Fluggastdatengesetz
Pauschal verdächtig

Flugreisende werden durch das Fluggastdatengesetz pauschal verdächtig. Ein Kommentar von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
© picture alliance/Christian Charisius/dpa
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In Zeiten der Pandemie-bedingten Reisebeschränkungen fast vergessen: Flugreisende sind pauschal verdächtig! So sieht es jedenfalls das Fluggastdatengesetz, auf dessen Grundlage das Bundeskriminalamt (BKA) seit bald zwei Jahren die persönlichen Daten aller Menschen, die in Deutschland einen internationalen Flug antreten, analysiert und für fünf Jahre speichert.

Diese Datensätze enthalten sehr sensible Informationen wie etwa Geburtsdatum, Namen der Begleitpersonen, die verwendeten Zahlungsmittel sowie weitere nicht näher definierte Informationen. Das BKA will anhand dieser Daten nun mittels automatisierter Mustererkennung verdächtige Flugbewegungen erkennen. Wer Pech hat und die falsche Reiseroute nimmt oder neben der falschen Person im Flieger sitzt, könnte ins Visier der Polizei geraten.

Wie so oft müssen nun die Gerichte die Auswüchse des Überwachungsstaates zurückstutzen. Nachdem bereits eine Vorlage des Amtsgerichts Köln auf Initiative der Gesellschaft für die Freiheitsrechte den Europäischen Gerichtshof erreichte, schickte im Mai das Verwaltungsgericht Wiesbaden zwei Verfahren nach Luxemburg.

Die deutschen Richter haben erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Fluggastdatenspeicherung. Sie halten insbesondere den Umfang der Datensammlung sowie die Speicherfrist für unverhältnismäßig. Auch die Weitergabe an Drittstaaten und an das Bundesamt für Verfassungsschutz wird kritisiert. Sie sehen hier die europäischen Grundrechte verletzt, vor allem das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und den Schutz personenbezogener Daten.

Es wird also eng für die bereits als Rasterfahndung am Himmel bezeichnete Fluggastdatenspeicherung. Bleiben die europäischen Richter bei ihrer kritischen Haltung gegenüber derartigen Formen der Vorratsdatenspeicherung, so werden sie die zugrunde liegende EU-Richtlinie für rechtswidrig erklären. Es wäre ein weiteres wichtiges Urteil im Kampf gegen die anlasslose Massenüberwachung.

Dieser Artikel erschien erstmals am 2. Juni 2020 im Handelsblatt.