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G20 in Japan
Wird Deutschland ein zweites Japan?

Osaka

Der G20 Gipfel findet in Osaka statt.

© picture alliance/Xinhua

So mancher von uns kann sich noch an die frühen Achtzigerjahre erinnern. Damals wurde Japan gefeiert und gefürchtet. Was für ein großartiges Wirtschaftswunderland: kräftiges Wachstum, massive Exporterfolge, dauerhafte Vollbeschäftigung und solide Finanzen! Alle grübelten über das Geheimnis des japanischen Modells von wirtschaftlicher Leistungskraft gepaart mit sozialem Konsens. Die USA, stets schnell bei der Hand mit Protektionismus, setzten unter Ronald Reagan Importbeschränkungen gegen japanische Autos durch. Die Angst ging um vor dem Industriegiganten aus Fernost.

Eine Dekade später war Schluss mit der Angst vor Japan. Das Land rutschte Anfang der Neunzigerjahre in eine dauerhafte Stagnation, von der es sich bis heute nicht erholt hat. Eine reife Industrienation mit hohem Lebensstandard begann, den Herbst seiner Entwicklung zu durchleiden: Investitionsschwäche selbst bei niedrigsten Zinsen, eine alternde und schrumpfende Bevölkerung, ein Mangel an Gründergeist und Start-up-Kultur – und dies alles bei weiterhin hohem Überschuss der Leistungsbilanz. Staat und Zentralbank begannen schließlich, massiv gegenzusteuern – in den vergangenen Jahren mit einer beispiellos expansiven Geld- und Fiskalpolitik– bisher mit äußerst mageren Ergebnissen.

Zugegeben, Geschichte wiederholt sich nicht. Aber es gibt doch schon erstaunliche Parallelen zwischen dem heutigen Deutschland und dem Japan vor gut 30 Jahren: schwache Investitionen bei niedrigsten Zinsen, riesige Überschüsse der Leistungsbilanz, schöne Exporterfolge, ausgeglichene Haushalte, niedrige Arbeitslosigkeit und eine alternde Bevölkerung. Vor allem die demografische Entwicklung bringt enorme Wachstumsrisiken: Zwischen 2020 und 2035 scheiden Millionen von Babyboomern aus dem Arbeitsmarkt aus, die bis dato größte und am besten ausgebildete Generation, die es je in der deutschen Geschichte gab. Das Rückgrat an Ingenieuren und Technikern droht zu brechen – und damit die Grundlage für die gerühmte mittelständische Innovationskraft unserer Wirtschaft. Was folgt, sind viel weniger junge Menschen – und dies bei einer überaus schwachen Gründerkultur, jedenfalls im Vergleich zu den USA oder Großbritannien (oder gar Israel).

Auch die Reaktion der Politik erinnert an Japan. Es herrschen Blindheit und Ratlosigkeit gegenüber den Herausforderungen. Japan verzichtete damals auf die Öffnung seines überregulierten Binnenmarkts und verschloss sich gegenüber Zuwanderung. Und es tat nichts zur Schaffung und Stärkung einer vibrierenden Gründerkultur. Im heutigen Deutschland wird zwar viel über die Zukunft geredet, aber fast nur noch mit Blick auf die Rettung vor dem globalen Klimawandel und die Sicherung der Renten für die ältere Generation. Das kann böse enden: in der säkularen Stagnation statt in einer nachhaltigen Dynamik. Eben wie in Japan. Muss es aber nicht, wenn die Politik den Ernst der Lage erkennt.

 

Karl-Heinz Paqué ist Vorsitzender des Vorstands der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.