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Hong Kong
Der Freiheitskampf um Hong Kong

Karl-Heinz Paqué zu den Protesten in Hongkong und die Reaktion Chinas

Die Demonstrationen in Hong Kong nehmen kein Ende. Vor allem junge Menschen gehen dort auf die Straße, um ihre Freiheit zu verteidigen. Einer von ihnen, Joshua Wong, ist nun mit anderen Aktivisten in Berlin und sorgt damit für diplomatische Verstimmungen zwischen der Bundesrepublik und der Volksrepublik China. Joshua Wong macht derweil eindrücklich klar: „Hong Kong ist das neue Berlin.“

Die Reaktion der Volksrepublik China und deren Botschaft in Deutschland ist entlarvend. Sie macht klar: Der Sonderstatus Hong Kongs unter dem Prinzip „Ein Staat, zwei Systeme“ hat für die kommunistische Regierung in Peking längst ein Ablaufdatum. Hong Kong kämpft dieser Tage nicht mehr nur gegen ein Gesetz, das inzwischen zurückgezogen wurde, sondern für die langfristige Freiheit der Bürgerinnen und Bürger.

Joshua Wong, der charismatische Kopf der Protestbewegung, scheut sich nicht, genau diesen Freiheitskampf der Weltöffentlichkeit bewusst zu machen. Am Montag hielt er auf einer Veranstaltung der BILD-Zeitung in Berlin eine Rede, die von der WELT im Wortlaut veröffentlicht wurde. Er berichtete dort von seiner Haft, die seine Reise nach Berlin verzögerte, von der Polizeigewalt in Hong Kong und von dem hohen Preis, den die dortigen Demonstranten zahlen. Und er stellte klar, wo sich die Stadt inzwischen befindet: „Hong Kong ist jetzt das Schlachtfeld für zwei sehr verschiedene, gegensätzliche Ideologien: Freiheit, Demokratie und Menschenrechte gegen eine Diktatur, die die Grundrechte nicht achtet.“ Hong Kong stehe nun zwischen der freien Welt und der chinesischen Diktatur – eine Lage, die an West-Berlin in den 40 Jahren der Deutschen Teilung erinnert.

Gespräche führte Wong in Berlin mit dem deutschen Außenminister Heiko Maas sowie mit Christian Lindner und Gyde Jensen, der Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag. Die Folge: eine handfeste diplomatische Spannungslage, fast schon eine Krise. Prompt wurde nämlich Dr. Clemens von Goetze, der deutsche Botschafter in Peking, ins chinesische Außenministerium einbestellt, um gegen diese Treffen zu protestieren. Dessen Gegenpart, der chinesische Botschafter in Berlin, Wu Ken, sprach derweil von einer negativen Beeinträchtigung der bilateralen Beziehungen und lud umgehend zu einer Pressekonferenz ein, bei der er die Protestanten unter anderem als „bösartige Krawallmacher“ bezeichnete. In den von der Partei kontrollierten chinesischen Medien wurden die Demonstranten gar als Terroristen und Kakerlaken herabgewürdigt. Auch die Medienfreiheit geriet unter Beschuss: Der BILD-Zeitung, die Wong nach Berlin eingeladen hatte, wurde der Zugang zur Pressekonferenz verweigert. So erging es auch vielen deutschen Korrespondenten bei der gemeinsamen Pressekonferenz von Angela Merkel und dem chinesischen Ministerpräsidenten letzte Woche in Peking. Erst nach massivem Druck durften dann doch noch einige von ihnen teilnehmen.

All das zeigt, wie nervös die chinesische Führung inzwischen geworden ist. Die Reaktion legt zudem offen, wie schwer es dem kommunistischen Ein-Parteien-Regime aus Peking fällt, mit Demonstrationen für Freiheit und Demokratie umzugehen. Die Kommunistische Partei Chinas hat wohl auch die Lage gänzlich falsch eingeschätzt. Die gewaltsame und aus Peking gesteuerte Reaktion der Polizei in Hong Kong hat die Situation nur weiter verschärft statt sie zu beruhigen. All dies hat das Ziel der Demonstranten erweitert: vom Widerstand gegen ein Gesetz zur Auslieferung zum Kampf für die Freiheit. In dieser Spirale ist das Vertrauen der Bürger Hong Kongs in ihre Regierung und ihre Polizei komplett zerstört worden. Ein Scherbenhaufen! 

Der Schaden ist immens. Der Umgang mit den Protesten in der Handelsmetropole hat deren Ruf nachhaltig beschädigt. Die internationale Gemeinschaft weiß jetzt, wie unberechenbar die Volksrepublik als Partner geworden ist und vielleicht immer war. Die Ratingagentur Fitch stufte Hong Kong kürzlich herab. Begründung waren nicht die Proteste, sondern der zunehmende Einfluss Pekings. Verträge und Zusagen sind für die Kommunistische Partei Chinas offenbar nicht viel wert – egal, ob sie gegenüber den eigenen Bürgern oder der internationalen Gemeinschaft gemacht wurden. 

Klar ist: Es geht in diesem Konflikt in erster Linie um die Freiheit der Hong Konger. Aber diese Freiheit ist zum Symbol geworden: Hong Kong ist zur Frontstadt im neuen globalen Systemwettbewerb avanciert. Offene Gesellschaft, Rechtsstaat und Demokratie stehen dort gegen Autokratie, Willkür und Staatskapitalismus. Dafür hat die Volksrepublik China mit ihrer uneinsichtigen kommunistischen Regierung selbst gesorgt. Joshua Wong hat dies vor der Weltöffentlichkeit aufgedeckt. Er steht dabei mit seinen Einschätzungen nicht allein.

 

Professor Karl-Heinz Paqué ist Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit