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Heimat
Streit um Heimat – Perspektiven eines liberalen Patriotismus

Heimat

Linda Teuteberg diskutiert mit Reinhard Mohr und Thea Dorn über Heimat.

© Detlev Schilke / Friedrich-Naumann-Stiftung

Ein schweres Thema, ein außerordentlich heißer Tag, und trotzdem eine sehr gut besuchte Veranstaltung: Die von den Veranstaltungsplanern im Länderbüro Berlin-Brandenburg aufgeworfene Fragestellung rund um die Begriffe Heimat, Vaterland, Volk, Nation, Leitkultur oder Patriotismus bewegt offensichtlich die Menschen. 

Sind „Heimat“, „Patriot“ oder „Vaterland“ Begriffe aus der politischen Rechten? Haben „Linke“ Berührungsängste damit? Kann man, zum Beispiel als Liberaler, heute unbefangen deutscher Patriot sein? Schon in der Eröffnung streute Martin Fischer, der regionale Repräsentant der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Potsdam, Zweifel an einer ideologischen Verortung der Begriffe: Geschickt zitierte er aus der Hymne der DDR, in der die Worte „Deutschland“, „Vaterland“ und „Volk“ gleich mehrfach genannt wurden.

Thea Dorn, bekannte Schriftstellerin und Publizistin, hat darüber ein höchst interessantes Buch geschrieben: „Deutsch, nicht dumpf. Ein Leitfaden für aufgeklärte Patrioten“. Zwei Auffassungen zur Heimat, so stellte sie es in ihrem Vortrag dar, prallen derzeit aufeinander und prägen die Haltungen. Die einen, so Dorn, seien eben „Tiefwurzler“ – also diejenigen, die sich in der Heimat fest verwachsen fühlen und ihr Sein nach diesem Gefühl ausrichten, von Friedrich Nietzsche als „Schollenkleber“ bezeichnet. Und die anderen seien „Flachwurzler“, also diejenigen, die bei allem fortdauernden Bezug zur Region und zum Lebensgefühl von Kindheit und Heranwachsen örtlich wie emotional veränderungsbereit und mobil seien.

Heimatbegriff gegenüber offener

Interessant ist auch der emotional-intellektuelle Aspekt, den Thea Dorn schilderte, um ihre Meinung zu unterfüttern: Sie selbst sei nach einem längeren USA-Aufenthalt vor einigen Jahren dem Heimatbegriff gegenüber offener geworden: Nach der Rückkehr habe sie sich, zum eigenen Erstaunen, zum ersten Mal „deutsch“ gefühlt. Und von dieser Position aus habe sie sich das Ziel gesetzt, die bestehende Polarisierung der Meinungen mit einer Position der Mitte aufzulösen. In ihrem Buch schreibt sie, ihr „Bekenntnis zur Nation“ stehe „nicht in einem völkisch-ethnischen, sondern in einem verfassungsrechtlichen, sozialsolidarischen und kulturellen Sinn“. „Heimat“ als anderes Wort für „kulturelle Identität“ sei für sie Grundlage des angestrebten „Weltbürgertums“.

Heimat – da schließe sie sich der Meinung der Fernsehjournalistin Dunya Hayali an – gibt es im Plural. Wahlheimat ist möglich. Das wirft natürlich Fragen auf, die auch Thea Dorn nicht nur nicht verschwieg, sondern direkt ansprach: Was ist, vor allem angesichts der derzeitigen weltweiten Wanderungsbewegungen, mit den von Jean Améry beschriebenen extremen Traumatisierungen durch Heimatverlust? Wie passt es zusammen, wenn die einen versuchen, möglichst viel von der Heimat mitzunehmen, während die anderen keine Veränderung ihrer Heimat auf diesem Wege möchten? Wenn das Herder Zitat stimme: Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muss – wie lasse es sich erfassen, wenn diese „Heimat“ sich, wie andere gesellschaftliche Systeme auch, verändert? 

Begriff „Heimat“ zu toxisch?

Völlig zu Recht wies in der nachfolgenden Diskussion Linda Teuteberg, FDP-Generalsekretärin und Mitglied im Bundestagsausschuss für Inneres und Heimat, auf eine wichtige Unterscheidung hin:  Regionale Heimat ist das Eine – kulturelle Heimat ist das Andere. 

Warum denn dann, fragte Reinhard Mohr, Journalist und Autor und an diesem Abend Moderator der Diskussion, sei das Wort „Heimat“ so toxisch für Linke? Und machten wir es uns nicht nur zu schwer mit dem Begriff von Heimat als Gefühl?

Über die Antwort von Linda Teuteberg: dass man das Gefühl von Heimat ernst nehmen solle, weil es oft auch mit Verlust und Neuorientierung zu tun habe, denn nicht allein die regionale Herkunft mache den Menschen aus, kam man in der Runde recht schnell zu einem Schwerpunkt des Gesprächs. Für sie sei Heimat keine Frage von „Blut und Boden“ – aber im kulturellen Bereich, so Thea Dorn, sei die Definition von Heimat viel schwieriger, denn es gehe darum, wie die Bedingungen sein müssten, um erfolgreich in einer neuen Heimat ankommen zu können. Also kurz: Wie viel Assimilation ist notwendig? Juristin Teuteberg stellte klar: Auch mit „einem wunderbaren Verfassungstext“ sei nicht garantiert, dass alle sich an die Regeln halten – die Lebensverhältnisse im Rahmen der Integration würden schließlich nicht rechtlich oder staatlich geregelt, sondern in der gesellschaftlichen Diskussion. Genau hier setzte Mohr an: Sei nicht die Gefahr, dass „wir uns mit den Diskussionen über Heimat kleiner machen, als wir sind?“ Denn schließlich kämen die Menschen ja zu uns, weil das Land eben so ist, wie es ist…

Diskussion muss umfangreicher werden

Die entscheidende Frage war es für Thea Dorn allerdings eher, was diejenigen falsch machen, die Begriffe wie Heimat, Patriotismus und ähnliches rigoros ablehnen. Hier kam sie zurück auf die „Flachwurzler“ und „Tiefwurzler“, oder eben eher regional und eher kosmopolitisch ausgerichtete Menschen. Es gebe, so Dorn, einen Radius der Verantwortung: „Was weiter weg ist, ist nicht in meiner Verantwortung“, sagten die einen, während die anderen die Wichtigkeit globaler Themen oftmals stärker betonten. Sie fand Unterstützung bei Linda Teuteberg, die sagte, dass politische Probleme in der Tat oft eher lokal oder regional beurteilt würden und dabei „Grautöne“ immer seltener zu sehen seien. Stimmt, sagte Thea Dorn dazu: Derzeit würden wohl eher die „Lautsprecher“ gewählt als die rational Argumentierenden.

Wäre die gesellschaftliche Diskussion um Heimat (und Zuwanderung) auch etwas unverkrampfter möglich, fragte Reinhard Mohr zum Schluss. Wichtig sei, so Teuteberg, darzustellen, was gut ist im Land und auch, warum eben andere Menschen das gut und erstrebenswert für sich finden. Das oft als Beispiel für unverkrampften Patriotismus gehandelte „Sommermärchen“ bei der Fußball- Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland halte sie allerdings für eher irrational – aber vielleicht gerade daraus unverkrampft. Wichtig, wiederholte Thea Dorn als Schlusswort, sei die rationale Diskussion, Grautöne eben, auch in wissenschaftlichen Diskussionen. Es gebe Realität und Objektivität – daran müsse man glauben.

Eine gelungene Veranstaltung: Beste politische Bildung im Sinne des „Beutelsbacher Konsenses“, den Stiftungsvertreter Fischer schon in seiner Eröffnung dargestellt hatte: ein offener Diskurs der Meinungen, fundiert und breit gefächert, auch „andere“ Meinungen fair darstellend und ohne den Zuhörern Ideologien oder Meinungen aufzuzwingen.