteht und mehr weiterverarbeitet wird. Es ist traurig zu sehen, wie in Ghana ein Glas Nutella für fünf Euro verkauft wird, während das Land gleichzeitig einer der größten Kakaoexporteure ist. Schokolade ist dort für Arme nicht bezahlbar, obwohl das Grundprodukt massenhaft im Land selbst angebaut wird. Dieses Problem hat nicht nur Ghana, sondern fast alle afrikanischen Länder leiden daran, dass die Weiterverarbeitung von Produkten und damit auch die Wertschöpfung außerhalb Afrikas stattfindet. Da es auch viele sehr qualifizierte Frauen in Ghana gibt, würde es ihnen schon viel helfen, wenn durch die lokale Weiterverarbeitung mehr Arbeitsplätze im Land entstehen würden.

Ihr Engagement für Afrika wollen Sie mit der Kampagnenorganisation „One“ fortführen. Wie sieht Ihre Arbeit für „One“ konkret aus? Und was können Aktionen wie das Projekt #GirlsCount Ihrer Meinung nach bewirken?

Aktionen mit ONE können bewirken, dass Menschen Entwicklungszusammenarbeit zunächst einmal überhaupt wahrnehmen. In Deutschland ist das immer noch ein Nischenthema. Viele haben auch die Einstellung, dass man genug eigene Probleme im Land hat und Entwicklungszusammenarbeit mehr Schaden anrichtet. Durch meine Forschung ist mir persönlich jedoch besonders klar, dass die Armut in vielen afrikanischen Ländern auch externe Gründe hat.

Sie sind Jugendbotschafterin der Stadt Flensburg im Kampf für die Stärkung von Mädchen und Frauen. Woher rührt ihr Engagement? Was treibt Sie an?

ONE ist eine internationale Lobby- und Kampagnenorganisation, die nicht über Spenden finanziert wird, sondern dafür Sorge trägt, dass Deutschland gute Entwicklungsarbeit leistet. Zu meinen Aufgaben zählt daher, dass ich während der Bundestagswahl beispielsweise Bundestagskandidaten bitte, einen Vertrag zu unterzeichnen. Dieser enthält mehrere Punkte im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und der Kandidat verpflichtet sich bei Abstimmungen entsprechend den Vertragsinhalten abzustimmen. Dazu zählt unter anderem, dass sich Deutschland weiterhin finanziell bei internationalen Organisationen engagiert, die die Bildung von Frauen oder die Impfung gegen vermeidbare Krankheiten unterstützen. Meine Motivation ist, dass es Menschen gibt, die aufgrund der Geburt in einem armen Land niemals die Chance haben werden sich fortzubilden und etwas aus sich und ihrem Leben zu machen. Liberalismus ist für mich untrennbar mit Chancengleichheit verbunden und diese ist an vielen Orten in der Welt und insbesondere in Afrika längst nicht verwirklicht.