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Todestag
Hans von Dohnanyi – Der eigentliche „Kopf“ des Widerstandes

Vor 75 Jahren wurde Hans von Dohnanyi ermordet
Die Büste des 1945 im KZ Sachsenhausen zum Tode verurteilten und gehängten Widerstandskämpfers, Hans von Dohnany, steht in der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität Unter den Linden und stammt vom Bildhauer Bertrand Freiesleben.
Die Büste des 1945 im KZ Sachsenhausen zum Tode verurteilten und gehängten Widerstandskämpfers, Hans von Dohnany, steht in der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität Unter den Linden und stammt vom Bildhauer Bertrand Freiesleben. © dpa

Als das schändliche Todesurteil, vermutlich am Morgen des  9. April 1945 im KZ Sachsenhausen an Hans von Dohnanyi, vollstreckt wurde, fiel kurz vor dem Ende des vermeintlich tausendjährigen  „Dritten Reiches“ eine Zentralgestalt des bürgerlichen Widerstandes den NS-Schergen zum Opfer. Seine Schlüsselrolle wurde später lange verkannt bzw. von anderen, wie seinem Schulfreund und Schwager Dietrich Bonhoeffer, verdeckt. Dabei hat wohl kaum jemand so ausdauernd und umfassend Widerstand gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime geleistet wie der in Wien geborene Jurist mit ungarischem Vater. Anfang 1929 hatte ihn der linksliberale Minister Erich Koch-Weser ins Reichsjustizministerium geholt, wo er schnell zum Leiter des Ministerbüros aufstieg. Als Beobachter des Prozesses gegen den vermeintlichen Reichstagsbrandstifter erlebte von Dohnanyi schon 1933 die skrupellose Rechtsbeugung durch die Nationalsozialisten. Seitdem führte er ein geheimes Tagebuch über die Verbrechen des Regimes, über die er aufgrund seiner Position wie nur wenige andere außerhalb des engsten Machtzirkels Bescheid wusste und die eines Tages juristisch aufgearbeitet werden sollten. Schon vor dem Weltkrieg nahm er Kontakt zu Widerstandskreisen im Militär auf, deren Putschversuch aber 1938 unterblieb.

Im Herbst 1939 zu einer Nachrichtendienst-Abteilung der Wehrmacht eingezogen, stießen Hans von Dohnanyi – und später auch Dietrich Bonhoeffer – zu einem Kreis von fest entschlossenen Offizieren um Wilhelm Canaris und Hans Oster, mit denen zusammen er aktiv Widerstand betreiben konnte. In der Folgezeit gingen von diesem Kreis verschiedene Versuche aus, einen Umsturz herbeizuführen oder zumindest das NS-Regime nachhaltig zu schädigen, etwa durch Sabotage des Westfeldzuges 1940 oder einen Attentatsversuch auf Hitler im März 1943. Hans von Dohnanyi hatte dafür den Sprengstoff besorgt. Die am genauesten geplanten Versuche aus eigener Kraft eine Wende herbeizuführen, scheiterten jeweils an technischen Kleinigkeiten. Doch gelang es, einige hochgefährdete jüdische Mitbürger in die sichere Schweiz zu schmuggeln.

Die Attentäter vom 20. Juli setzten fort, was der Kreis um Dohnanyi vorbereitet hatte; vorher hatte es zwischen einen intensiven Austausch mit Karl Friedrich Goerdeler gegeben. Am Attentat selbst war Hans von Dohnanyi nicht beteiligt, da er, seine Frau und sein Schwager bereits im April 1943 wegen Unachtsamkeiten eines Mitwisser verhaftet worden waren. Doch den Nationalsozialisten blieb zunächst das ganze Ausmaß der „Verschwörung“ gegen das Regime im „Abwehr-Amt“ von Canaris verborgen.

Das änderte sich jedoch nach dem gescheiterten Stauffenberg-Attentat, als die Gestapo Dohnanyis Dokumentation fand. Das Auftauchen weiterer belastender Materialien führte dann auf den Tag zwei Jahre nach der Verhaftung Dohnanyis zum Befehl aus Berlin, den Kreis um Canaris und ihn zu „vernichten“. Willfährige NS-Juristen führten zwischen dem 6. und 8. April 1945 gegen Dohnanyi im KZ-Sachsenhausen und gegen Canaris, Bonhoeffer und andere im KZ-Flossenbürg „Standgerichts-Verfahren“ durch, die nicht einmal den damals geltenden Vorschriften entsprachen und deren Urteil von vornherein feststand. Wahrscheinlich am selben Tag – im Fall von Dohnanyi möglicherweise auch schon tags zuvor – fielen er, Bonhoeffer, Canaris, Oster, aber auch Hans Elser, Attentäter des Bürgerbräukellers, den Henkern zum Opfer. Der 9. April ist mithin ein wichtiges Erinnerungs-Datum für den Kampf gegen den Nationalsozialismus.

Nicht verschwiegen werden darf, dass das Ganze aus juristischer Perspektive ein trauriges Nachspiel hatte. Als in den 1950er Jahren die Mitglieder jener Standgerichte rechtlich belangt wurden, bescheinigte ihnen ausgerechnet der Bundesgerichtshof, dass sie durchaus angemessen und im Einklang mit der gültigen Rechtslage gehandelt hätten. Damit wurden ihre Urteile im Nachhinein sanktioniert, und die Widerstandskämpfer ihrerseits ins Unrecht gesetzt. Erst 1998 beschloss der Deutsche Bundestag, dass alle Urteile solcher NS-Standgerichte, aber auch des Volksgerichtshofes prinzipiell als Unrecht anzusehen seien.

Wer sich, der Freiheit verpflichtet, dem nationalsozialistischen Regime widersetzte, riskierte sein Leben, etliche verloren es. Bei Hans von Dohnanyi war es nach eigenen Worten nicht die Politik, sondern der „Anstand“, der ihn schon sehr früh zum erbitterten Gegner der NS-Herrschaft werden ließ. Er zeigt, dass es auch auf bürgerlich-liberaler Grundlage viele Ansatzpunkte und Möglichkeiten zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus gab. Sein Andenken als einer der zentralen Persönlichkeiten im Kampf gegen den NS-Unrechtsstaat sollte deshalb gerade unter Liberalen hochgehalten werden.