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Faule Kredite und politische Einflussnahme

In Indien steht die vierte „Bankenrettung“ seit 1994 bevor
Indische Währung
Indiens Wirtschaft leidet unter faulen Krediten © CC BY 2.0 Flickr.com/ Monito - Money Transfer Comparison

Indische Banken leiden unter faulen Krediten und politischer Einflussnahme. Ein 28 Milliarden Euro schweres Rettungspaket soll die staatlichen Banken stützen und die Wirtschaft ankurbeln. Fraglich bleibt, ob nicht bald schon der nächste Bailout fällig ist.

Das indische Wirtschaftswachstum ist im Abschwung: Nur noch um 5,7 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt BIP im vergangenen Quartal gestiegen. Was für deutsche Ohren nach einer starken Konjunktur klingt, ist auf dem Subkontinent das geringste Wachstum seit 2013. Um der strauchelnden Wirtschaft auf die Beine zu helfen, hat die indische Regierung in der vergangenen Woche ein 28 Milliarden Euro schweres Rekapitalisierungsprogramm für die 21 staatlichen Banken verkündet. Diese vergeben immer weniger oder gar keine Kredite mehr, da sie in eine bedrohliche Schieflage geraten sind: Mehr als zwölf Prozent ihrer Kredite werden nicht bedient und in den Büchern scheinen weitere Gefahren zu stecken. Die Regierung in Neu Delhi hofft, dass die Banken mit frischem Kapital ihre Bilanzen bereinigen, die Kreditvergabe steigern und damit das Wachstum wieder ankurbeln. Auch wenn noch nicht klar ist, wie das größte Rettungspaket der indischen Geschichte im Detail aussehen wird, sind sich Experten einig, dass eine Rekapitalisierung alternativlos war. Diskussionen gibt es darüber, ob der finanzielle Umfang ausreichend ist und ob die Maßnahmen weitreichend genug sind.

Strukturelle Gründe für die Malaise

In Indien ist die Rettung des staatlichen Bankensektors nichts Neues: Zum vierten Mal seit 1994 muss der Staat den notorisch schlecht wirtschaftenden Banken zur Seite springen. Heute sind mehr als 80 Prozent aller faulen Kredite in den Büchern staatlicher Banken zu finden. Strukturelle Reformen, um die Verschwendung von Steuermitteln in Zukunft auszuschließen, wurden häufig angemahnt, aber nicht umgesetzt. Insbesondere der politische Einfluss auf Kreditentscheidungen muss abnehmen, damit nicht in wenigen Jahren der nächste Bailout erfolgen muss.

State Bank of India
Indiens größte staatliche Bank - Die State Bank of India © CC BY-SA 4.0 commons.wikimedia.org/ Christopher J. Fynn

Das Problem der Banken sind nicht die Privatkredite, sondern Kredite an politisch gut vernetzte Unternehmen. Bei der größten staatlichen Bank, der State Bank of India, fallen nur 1,5 Prozent der Kredite an Privatpersonen aus, während 18,6% der Unternehmenskredite nicht bedient werden. In großem Stil wurde Geld an Unternehmen mit hohen Schulden und niedriger Eigenkapitaldecke verliehen, deren Besitzer politisch gut vernetzt oder gar Ex-Politiker sind. Fast 30 Prozent der Unternehmenskredite im Jahr 2015 gingen an Firmenkonglomerate, bei denen bekannt war, dass ihre Einnahmen nicht reichen, um auch nur die Zinsen auf ihre Kredite zu bezahlen.

Das sind klare Indizien für Vetternwirtschaft, Korruption und unzureichende Expertise seitens der Staatsbanken. Zum Vergleich: Bei Privatbanken fallen nur ca. sechs Prozent der Unternehmenskredite aus.

Rettung ja - Reformen nein?

Während alle diese Punkte bekannt sind, verhallen Reformforderungen weitgehend ungehört. Bereits 1998 forderte eine Kommission die Privatisierung von Staatsbanken (bzw. einen staatlichen Höchstanteil von 33 Prozent). Expertise und privates Kapital von außen könnten die Banken auf Kurs bringen und dem Staat als Anteilseigner sogar Gewinne verschaffen. Bis heute ist in dieser Hinsicht nichts geschehen. Auch die Regierung unter Ministerpräsident Narendra Modi hat bislang nur wolkig von "Reformen in naher Zukunft" gesprochen. Was sie darunter versteht, hat sie noch nicht ausbuchstabiert. Währenddessen könnte das nächste Rettungspaket bereits in naher Zukunft fällig werden: Die Ratingagentur Fitch hat berechnet, dass statt 28 gar 53 Milliarden Euro benötigt werden, um die ab 2019 gültige Basel III Norm zu erfüllen, die eine deutliche Erhöhung des Kernkapitals der Banken vorsieht.

Ruben Dieckhoff ist Projektberater für Südasien im Stiftungsbüro in Neu Delhi.