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Handelsabkommen USA-Mexiko
Eine Gleichung mit vielen Unbekannten

Handelsabkommen zwischen USA und Mexiko
Abkommen

Eine Einigung wurde erzielt - doch in Kraft ist das neue Abkommen damit noch lange nicht

© GettyImages/Zerbor

Schon zu Wahlkampfzeiten hatte Donald Trump das nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) als den „schlechtesten Deal aller Zeiten“ beschrieben. Das Handelsabkommen sei verantwortlich für die Verlagerung von Arbeitsplätzen und Produktionsstandorten aus den USA nach Mexiko. Der Vertrag müsse neu ausgehandelt werden, um bessere Konditionen für die USA zu erwirken. Als wir Anfang 2017 die Zukunft von NAFTA in den Blick nahmen, gab es viele Unbekannte. Anfang dieser Woche kam dann der vermeintliche Durchbruch: Die USA und Mexiko haben sich nach Angaben beider Länder auf ein neues Abkommen geeinigt. Doch Unbekannte gibt es in dieser Gleichung nach wie vor. Die größte davon heißt Kanada.

Die neue Handelsvereinbarung soll NAFTA, das bereits 1994 in Kraft trat, reformieren und modernisieren. Das Abkommen sei ein „sehr guter Deal für beide Seiten“, verkündete US-Präsident Trump. Der vollständige Text wurde bisher nicht veröffentlicht. Erste Informationen über das Abkommen liefern Pressemitteilungen und ein Faktenblatt auf der Webseite des US-Handelsbeauftragten Robert Lightizer. Einige Experten sprechen auch von einem NAFTA 2.0, denn es handelt sich nicht um einen neuen Vertrag, sondern vielmehr um eine Überarbeitung, bei der viele Regelungen des ursprünglichen NAFTA-Abkommens fortbestehen sollen.

Die neue Version soll die Automobilbranche in den USA und Mexiko ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen. Zukünftig sollen 75 Prozent – statt bisher 62,5 Prozent – der Fahrzeugteile in Mexiko und den USA angefertigt werden, damit sich ein Auto als „Made in North America“ qualifiziert und von der Zollbefreiung im NAFTA-Raum profitieren kann. Simon Lester vom CATO Institute kritisiert, dass diese Neuerung den Freihandel beschneide, denn so würden sich weniger Autos als zuvor für den zollfreien Handel qualifizieren.

Auch für Mexiko könnte diese Regelung negative Auswirkungen haben, da laut dem US-Handelsbeauftragten unter dem neuen Abkommen große Teile der Autoproduktion in die USA verlagert werden. Damit will Präsident Trump sein Wahlversprechen einlösen und Industriearbeitsplätze zurück in die USA holen. Von diesen Änderungen erhofft sich Trump insbesondere im Vorlauf zu den Zwischenwahlen in den hart umkämpften „Swing-States“ Stimmengewinne.

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Diese Verlagerung wird die mexikanische Autoindustrie, die einen Großteil ihrer Produktion in die USA exportiert, aller Voraussicht nach schwächen. Ein Rückgang der Produktion in Mexiko könnte daher sowohl wirtschaftliche Verluste als auch Konsequenzen für den mexikanischen Arbeitsmarkt nach sich ziehen.

Zusätzlich wird diese Verlagerung der Produktion auch auf dem Rücken der Allgemeinbevölkerung ausgetragen, da sie die Kosten der dadurch steigenden Automobilpreise tragen muss.

Im Rahmen des Abkommens sollen außerdem 40 bis 45 Prozent der Autoteile von Arbeitern hergestellt werden, die mindestens 16 Dollar pro Stunde verdienen. Für die USA ändert sich dadurch wenig, denn der durchschnittliche Stundenlohn in der Autoindustrie liegt dort bereits bei über 22 Dollar pro Stunde. In Mexiko beträgt der Durchschnittslohn hingegen nur rund 2,40 Dollar und liegt damit weit unter der Zielvereinbarung. Daher ist es nicht nur fraglich, ob diese Klausel in Mexiko überhaupt umgesetzt werden kann, sondern auch wahrscheinlich, dass die mexikanische Seite dadurch benachteiligt wird.

Weitere Reformen betreffen die Digitalwirtschaft: Der Schutz des geistigen Eigentums soll gestärkt und Regulierungen für den Finanzdienstleistungsmarkt abgebaut werden.

Außerdem einigten sich die USA und Mexiko auf die Streichung der vorher von der Trump-Administration eingebrachten „sunset clause“, die ein automatisches Auslaufen des Abkommens zur Konsequenz gehabt hätte. Stattdessen soll die Vereinbarung alle sechs Jahre überprüft werden. Sollten dann alle Vertragsparteien mit dem Abkommen einverstanden sein, verlängert sich die Laufzeit um 16 Jahre. Dieser längere Zeithorizont soll Investoren und Unternehmen längerfristige Sicherheit geben und die Kreditwürdigkeit Mexikos stabilisieren.

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Für eine umfangreiche Einschätzung der Auswirkungen des neuen Abkommens auf die mexikanische Wirtschaft ist es Beobachtern von Kreditagenturen zu Folge aber noch zu früh. Konsequenzen werden sich aus der Verteilung von Investitionen in mexikanische Kernsektoren ergeben, die aber erst nach einer Einigung zwischen den USA und Kanada absehbar sind.

Kanada unter Druck

Nachdem der Handelsstreit zwischen Kanada und den USA in diesem Sommer seinen Höhepunkt erreichte, entschied sich Washington zunächst dazu, nur mit Mexiko bilaterale Gespräche über die Zukunft des Abkommens aufzunehmen. Noch vor Ende der Amtszeit des mexikanischen Präsidenten Nieto im Dezember wolle man den Deal vollziehen. Mit dem Abschluss der Verhandlungen zwischen Mexiko und den USA am Montag wächst der Druck auf die Kanadier. Bisher sind sie standhaft geblieben und betonten, dass sie sich keinem Abkommen anschließen würden, dass ihren Arbeitnehmern und Unternehmen schade. „Wir werden nur ein neues NAFTA unterschreiben, das gut für Kanada und unsere gesellschaftliche Mitte ist“, signalisierte die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland, die sich derzeit zu Gesprächen in Washington aufhält. Dennoch zeigt sich Freeland optimistisch, dass es bis zur Frist an diesem Freitag zu einer Einigung kommen wird. Für Kanada und die Weltwirtschaft steht viel auf dem Spiel. Gerade die globale Autoindustrie, die von der eng verknüpften Wertschöpfungskette im NAFTA-Raum profitiert, würde unter dem Ausschluss von Kanada leiden. „Es ist zwingend notwendig, dass ein trilaterales Abkommen unterzeichnet wird“, mahnt daher Jay Timmons, der Vorsitzende der National Association of Manufacturers.

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Trotz der optimistischen Töne Freelands dürften sich die Verhandlungen zwischen den USA und Kanada als knifflig erweisen. Unter anderem könnte Kanadas stark regulierte Milch- und Geflügelwirtschaft zu einem Knackpunkt werden. Die USA wünschen sich eine Deregulierung und besseren Zugang zu diesen Wirtschaftszweigen, doch der kanadische Premierminister Justin Trudeau möchte die Milchindustrie weiterhin schützen. Dieser Versuch, die kanadische Industrie zu schützen, könnte dem freien Handel im Weg stehen und die Gruppen der Milch- und Geflügelproduzenten auf Kosten der Konsumenten in beiden Ländern bevorzugen.

Legislative Hürden im U.S.-Kongress

Während sich Trump für seinen vermeintlichen Durchbruch feiert, zeigt sich seine Administration zurückhaltender. Es handele sich um ein vorläufiges Abkommen, kein Endprodukt, denn über die Vereinbarung muss erst noch im Kongress abgestimmt werden. Und hier kommt wieder Kanada ins Spiel, denn das Abstimmungsergebnis hängt stark davon ab, ob eine Einigung erzielt werden kann. Viele Abgeordnete haben bereits signalisiert, dass sie ein Abkommen nur annehmen werden, wenn Kanada mit an Bord ist. „Es wäre sehr kurzsichtig, ein Abkommen nur mit Mexiko abzuschließen“, vermerkte der republikanische Senator Jerry Moran aus Kansas.

Hinzu kommt, dass der Präsident mit seinem „Trade Promotion Authority“ oder auch „Fast Track“ genannten Mandat zwar das Recht hat, Handelsabkommen auszuhandeln und dem Kongress zur „up-and-down“-Abstimmung (der Kongress kann nur noch mit Ja oder Nein stimmen, darf aber keine Änderungsanträge hinzufügen) vorzulegen. Allerdings kann er damit keine bilateralen Abkommen abschließen. „Um „fast track“ anwenden zu können, muss Kanada miteinbezogen werden. Ein bilaterales Abkommen qualifiziert sich nicht für dieses Mandat“, warnt der republikanische Senator Pat Toomey aus Pennsylvania

Bevor Trump also die Lorbeeren für die Erfüllung seines Wahlversprechens ernten kann, muss das reformierte Abkommen noch einige Hürden nehmen. Der US-Handelsbeauftragte Lighthizer zeigte sich aber hoffnungsvoll, dass eine Einigung bis zur First am Freitag erzielt werden kann. Sollte das nicht gelingen, kann sich der ganze Prozess noch bis ins nächste Jahr ziehen. Und mit dem Ausgang der US-Zwischenwahlen im November käme eine weitere Unbekannte ins Spiel. Sollten die Republikaner bei den Wahlen schlecht abschneiden, könnten sich einige von ihnen von Trump abwenden und gegen ein Abkommen stimmen, das mit der republikanischen Handelspolitik in einigen Punkten nicht auf Linie ist. Währendessen hofft der Handelsbeauftragte Lighthizer, dass die strengeren Vorschriften im Arbeitsrecht die Demokraten vom neuen Abkommen überzeugen werden. Allerding kann man die Demokraten, die sich bisher öffentlich zum USA-Mexiko Abkommen geäußert haben, an einer Hand abzählen. Richard Trumka, Vorsitzender von AFL-CIO, dem mitgliederstärksten Gewerkschafts-Dachverband der USA und Kanada, gibt dem neuen Abkommen gute Noten und ist optimistisch, dass die Interessen der Arbeitnehmer unter NAFTA 2.0 besser berücksichtigt werden als vorher.

Gleichzeitig sollte aber auch bedacht werden, dass das neue Abkommen in seiner jetzigen Form die Interessen einiger Gruppen – wie Arbeitnehmern und der Automobilproduktion – über die Interessen der Allgemeinbevölkerung stellt. Um einen möglichst freien Handel zwischen den drei Ländern zu garantieren, ist es außerdem unverzichtbar, Kanada in das neue Abkommen miteinzuschließen.

Iris Froeba, Policy Analyst und Media Officer, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Unter Mitarbeit von Valeria Roiz, Praktikantin im Regionalbüro Mexiko.