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Freihandel
Kühl bleiben und langfristig planen

Europa muss Trump antworten: hart, aber konstruktiv
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Die USA und Europa sind im "Handelskrieg", so übertrieben martialisch das auch klingen mag

© iStock / Getty Images Plus / Getty Images / fermate

Wer sich aktuell rund um das Kapitol in Washington D. C. umhört, traut seinen Ohren nicht: Wo immer man Gespräche zum transatlantischen Verhältnis führt, gibt es einen warmen Regen von besorgten Beteuerungen, dass die Vereinigten Staaten und Europa "friends" und nicht "foes" sind, Freunde und nicht Feinde, und zwar gleichermaßen bei Demokraten wie bei Republikanern im Kongress.

So jüngst bei einer Delegationsreise von Liberalen in die amerikanische Hauptstadt, an der die FDP-Bundestagsabgeordneten Christian Lindner, Alexander Graf Lambsdorff und Michael Link sowie der stellv. FNF-Vorsitzende Karl-Heinz Paqué teilnahmen. Ähnliche Töne sind von deutscher Seite zu hören: Die Atlantik-Brücke hat gerade einen Appell publiziert, in dem sie zur Besinnung auf gemeinsame Werte von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat appelliert - und den transatlantischen Freihandel anmahnt. Karl-Heinz Paqué bewertet im Folgenden die neue unübersichtliche Lage.

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Merkwürdig: Es ist wenige Wochen her, dass Donald Trump Strafzölle auf Aluminium und Stahl aus Europa beschloss und die EU gezielt mit Vergeltung reagierte -  durch Strafzölle auf ausgewählte "Kultprodukte" aus den Tiefen der Trump-geneigten amerikanischen Provinz. Die USA und Europa sind im "Handelskrieg", so übertrieben martialisch das auch klingen mag. Und Trump droht mit weiteren Maßnahmen: Zöllen auf Autos. Die Lage ist ernst. Manche alarmierte Beobachter befürchten Schlimmeres als in der globalen Finanzkrise vor zehn Jahren.

Wie kann es weitergehen? Aus meiner Sicht gibt es drei Leitlinien, die zu beachten sind - für Europa und Deutschland, aber auch für den besorgten Teil Amerikas. In der Sprache der sportlichen Aufmunterung lauten sie:

  1. Stay cool!  
  2. Take Trump seriously!  
  3. Think long-term!

Zunächst also: gelassen bleiben. Dies gilt vor allem mit Blick auf Trumps Rhetorik, die sich mit beeindruckender Dynamik in immer neue Dimensionen der widersprüchlichen Unverschämtheit steigert. Man ist zunehmend geneigt, mit einem Seufzer festzustellen: Lassen wir ihn doch herumpoltern, so ist er eben, der ungezogene Junge, dem es einfach nicht gelingen will, den richtigen Ton zu treffen. Mag sein, dass dahinter eine ausgeklügelte Taktik steht, ein cleveres Einschüchtern der Verhandlungspartner. Vielleicht ist es aber auch ganz einfach Trumps Unfähigkeit, geduldig und klug umzuschalten vom groben Holzen an der Heimatfront auf die Feinarbeit des internationalen Auftritts. Eigentlich ist es auch egal. Am Ende des Tages zählt die Substanz, nicht der Stil.

Und da gilt: Trump ist ernst zu nehmen. Seine Forderungen werden nicht schon allein deshalb falsch, weil er sie allzu rustikal vorträgt und unsachlich begründet. Dies gilt vor allem für drei Kernpunkte: mehr Lastenteilung zwischen den USA und Europa in der Verteidigungspolitik; Korrektur des Überschusses in der deutschen Leistungsbilanz; und Reform der Welthandelsordnung. Was die ersten beiden Punkte betrifft, ist vor allem Deutschland gefragt. Wir müssen endlich mehr Verantwortung für unsere Sicherheit übernehmen, nicht zuletzt durch Aufstockung der Mittel für Außenpolitik und Bundeswehr, auch wenn die Fixierung auf die Zwei-Prozent-Marke als Anteil des BIP für Verteidigung allzu grobschlächtig ausfällt. Ein höheres Gesamtbudget für Zwecke der internationalen Verantwortung, wie es die FDP fordert, wäre da schon viel sinnvoller.

Analoges gilt für Deutschlands Leistungsbilanz: Ein riesiger Überschuss von 8 Prozent des BIP ist auf Dauer für niemanden gut, weder hierzulande noch in der Welt. Aber ihn zu senken kann natürlich nicht heißen, die deutschen Exporte ins Ausland mit Handelshindernissen klein zu halten, so wie es Trump will. Stattdessen sollte die Bundesregierung die öffentlichen Investitionen erhöhen, etwa in Bildung und Infrastruktur. Und vor allem sollte sie die Steuern senken, um die lahmenden privaten Investitionen zu stärken. Alles unerledigte politische Hausaufgaben!

Wir müssen endlich mehr Verantwortung für unsere Sicherheit übernehmen, nicht zuletzt durch Aufstockung der Mittel für Außenpolitik und Bundeswehr.

Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Paqué am Hauptsitz der Stiftung in Potsdam
Kalr-Heinz Paqué

Der mit Abstand wichtigste Punkt, auf den Trump zielt, ist indes die Schwäche der Welthandelsordnung. Diese ist reformbedürftig. Dabei geht es insbesondere um den Kampf gegen den chinesischen Staatskapitalismus. Trump hat ganz Recht: das riesige China, immerhin seit 2001 Mitglied der WTO, schert sich kaum um deren Geist der Fairness. Ein gigantisches Programm der Industrie- und Technologiepolitik "Made in China 2025" sorgt für die massive Staatslenkung bei Handel und Direktinvestitionen; intellektuelle Eigentumsrechte werden im großen Stil bedenkenlos verletzt und missachtet; aufgekaufte ausländische Unternehmen dienen als ausbeutbare Quelle des technologischen Wissens, ohne dass im umgekehrten Fall ein Zugriff auf chinesisches Know How gewährleistet wird - von Reziprozität keine Spur!

Es braucht deshalb dringend einer Reform der Welthandelsordnung - als Rezept für die Lösung der derzeitigen Spannungen. Die WTO ist veraltet. Sie passt nicht mehr in eine globale Arbeitsteilung, die China einschließt. Zur Reform bedarf es aber gerade einer festen und stabilen transatlantischen Allianz, um den nötigen Druck ausüben zu können. Nur so besteht eine realistische Chance, dass sich China allein schon wegen eigener Handelsinteressen bewegt. Leider führt Donald Trump aber derzeit im Welthandel einen Mehrfrontenkrieg, eben auch gegen Europa. Er muss lernen, dass Europa viel mehr gleichgerichtete Handelsinteressen hat, als er bisher zu erkennen scheint.

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Ist Donald Trump lernfähig? Wir wissen es nicht. Aber hier kommt für Europa und Deutschland die dritte Leitlinie ins Spiel: langfristig denken. Wenn überhaupt, so wird Donald Trump nur dann dazulernen, wenn er merkt, dass Europa kurz- und mittelfristig ein harter und opferbereiter Verhandlungspartner ist: konsequent in der Sache und konstruktiv in der Zusammenarbeit. Die derzeitige Strategie der Europäischen Union, entwickelt von der liberalen Handelskommissarin Cecilia Malmström, liefert genau dieses richtige Signal: Nadelstiche der Vergeltung für Trumps Zölle bei gleichzeitig offener Verhandlungstür für den Freihandel.

Wichtiger noch ist der erfolgreiche Abschluss von Freihandelsabkommen mit Drittländern - Südkorea, Kanada, Mexiko und in dieser Woche Japan. In absehbarer Zeit werden Australien und Neuseeland folgen, weitere Kandidaten stehen Schlange. Nach dem Motto: Die USA sind herzlich eingeladen mitzumachen, aber wenn nicht, dann geht Europa eben mit anderen, aber ohne die USA den Weg in Richtung globalen Freihandel. Dumm genug, dass Trump das pazifische Freihandelsabkommen TTP seines Vorgängers Obama aufgekündigt hat und damit in Ostasien das Feld derzeit China überlässt. Europa wird den gleichen Fehler nicht machen.