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Gaidar-Naumann-Forum
Innovation für die EU-Russland Beziehungen

Wie kann der Dialog zwischen Russland und der EU gestärkt werden?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auf dem Gaidar-Naumann-Forum
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auf dem Gaidar-Naumann-Forum © Thomas Köhler/Photothek

Das diesjährige Gaidar-Naumann-Forum stand unter dem Motto „Innovation für die EU-Russland-Beziehungen in einer sich verändernden Welt“. Welche Rolle spielen liberale Institutionen in dieser sich verändernden Weltordnung und welche Innovationen sind notwendig? Wie verändern zivilgesellschaftliche Bewegungen wie „Fridays for Future“ oder die oppositionellen Demonstrationen in Russland die Beziehungen zwischen Staat und Regierung? Und wie können neue Ansätze für die EU-Russland-Beziehungen konkret aussehen? Diese Fragen prägten die Diskussionen des Forums.

In ihren Eröffnungsworten betonte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, dass die „völkerrechtswidrige Krim-Annexion und der andauernde Krieg im Donbas“ nicht „ausgeblendet“ werden können und dürfen, es aber wichtig sei, nach Wegen zu suchen, um den Dialog zwischen Russland und der EU fortzuführen. Wie die Kooperation beim Gaidar-Naumann-Forum seit 2013 zeige „fangen wir hier ja auch nicht bei null an“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Gerade die Themenfelder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) könnten dazu dienen, Dialog in Bereichen von Wirtschaft über Wissenschaft bis hin zu Zivilgesellschaft wieder zu verstärken. „Die OSZE selbst muss mehr Gewicht bekommen und ein stärkerer Akteur in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik werden“, so Leutheusser-Schnarrenberger.  

Erosion der internationalen liberalen Weltordnung

Die Erosion der internationalen liberalen Weltordnung stand im Fokus des ersten Panels. Der ehemalige russische Wirtschaftsminister Andrej Netschaew, Vorstandsmitglied der Jegor-Gaidar-Stiftung, verlangte, dass „wir liberale Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit finden“ müssen, denn die Alleingänge vieler Staaten – von China über Russland bis hin zu den USA – griffen die internationale Ordnung an. Entsprechend postulierte Alexander Kulitz MdB, außenhandelspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, eine Wiederbelebung internationaler Institutionen sei unbedingt notwendig und müsse mit der Europäischen Union anfangen. Der ehemalige russische Menschenrechtsbeauftragte Michail Fedotow pflichtete bei, es gäbe keinen territorialen Grenzen, wenn man die Menschenrechte ins Zentrum des Denkens und Handelns stelle. Von der wirtschaftlichen Seite zeigte Prof. Alexander Knobel von der Russischen Akademie für Außenhandel, welchen wirtschaftlichen Schaden sowohl China, als auch die USA durch den Handelskrieg davontrügen. Der Unternehmer Ulf Schneider nahm die Diskussion zum Anlass, um eine verstärkte Kooperation zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion zu fordern, um somit entsprechend der Ideen der Welthandelsorganisation, die Grenzen für den Handel „niederzureißen“.    

Über den gesellschaftlichen Wandel

Die anschließende Diskussion beschäftigte sich mit der Frage des gesellschaftlichen Wandels, sowohl in Deutschland als auch in Russland. Julius von Freytag-Loringhoven, Projektleiter für Russland und Zentralasien der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, betonte, das Verhältnis von Gesellschaft und Staat befinde sich im Wandel. Diese Veränderung zeige sich insbesondere im ansteigenden zivilgesellschaftlichen Engagement in Russland, das trotz steigender Repressionen zu beobachten sei. Aber auch in Deutschland hätten „Fridays for Future“ auf der einen und Pegida auf der anderen Seite die Politik maßgeblich beeinflusst. Ralf Fücks, Gründer des Zentrums Liberale Moderne, hob hervor, mit Pegida „habe die Zivilgesellschaft ihre Unschuld verloren“, betonte aber zugleich, dass eben ein Prozess stattfinde, in dem Bürger sowohl in Russland, als auch in Deutschland ihr Recht auf Beteiligung einklagen würden. Der russische Journalist Maxim Trudoljubow beschrieb anhand des russischen Beispiels wie Staat und Gesellschaft ständig voneinander lernten, und diskutierte mögliche Konsequenzen des in Russland kürzlich in Kraft getretenen „Souveränes Internet-Gesetz“ für die Zivilgesellschaft. Alena Epifanova von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) wies darauf hin, dass jüngste Umfragen zeigten, wie schwer die Kommunikation zwischen Gesellschaft und Staat in Russland derzeit funktioniere.

Naumann-Forum
© Thomas Köhler/Photothek

Unter der Moderation der Journalistin Gesine Dornblüth, die als Korrespondentin des Deutschlandradios lange on Russland gearbeitet hatte, suchte die letzte Diskussion nach konkreten Ideen, Impulsen und Formaten, um die Beziehungen zwischen Russland und der EU zu erneuern. Dr. Annegret Bendiek von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) betonte, dass die Zukunft zwischen den Blöcken USA und China eine Annäherung zwischen Russland und der EU notwendig mache. Alexander Graf Lambsdorff MdB und stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, wandte ein, dass auch „Warschau und Riga" ein Recht auf Mitsprache bei der EU-Russland Politik hätten. Er beschrieb, dass die von ihm mit der Friedrich-Naumann-Stiftung gegründeten „Moscow Talks“ – Hintergrundgespräche unter Chatham House Regeln zu konkreten Themen – helfen unter Ausschluss der Öffentlichkeit einen konstruktiven Dialog zu führen und auch dann Probleme zu lösen, wenn auf großer diplomatischen Ebene primär der Monologe dominiere. Als Dr. Bendiek als Dialogfeld auch die Digitalisierung vorschlug, drückte Andrej Netschaew Pessimismus aus. Er warnte, dass in Hinblick auf neue Internetgesetze „in Russland bald das Internet abgeschaltet" werde - „Wie will man da über Digitalisierung diskutieren?“ fragte er.  Sergei Tereschenkov vom EU-Russia Civil Society Forum zeigte konkrete Gebiete auf, in denen man, auch in Kooperation mit der Friedrich-Naumann-Stiftung, neue Dialogformen, wie das EuropeLab, möglich gemacht habe. 

 

Die Suche nach Innovationen in den Beziehungen mit Russland geht also weiter. Kreativität und neue Ideen entstehen, wenn Individuen frei denken und diskutieren können. Die Verantwortung jedoch, aus den Ideen etwas zu machen oder gute Ideen weiter zu kommunizieren, liegt bei jedem Einzelnen. Schreiben Sie uns also bitte, wenn Sie selbst frische Ideen zur Weiterentwicklung der EU-Russland-Beziehungen haben.