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German Wahlkampf

So geht das… really!?
Elefantenrunde
Auf die amerikanischen Wahlkampfexperten wirkte die Elefantenrunde bizarr. © CC BY 2.0/ flickr.com Volksabstimmung

Die Amerikaner sind Weltmeister im Wahlkampf führen. Ständig befindet sich das Land im Wahlkampfmodus. Dabei werden schwindelerregende Summen aufgewendet, um das Spektakel perfekt zu inszenieren. Doch wie funktioniert der Wahlkampf in Deutschland? Dieser Frage ging eine Gruppe amerikanischer Wahlkampfexperten nach, die auf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit den Bundestagswahlkampf aus nächster Nähe beobachteten.

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Akribische Kalenderplanung

In Deutschland werden die Hauptbotschaften bereits Monate vor der Wahl formuliert. Auch die Wahlkampfveranstaltungen werden schon Wochen, ja sogar Monate zuvor terminiert. Ich bin hingegen daran gewöhnt, Veranstaltungen in weniger als 24 Stunden kurz vor Ende des Wahlkampfes auf die Beine zu stellen. In Deutschland läuft das anders. Für Amerikaner ist das wirklich faszinierend.

Im Vergleich zur deutschen Herangehensweise ähneln US-Wahlkampagnen eher verdeckten Operationen, bei denen vieles geheim gehalten wird. In den USA ist das von zentraler Bedeutung. Vertrauliche Informationen, wie z.B. die Reiserouten der Kandidaten, werden nur auf der höchsten Ebene des Wahlkampfteams geteilt. In Deutschland läuft das genau umgekehrt. Deshalb wirken die deutschen Kandidaten für den Wähler viel zugänglicher. Die Veranstaltungen, die wir in Deutschland besucht haben, erinnerten mich vielmehr an Auftritte, wie sie beispielsweise in Iowa im Rahmen von parteiinternen Vorwahlen organisiert werden – nicht aber an eine landesweite Kampagne.

Im Hinblick auf die Botschaften hat uns verwundert, dass die Parteien in Deutschland selbst keine Meinungsumfragen durchführen. Dafür gibt es viele Gründe, die uns von unseren Gesprächspartnern aufgezeigt wurden. Für uns ist es dennoch sehr verblüffend. In den USA würden wir niemals Millionen von Dollar ausgeben, um Botschaften zu verbreiten, von denen wir nicht wissen, ob diese Botschaften von den Wählerinnen und Wählern aufgenommen werden.

Viele Themen, lange Redezeiten

In den Gesprächen mit unseren deutschen Kollegen wurde uns bewusst, dass deutsche Parteien schlicht keinen Zugang zu Daten haben, mit denen feststellbar wäre, welche Botschaften beim Wähler ankommen. Deshalb setzen sie darauf, alle möglichen Themen anzusprechen – zumindest bei öffentlichen Auftritten hatte ich diesen Eindruck. Die Veranstaltungen, an denen wir teilgenommen haben, haben mindestens zwei Stunden oder noch länger gedauert. Auf einer der Veranstaltungen sagte der Kandidat nach einer Dreiviertelstunde plötzlich: „Ich habe sechs Themen, über die sprechen möchte.“ Und das tat er dann auch für mehr als eine Stunde. Und verblüffenderweise bleiben die Zuhörer auch tatsächlich bis zum Ende der Veranstaltung.

Was uns wirklich überraschte, ist die Tatsache, dass sich die angesprochenen Themen über Parteigrenzen hinweg sehr ähnelten. Daraus schließe ich, dass die großen Parteien – allen voran die CDU – versuchten, die Inhalte kleinerer Parteien zu vereinnahmen und so auch die Unterstützer dieser Parteien für sich zu gewinnen. Die Linke setzte sich mit ihren Themen ab. Genauso wie wir es schon in anderen Ländern beobachten konnten, richteten sich die Botschaften der extremen Rechten – gerade die der AfD – gegen Einwanderer, Flüchtlinge und die Islamisierung. Wir haben verstanden, dass ihr Ergebnis als drittstärkste Partei bundesweit und stärkste Kraft in Sachsen erhebliche Auswirkungen haben wird.

Es geht nicht nur ums Gewinnen oder Verlieren

Das parlamentarische Mehrparteiensystem in Deutschland macht die Politik und die Wahlkampagnen weitaus unvorhersehbarer, als es in den USA der Fall ist. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Koalitionsverhandlungen noch bevorstehen. Im politischen System Deutschlands geht es nicht allein ums Gewinnen und Verlieren, wie in den USA. Der zweite Platz, der an die SPD ging, kann als katastrophal eingestuft werden, während der vierte Platz für die FDP ein bedeutsamer Sieg ist.

Die Tatsache, dass es verschiedene Möglichkeiten für die Koalitionsbildung gibt, scheint für ein kollegialeres politisches Umfeld zu sorgen. Ich bin mir aber sicher, dass Politik in Deutschland dennoch knallhart und sogar boshaft sein kann, wie die Wahlwerbespots der AfD zeigen. Personenbezogene Anfeindungen mit dem Ziel, politische Karrieren zu zerstören – so wie wir es im US-Wahlkampf erlebt haben – gibt es in Deutschland in der Regel aber nicht.

Elefantenrunde in den USA?

Einige Facetten rund um die deutsche Bundestagswahl sind einfach bizarr für uns – wie beispielsweise die „Elefantenrunde“, bei der Kanzlerin Merkel gemeinsam mit ihren Konkurrenten nur zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale auftrat. Die Vorstellung, dass sich Donald Trump und Hillary Clinton um Mitternacht mit dem Journalisten Chuck Todd zusammensetzen, um den Wahlabend zu kommentieren, ist einfach abstrus.“

Brian Brokaw ist ein erfahrener Parteistratege, der prominenten Politakteuren schon oft zum Erfolg verholfen hat. Zuletzt leitete er die Kampagne „Proposition 64“, die erfolgreich für die Legalisierung des Marihuanakonsums in Kalifornien kämpfte. Davor war Brokaw Wahlkampfmanager von Senatorin Kamala Harris, die 2010 in Kalifornien für das Amt des „Attorney General“ kandidierte. Der Kalifornier ist seit Jahren aktives Mitglied des Netzwerkes des Transatlantischen Dialogprogramms (TAD) der Stiftung.