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#FemaleForward
Nicht darauf warten, gefragt zu werden!

Bettina Stark-Watzinger gibt Einblicke in das Leben als Politikerin
Bettina Stark-Watzinger Mdp und Vorstandsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung

Bettina Stark-Watzinger Mdp und Vorstandsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung

Vorsitzende des Finanzausschusses, Mutter, im Vorstand der Friedrich-Naumann-Stiftung – wie gelingt es, dass alles unter einen Hut zu bekommen?

Das geht, wenn man Freude an allem hat, was man tut. Was nicht heißt, dass jede Minute und jeder Arbeitsgang immer Spaß machen. Aber zu wissen, wofür ich mich einsetze, nämlich für den selbstbestimmten Menschen, für Freiheit, für Menschenrechte, für die Soziale Marktwirtschaft – das treibt mich jeden Tag an. Es hilft, wenn man mit stürmischen Situationen umgehen kann!

Einen Mann würde man die zuvor formulierte Frage vermutlich gar nicht stellen. Ärgert es Sie, dass Frauen noch immer erklären müssen, warum und wie sie Familie und Karriere vereinen können?

Mir ist es lieber, wenn diese Themen offen angesprochen werden. Schlimmer finde ich aber, wenn wir gar nicht darüber reden. Viele Vorbehalte mit Blick auf den Rollenwandel der Frau wirken unbewusst. Dieses Bewusstsein zu ändern, ist viel schwieriger in den Griff zu bekommen. Deshalb müssen wir die Frage der Chancengerechtigkeit immer offen thematisieren und dafür streiten.

Es wäre schön, wenn sich in der Politik mehr Frauen engagieren würden. Welchen Weg würden Sie Frauen raten, die Lust darauf haben?

Ganz wichtig: Man darf sich nicht abschrecken lassen. Sich Verbündete suchen, mit denen man sich austauschen kann und vor allem auch deutlich zu sagen, was man erreichen möchte. Nicht darauf warten, gefragt zu werden! Es liegt noch ein weiter Weg vor uns, die Arbeitsweise in unseren Parteien zu verändern. Weg von einer Präsenzkultur bei Abend- und Wochenendveranstaltungen, hin zu dem, was wir aus anderen Bereichen schon kennen, nämlich dem inhaltlichen Ergebnis! Die Partei als Organisationsform muss die Möglichkeiten der Digitalisierung und der Zusammenarbeit für sich zu nutzen wissen. Dann kann sie das Potenzial der ganz unterschiedlichen Mitglieder vollständig nutzen.

Was waren Ihre Beweggründe, aus dem Forschung- und Bildungswesen in die Politik zu wechseln?

Die beiden Felder sind gar nicht so verschieden. Sowohl in der Forschung als auch in der Politik wird nach der besten Lösung für Probleme und Fragen gerungen. Neue Themen und Fragestellungen müssen immer wieder erarbeitet werden. Ich gebe aber zu, dass ich schon seit meiner Jugendzeit in den Deutschen Bundestag wollte. Volksvertreterin für meine Region zu sein, ist etwas Einzigartiges. Den Abend, bevor sich der Bundestag konstituiert hat und wir vor dem Reichstag standen, werde ich nie vergessen.

Was fasziniert Sie an der politischen Arbeit?

Die tollen Menschen mit ihren vielen tollen Ideen, die in unserem Land etwas bewegen wollen. Sie beim Ergreifen ihrer Chancen zu unterstützen, motiviert mich. Das gilt natürlich auch für die Menschen in fernen Ländern, die unter schwierigen Bedingungen leben. Sie kann ich nicht zuletzt durch die Stiftungsarbeit kennenlernen. Für sie stehen Dinge, die für uns normal sind, wie Demokratie und Menschenrechte, ganz oben auf der Prioritätenliste. Zu sehen, wie dort mutige Menschen sich auch in Gefahren dafür einsetzen, macht demütig. Ja, neben den Chancen liegen auch große Herausforderungen vor uns: die Digitalisierung, die Frage des Klimawandels, neue internationale Spannungen. Wir müssen dabei aufpassen: Die Mehrheit der Menschen darf sich nicht durch einige ideologische Gruppen oder Machthaber bevormunden lassen. Es lohnt sich für die Freiheit jedes Einzelnen, politisch aktiv zu sein. Man bekommt dabei so viele Einblicke in die Art und Weise, wie die Gesellschaft funktioniert. Das fasziniert und verändert die Perspektive.

Und an was müssen Sie sich noch immer gewöhnen?

Dass in Deutschland der Beruf des Politikers so negativ belegt ist. Ich wünsche mir viel mehr Austausch. Menschen aus allen Berufen und aus allen Lebenssituationen sollen für den Bundestag kandidieren. Zudem sollte es häufiger Wechsel in diesen Positionen geben, sodass neue Ideen Einzug halten. Es gibt hier oft ein eingefahrenes Denken. Das war schon immer so, das war noch nie so, da könnte ja jeder kommen. Gewöhnen muss ich mich auch daran, dass Politik oft sehr kurzatmig ist. Schnelle Antworten statt konzeptionellem Arbeiten. Hier können wir noch besser werden.

Warum ist es Ihrer Meinung nach eigentlich wichtig, dass Frauen in der Politik mitmischen?

Abgesehen davon, dass es eigentlich etwas ganz Selbstverständliches sein müsste, zeigen auch alle Studien ein Ergebnis: Gemischte Gremien treffen die besseren Entscheidungen. 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechtes und vielen weiteren Gesetzen, müssen diese noch mit mehr Leben gefüllt werden. Wir Frauen von heute müssen den nächsten Schritt gehen. Für unsere Töchter und unsere Enkelinnen.

Ist es gerade ein guter Zeitpunkt für Frauen, etwas zu bewegen? Warum?

Auf jeden Fall. Die Aufmerksamkeit, die das Thema derzeit wieder erhält, sorgt zumindest in der westlichen Welt dafür, dass Frauen Anerkennung finden und ihre Talente zunehmend genutzt werden. Die vielen Diskussionen in den Parteien, sich auf eine verändernde Gesellschaft einzustellen, zeigen, die Dinge sind in Bewegung.

An welchem Ort können Sie Kraft tanken?

Zuallererst bei meiner Familie. Es gibt nichts Schöneres. Aber auch andere Orte und Gelegenheiten bieten mir die Möglichkeit, Kraft zu tanken. Zum Beispiel habe ich neulich, samstagabends, todmüde eine junge Gründerin getroffen und bin mit ihr ins Gespräch gekommen. Eine so tolle Frau, mit der ich zwei Stunden lang Ideen ausgetauscht habe. Das lädt die Batterien auf, macht Spaß und spornt an!

Sie sagen „Die Zukunft gehört denen, die etwas tun“. Was wollen Sie in Zukunft tun? Also: Was sind Ihre politischen und auch privaten Ziele?

Chancen für andere schaffen, aber auch privat Chancen nutzen. Der Aufstand der Gelb-Westen in Frankreich macht noch einmal deutlich, dass wir vor großen Herausforderungen und Umbrüchen stehen. Die Welt verändert sich und wir müssen neue Antworten finden. Wir müssen dem Aufstiegsversprechen der Sozialen Marktwirtschaft, durch Leistung Eigentum aufzubauen, wieder Geltung verleihen - gerade auch im Wandel der Arbeitswelt durch die Digitalisierung. Damit die Menschen auch in Zukunft Wohlstand und gesellschaftliche Teilhabe genießen. Entscheidend sind für mich endlich Reformen im Bildungsbereich: Jungen Menschen heute Kompetenzen zu vermitteln, die sie morgen brauchen.