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Wahl in Griechenland: Das altbekannte Muster

Europa-Experte Markus Kaiser analysiert die Situation in Griechenland vor der Wahl
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Der Wahlkampf in Griechenland ist im vollen Gange.

© picture alliance/Socrates Baltagiannis/dpa

Am Sonntag wählen die Griechen ihr neues Parlament. Programmatisch aufgestellte Parteien haben kaum Chancen, da die Griechen auch nach zehn Jahren Krise nach demselben Muster wählen, analysiert Europa-Experte Markus Kaiser die Situation vor der Wahl.

 

Die Griechen wählen am kommenden Sonntag ein neues Parlament. Warum wurden die Wahlen vorgezogen und wie ist die derzeitige politische Ausgangslage? 

Vorgezogene Neuwahlen sind in Griechenland nichts Ungewöhnliches, insbesondere wenn es sich, wie in diesem Fall, lediglich um ein paar Monate handelt. Auch wenn die linke SYRIZA-Regierung für ein moderates Wirtschaftswachstum gesorgt hat, so ist dieser Aufschwung nicht bei den Menschen angekommen. Daher gibt es schon seit längerem eine diffuse Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die mit der Entscheidung von Premierminister Alexis Tsipras, den Konflikt mit dem nördlichen Nachbarn Mazedonien beizulegen, ganz konkret wurde.

Auch wenn die Lösung des Konfliktes Griechenland wertvolle Möglichkeiten der Einflussnahme auf dem Balkan eröffnet, fühlten sich viele Griechen von ihrer Regierung verraten. Dabei hat auch die konservative Opposition um Kyriakos Mitsotakis Öl ins Feuer gegossen, anstatt weitsichtig zu handeln. In dieser Gemengelage kassierte SYRIZA eine krachende Niederlage bei der Europawahl, so dass Tsipras innenpolitischnichts anderes übrigblieb, als Neuwahlen auszurufen.

Welche Themen stehen bei diesem Wahlkampf im Vordergrund? 

Seit zehn Jahren dreht sich in Griechenland jede Wahl um Wirtschafts- und Haushaltsfragen. Damit verbunden ist die hohe Steuerbelastung für die Bürgerinnen und Bürger. Die oppositionelle „Nea Dimokratia“ argumentiert, dass das Wirtschaftswachstum auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung erwirtschaftet werde, während die Regierung argumentiert, die Opposition rede die wirtschaftlichen Erfolge klein und gefährde so die Position Griechenlands auf den internationalen Finanzmärkten. Das Paradoxe ist, dass beide Parteien wissen, dass sich politisch kaum etwas ändern ließe. Auch ohne laufendes Rettungsprogramm muss Griechenland die Vorgaben der Institutionen umsetzen und Zusagen gegenüber den europäischen Partnern einhalten. Die Spielräume sind da minimal.

Können schon erste Wahlprognosen gemacht werden und wie steht es um die liberalen Kräfte in Griechenland?

Bereits seit Monaten deutet alles auf einen Wahlsieg der konservativen Opposition hin. Mittlerweile scheint die einzige noch offene Frage zu sein, ob es auf eine Koalitions- oder eine Alleinregierung hinausläuft. Der wahrscheinliche Regierungswechsel folgt einem in Griechenland altbekannten Muster: Nach vier Jahren enttäuschter Hoffnungen in eine sozialistische Regierung sind nun wieder die Konservativen an der Reihe, Wohltaten zu verteilen. Sollten diese Pfründe dann irgendwann nicht mehr ausreichen, sind wieder die Sozialisten an der Reihe. Wirklich unterschiedliche Politikkonzepte sucht man vergeblich.

Leider wählen die Griechen auch nach zehn Jahren Krise weiterhin nach diesem Muster. Programmatisch aufgestellten Parteien werden kaum Chancen gegeben. Darunter leiden auch die Liberalen, die keine aussichtsreiche Partei ins Rennen schicken. Viele Liberale haben sich stattdessen der konservativen „Nea Dimokratia“ angeschlossen; das kann in einem Jahr aber schon wieder ganz anders aussehen. Ob das „pragmatisch“ oder „prinzipienlos“ ist, mag jeder für sich entscheiden.

 

Markus Kaiser ist Referatsleiter Europa der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.