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Hiroshima und Nagasaki
In Potsdam ist 1945 eine schreckliche Epoche beendet und eine bessere begonnen worden

Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit gedenkt den Opfern des Atombombenabwurfs von Hiroshima und Nagasaki
Die Truman-Villa in Potsdam Babelsberg
Die Truman-Villa in Potsdam Babelsberg © picture alliance / imageBROKER | Joko


Vor 75 Jahren stand die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam im Zentrum des Weltgeschehens. Auf der Potsdamer Konferenz verhandelten die alliierten Staatschefs über die Nachkriegsordnung für Europa. Nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki am 6. August und am 9. August 1945 und der Kapitulation Japans, wurde eine weltweite Friedensordnung etabliert. Anlässlich des Themenjahrs „Krieg & Frieden“ setzen sich die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zusammen mit der Kulturland Brandenburg gGmbH und dem Waschhaus Potsdam historisch-politisch und künstlerisch mit den Monaten zwischen Krieg und Frieden 1945 auseinander. Im Zentrum der Veranstaltung steht die Frage, welche Lehren sich aus der Ambivalenz der damaligen Zeit – zwischen Frieden, Krieg und dem Einsatz der Atombombe –, für unsere heutige Politik und Gesellschaft ziehen lassen. Auch werden die Vorzüge und Herausforderungen der internationalen Ordnung und die Suche nach Lösungen für ein dauerhaft friedliches Miteinander diskutiert.

Lesen Sie dazu die Eröffnungsrede von Karl Heinz Paqué, dem Vorstandsvorsitzenden der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, im Wortlaut:
 

Sehr verehrte Damen und Herren,

am heutigen Tag gibt es ein doppeltes Gedenken: Da ist zum einen die „Potsdamer Konferenz“, die vor fast genau 75 endete. Mit ihr verband sich mehrerlei: Zunächst einmal setzte sie als dritte Konferenz der sogenannten „Großen Drei“ einen Schlusspunkt für den Zweiten Weltkrieg, zumindest für den europäischen Schauplatz. Die Sieger verhandelten darüber, was mit den Besiegten geschehen sollte, und das waren in erster Linie die Deutschen.

Dabei taten sich unter den Siegermächten bereits große Unterschiede auf, die zunächst einmal eher zugunsten der einen Seite, nämlich der sowjetischen entschieden wurden, während die andere Seite, Amerikaner und Briten, aus unterschiedlichen Gründen eher zum Nachgeben bereit waren. Aber die harte Haltung der Sowjets führte mittelfristig auch zu einer Versteifung der Westmächte, die fortan – auch zum Glück für die Westdeutschen – stärker auf ihren Werten und Interessen beharrten. Insofern war Potsdam Ausgangspunkt für eine neue, bipolar-antagonistische Konstellation der Weltpolitik, für die bald die Bezeichnung „Kalter Krieg“ üblich wurde.

Dies lag eigentlich nicht im Interesse der Amerikaner und ihres Präsidenten. Das wird deutlich an einer gleichzeitigen Entwicklung fernab von Potsdam, der Gründung der Vereinten Nationen in San Francisco. Sie zeigte, dass die amerikanische Führung unter Harry Truman das große Projekt des früheren Präsidenten Woodrow Wilson wiederaufnehmen und eine weltpolitische Führungsrolle übernehmen wollte. Ursprünglich war gedacht, dies in Abstimmung mit der anderen Weltmacht zu tun. Aber in Potsdam wurde erneut und nun unübersehbar deutlich, dass Stalin und die sowjetische Führung kein verlässlicher Partner waren, sondern brutal ihren Machtbereich ausdehnen und ihre menschenfeindliche Ideologie durchsetzen wollten, wenn sie nur die Möglichkeit dazu hatten.

Die Weichenstellungen von Potsdam und San Francisco gaben deshalb dem folgenden Kalten Krieg einen unübersehbar ambivalenten Charakter: Auf der einen Seite starke, auch ideologisch begründete Konfrontation und immer mehr Hochrüstung, auf der anderen Seite permanente Gespräche und Foren zur Lösung von (Teil-)Konflikten im Rahmen der UNO und später auch der KSZE. Anders als die Weltpolitik von 1914 und vor 1939 kannte der Kalte Krieg eben auch institutionalisierte Foren der Konfliktvermeidung und wurde wohl auch deshalb nicht zum „Heißen Krieg“. Das schloss Regionalkriege an der Peripherie nicht aus, aber bescherte Europa und der nördlichen Hemisphäre einen ungeahnten Wohlstandsschub, zumindest soweit die strukturellen Voraussetzungen mit Marktwirtschaft und offenen Grenzen dafür vorhanden waren, also in Westeuropa diesseits des Eisernen Vorhangs, der ja – ich darf daran erinnern – wenige Meter von hier verlief.

 

Hiroshima
Luftbild der zerstörten japanischen Industriestadt Hiroshima nach dem Abwurf der Atombombe. © picture-alliance / dpa | AFP

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir gedenken heute jenes anderen Ereignisses, das sich zum 75. Mal jährt: des ersten militärischen Einsatzes einer Atombombe. Es ist immer wieder behauptet worden, dass der Befehl dafür hier in Potsdam gegeben wurde. Nach allem, was wir wissen, ist das so nicht der Fall gewesen und stand die konditionierte Entscheidung bereits fest, ehe der amerikanische Präsident in Potsdam ankam: Wenn die Japaner nicht bedingungslos kapitulierten, dann würde man die neuartige Waffe einsetzen, um den Krieg auch in Ostasien zu beenden. Als während der Potsdamer Konferenz dann klar wurde, dass die japanische Führung dazu nicht bereit war, erfolgte quasi automatisch der Angriff mit der Atombombe, allerdings erst nach Trumans Abreise. Aber das sind historische Details: Fest steht, dass dieser Ort, die Truman Villa, sachlich und zeitlich eng verknüpft ist mit dem Einsatz der Atombombe.

Es ist viel diskutiert worden, warum die USA diesen Schritt taten: um die eigenen Verluste bei einer Invasion des japanischen Hauptlandes zu minimieren, oder um Stalin zu beeindrucken und zu warnen. Beides sind auch im Rückblick legitime Ziele, das Letztere sicherlich nicht nur in amerikanischer, sondern auch in weltgeschichtlicher Sicht. Denn bei einem anderen Verhalten der Amerikaner, insbesondere einem Rückzug aus der Weltpolitik wie 1919, hätte Stalin mit seiner brutalen und unmenschlichen Herrschaft in ganz Europa freie Bahn gehabt. So blieb es bei der Teilung unseres Kontinents, die erst nach Zusammenbruch der sowjetischen Herrschaft nach 1989 überwunden werden konnte.

Aber klar ist: Der amerikanische Schritt vom August 1945 hat fürchterliches Leid und den Tod sowie die chronische Krankheit vieler unschuldiger Menschen mit sich gebracht. 100.000 Menschen kamen zu Tode, 130.000 Menschen erlitten Verletzungen, an denen sie später starben. Die allermeisten davon waren Zivilisten. An dieses Leid Unschuldiger gilt es immer wieder zu erinnern. Es ist deshalb richtig und angemessen, dass der Platz vor der Stiftungszentrale „Hiroshima-Platz“ heißt – in Erinnerung an dieses Leid. Wir verneigen uns auch heute vor den Opfern.

Potsdamer Konferenz
Teilnehmende Staaten an der Potsdamer Konferenz waren die Sowjetunion, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten. Die drei Mächte wurden durch Joseph Stalin, Harry Truman und Winston Churchill (v.r.n.l) repräsentiert. © picture alliance / CPA Media Co. Ltd | -

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Atombomben-Abwürfe markieren eine Zäsur, auch was die Erfahrung der Menschheit mit atomarer Vernichtung betrifft. Diese erwies sich als so gewaltig, dass niemand in der Zukunft es mehr wagte, daran zu zweifeln. Vom Anfang des Kalten Krieges an war jedem Politiker klar, welch verheerende Wirkungen diese Waffe entfaltete. Dies hat vermutlich die Hemmschwelle hochgesetzt, sie nochmals militärisch zu verwenden. Das Vorhandensein von Atomwaffen sorgte deshalb für Abschreckung. Man kann darüber streiten, aber manches spricht dafür, dass dies mit dazu beitrug, dass der Kalte Krieg kalt blieb und schließlich aus deutscher und europäischer Sicht einen glücklichen Ausgang genommen hat.

Will man daraus aus liberaler Sicht eine allgemeine Lehre ziehen, so lautet sie: Militärische Rüstung ist nicht per se schlecht, wenn sie der Selbstverteidigung dient. Allerdings muss ihre Auswirkung immer sehr genau betrachtet werden und darf sie niemals leichtfertig eingesetzt werden. Dieser Grundsatz lag übrigens auch dem mit liberaler Beteiligung zustande gekommen NATO-Doppelbeschluss zugrunde, der ja dann in den Achtzigerjahren maßgeblich zur Abrüstung beitrug.

In Potsdam ist 1945 eine schreckliche Epoche der Weltgeschichte beendet und eine bessere begonnen worden. Dass es eine bessere war, ist eigentlich erst im Rückblick klar und blieb vielen Zeitgenossen verborgen. Insbesondere viele Vertriebene und die meisten Menschen im sowjetischen Machtbereich verbanden mit Potsdam keine positiven Gefühle. Insofern sind historische Urteile immer ambivalent und perspektivenabhängig. Aber wir in Mitteleuropa können heute zweifellos feststellen, dass Potsdam und San Francisco 1945 auf Dauer gesehen eine Wende zum Besseren einleiteten. Der Weg dahin war uneben und wendungsreich, aber wir können als Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zugleich mit etwas Stolz feststellen, dass Liberale wie Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher mit dafür gesorgt haben, dass sich diese weltgeschichtliche Wende zum Besseren schließlich eingestellt hat. Bei allen Problemen, die wir sicherheitspolitisch in der Welt haben, gilt es nicht zu vergessen, dass es diese Wende zum Besseren mit dem Ende des Kalten Krieges gegeben hat. Sie brachte für viele Menschen jene Freiheit, die sie hinter dem Eisernen Vorhang 40 Jahre lang vermisst haben.


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Friedensdenkmal in Hiroshima

Als am 6. August 1945 um 8.15 Uhr Ortszeit die US-Luftwaffe die Atombombe „Little Boy“ abwirft, wird die südjapanische Stadt Hiroshima dem Erdboden gleichgemacht. Der Einsatz der ersten Atombomben stellte eine Revolution in der Kriegsführung dar. Dass Hiroshima und Nagasaki bis heute die einzigen Orte geblieben sind, an denen Kernwaffen zum Einsatz kamen, verdanken wir vor allem dem Atomwaffensperrvertrag.

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