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Europa
„Revolution für die deutsch-französischen Beziehungen"

Hundert Abgeordnete aus Deutschland und Frankreich befeuern den deutsch-französischen Motor
Michael Link

Michael Georg Link MdB, Mitglied des Vorstands der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

© picture alliance/Jörg Carstensen/dpa

An diesem Montag schlagen der Deutsche Bundestag und die französische Assemblée nationale ein neues Kapitel der Zusammenarbeit auf: zum ersten Mal tagen jeweils fünfzig deutsche und fünfzig französische Abgeordnete zusammen in der neuen Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung. Sie eröffnen damit eine einzigartige Form der parlamentarischen Zusammenarbeit in Europa.

Die deutsch-französische Parlamentarische Versammlung macht das wett, was die Bundesregierung beim Aachener Vertrag verschlafen hat: die nationalen Parlamente aktiv in die deutsch-französische Zusammenarbeit einzubinden. Und das, obwohl die konkrete Vorhabenliste des Aachener Vertrags auf Initiative der deutsch-französischen Arbeitsgruppe der beiden Parlamente entstand. Deutscher Bundestag und Assemblée nationale finden im Aachener Vertrag nur zwei Mal Erwähnung. Tant pis, Chance verpasst.

Gut also, dass Bundestag und Assemblée nationale parallel zum Aachener Vertrag ein eigenes Abkommen abgeschlossen haben, mit dem sie die neue Parlamentarische Versammlung einrichten. Hier wollen wir an gemeinsamen Politikvorschlägen arbeiten und ein besseres Verständnis für die Positionen des Anderen entwickeln. Viele der Bundestagsabgeordneten, die in die Parlamentarische Versammlung entsendet werden, kommen aus den Grenzregionen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Tagtäglich befassen sie sich mit grenzüberschreitenden Fragen.

Die Kooperation in den Grenzregionen wird ein wichtiges Anliegen der Versammlung sein, denn auch wenn es längst keine Schlagbäume mehr gibt, so ist die Grenze in vielen Bereichen noch spürbar: bei der Verkehrsanbindung, der ärztlichen Versorgung, der Kinderbetreuung oder bei grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeiten. Die parlamentarische Versammlung bietet die Chance, an diesen Stellen konkrete Vorschläge zu machen oder Experimentierregeln zu erarbeiten. Grenzüberschreitende Verfahren, zum Beispiel der Einsatz von Arbeitskräften auf der anderen Seite der Grenze, müssen einfacher und schneller werden. Das wäre für die Grenzregionen eine enorme Erleichterung.

Die deutsch-französischen Zivilgesellschaften sind sehr stark verflochten: durch Städtepartnerschaften, Schüleraustausche oder Geschäftsbeziehungen. Die Zusammenarbeit und Freundschaft ist für viele ganz normaler Alltag. Diese Initiativen leisten einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der deutsch-französischen Partnerschaft und zur Intensivierung der europäischen Zusammenarbeit. Denn die Bildung einer gemeinsamen Öffentlichkeit lebt vom Kontakt der Bürgerinnen und Bürger auf der regionalen Ebene und hört nicht beim Austausch der Regierungen auf.

Diese Erfahrungen wollen wir als Volksvertreter in die neue Parlamentarische Versammlung einbringen. Durch besseres Verständnis füreinander können wir viele Probleme besser lösen – und Alleingänge verhindern. Viel zu häufig hat die deutsche Bundesregierung in den letzten Jahren die deutsch-französische Partnerschaft missachtet und ist ihren eigenen Weg gegangen. Selten ist es gut gegangen. Egal ob beim Atomausstieg, während der Flüchtlingskrise oder bei der Gaspipeline Nord Stream 2: anstatt auf eine gemeinsame Lösung zu setzen, rannte die Bundesregierung im Alleingang gegen die Wand. Mit so einem Verhalten schmälert die Bundesregierung Deutschlands internationale Glaubwürdigkeit, den europäischen Zusammenhalt und Europas außenpolitische Wirkungskraft.

Tatsache ist, dass manche Staaten außerhalb Europas uns demographisch und wirtschaftlich überholen und das politische Gewicht der einzelnen europäischen Staaten abnimmt. Einige europäische Staaten entwickeln sich politisch in eine antidemokratische Richtung, die uns nicht gefällt. Umso wichtiger ist der Zusammenhalt mit den Ländern, die unsere Werte und unsere Ideen teilen. Zusammen können wir auch den Kontakt mit schwierigeren Partnern suchen. Die deutsch-französische Zusammenarbeit ist nie exklusiv, sondern immer verbunden mit einer offenen Einladung an Andere, sich mit einzubringen.

Mit der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung starten wir heute ein wegweisendes Projekt, das nicht nur die deutsch-französischen Beziehungen revolutioniert, sondern auch die Entwicklung zu einer handlungsfähigeren Europäischen Union fördert. Jetzt liegt es an uns, den hundert Abgeordneten aus Deutschland und Frankreich, den deutsch-französischen Motor zu befeuern und sein Potenzial für ganz Europa zu nutzen.

 

Michael Georg Link ist europapolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag und designiertes Vorstandsmitglied der neuen Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung und Mitglied des Vorstandes der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.