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Europa
Jugend. Macht. Politik.

Junge Menschen setzen auf Europa. Aber sie haben konkrete Vorstellungen davon, was sich in der Gemeinschaft ändern muss.
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Europa wird für junge Menschen immer wichtiger.

© Freiheit.org

Diskutieren, debattieren, streiten – für Bàlint Gyévai sind das Urtugenden der Demokratie. "Die Menschen in Europa suchen jedoch nach Möglichkeiten, diese Tugenden zu pflegen und Ideen auszutauschen", beobachtet der 24-Jährige. "Dafür gibt es häufig zu wenige Gelegenheiten. Das wollten wir ändern." Gyévai, damals noch Student, hat daher im vergangenen Herbst zusammen mit anderen das erste Jubel-Festival in Brüssel organisiert.

"Wir wollten ein Forum bieten, bei dem Menschen mit unterschiedlichen Ansichten zusammenkommen, miteinander sprechen und daraus neue Inspirationen ziehen. Aber auch Politikern wollten wir damit die Chance geben, zuzuhören und etwas über die Sorgen und Themen zu erfahren, die junge Menschen bewegen. Jeder sollte aktiv werden, ins Gespräch kommen und als Konsequenz daraus zur Wahl gehen."

Auffallend sei, beobachtet der gebürtige Ungar, dass einige junge Menschen die Vorteile, die ihnen die europäische Gemeinschaft bringt, als selbstverständlich nehmen. „Aus dieser Haltung heraus wählen sie dann mitunter rechtspopulistische Parteien und sehen nicht, auf welches riskante Spiel sie sich damit einlassen.“ Diesem Spiel wollte auch Hans-Christoph Schlüter nicht länger tatenlos zusehen.

Positiven Populismus betreiben

Zusammen mit einer Gruppe von Mitstreitern hat er 2017 die Site „WhyEurope“ ins Leben gerufen. „Wir wollen damit ‚positiven Populismus‘ betreiben und  zeigen, was die EU für ihre Bürger im Alltag tut, und die Vorteile sichtbar machen, die ein vereintes Europa bietet – das Ganze möglichst konkret und griffig“, erläutert Schlüter das Konzept. Den wenigsten sei bewusst, wie die EU mit ihren Institutionen ins tägliche Leben eingreift – und zwar positiv. „Sie sorgt für sauberes Trinkwasser genauso wie für günstige Flüge, dadurch, dass sie den freien Wettbewerb über Europas Himmel zugelassen hat“, so der Wahlberliner.

„Diese guten Dinge nehmen die Bürger aber nicht mehr richtig wahr, weil sie nur noch von Krisen und schlechten Nachrichten rund um den Brexit hören. Das war der Impuls für uns, etwas zu machen.“ Jugend schätzt europäische Werte. Ein Festival der Demokratie, eine Internetseite, die die Vorteile der europäischen Gemeinschaft promotet –nur zwei Beispiele für die politische Aufbruchstimmung, die unter Europas Jugend herrscht.

Eine Generation, die sich für die Werte der Gemeinschaft einsetzt, aber auch dorthin zeigt, wo es dringenden Reformbedarf gibt, wenn die Europäische Union eine Zukunft haben will. „Man muss es schaffen, dass sich Menschen über europäische Grenzen hinweg vernetzen und Gemeinsamkeiten entdecken – Erasmus ist ein Beispiel dafür“, formuliert Schlüter ein Gegenkonzept. „Dieser Ansatz muss weiterentwickelt werden, um so eine europäische Identität zu entwickeln.“

EU ist erfolgreichste Projekt der Geschichte

Von der europäischen Idee ist auch Natalie Grammenos überzeugt: „Die EU ist das erfolgreichste Projekt der Geschichte. Wir leben in der größten zivilisierten Region der Welt. Das sollten wir stärker wertschätzen – jeden Tag“, fordert die Griechin. 

„Wir brauchen ein Mehr an europäischer Bildung, damit die Menschen nicht von Populisten beeinflusst werden können, die dieses Defizit für ihre eigenen Interessen ausnutzen.“ Die Vorteile der EU erlebt Grammenos bei ihrer aktuellen Existenzgründung jeden Tag. Sie betreibt am Rande von Athen einen Shop, der in Kürze auch online gehen soll. „Aufgrund des freien Handels in der EU kann ich mit meinem E-Shop vergleichsweise einfach in andere Länder expandieren – was für mich sehr wichtig ist, da der griechische Markt recht klein ist“, so die 27-Jährige.

Vielfalt als Stärke sehen

„Es gibt so viele positive Dinge in der EU, mit denen fast jeder regelmäßig in Kontakt kommt – zum Beispiel muss ich keine Gebührenzuschläge für Auslandsgespräche zahlen, wenn ich mit meiner Mutter in Frankreich telefoniere“, ergänzt Jean Delage-Sié. „Aber dazu gehören auch der Euro als Gemeinschaftswährung und die Verbraucherrechte in der EU. Wenn ich online etwas in einem EU-Land bestelle, kann ich es innerhalb von 14 Tagen zurückgeben. Ein Energielabel an elektrischen Geräten hilft mir, die richtigen Kaufentscheidungen im Sinne der Umwelt zu treffen. Ich denke, das und einige Dinge mehr sind etwas, was unseren Alltag wirklich erleichtert.“ 

Der Franzose mit afrikanischen Wurzeln und Wohnsitz in Brüssel steht wie kaum ein anderer für gelebte Vielfalt in Europa. „Wir haben zweifellos unterschiedliche Kulturen in den Mitgliedsländern. Aber gerade diese Vielfalt sehe ich als Stärke an.“ Für ihn braucht es mehr Initiative innerhalb der EU, um sich dies bewusst zu machen und die Isolation einzelner Mitgliedsländer aufzubrechen.

„Die EU für mich persönlich heißt: Frieden, Sicherheit, Freizügigkeit, Fortschritt und eine Vielzahl an Möglichkeiten – zum Beispiel, dass ich im Ausland studieren oder mich frei in den Mitgliedsländern bewegen kann“, sagt Delage-Sié. „Die offenen Grenzen schätze ich, da ich schon von Berufs wegen viel reisen muss. Was passiert, wenn wir uns voneinander entfernen und immer nur die Krisen und das angeblich Schlechte im Fokus stehen, haben wir beim Brexit-Votum erlebt.“

Klima ist riesiges Thema

Für Interessen auf- und einstehen Danica Vihinen sieht daher die Freitagsdemonstrationen für eine bessere Klimapolitik als gutes Zeichen für das wachsende Engagement von jungen Menschen in Europa. „Das zeigt eindeutig, dass sich Jugendliche für Politik und politische Themen interessieren und Dinge ändern wollen“, sagt die Generalsekretärin der European Liberal Youth (LYMEC) in Brüssel. LYMEC ist ein Zusammenschluss liberaler Jugendverbände in Europa und ist gleichzeitig die Jugendorganisation der ALDE.

„Es ist gut, dass die Jungen für ihre Interesse auf- und einstehen und den Alten laut und deutlich sagen, wo es nicht mehr so weitergeht wie bisher“, ergänzt Schlüter. „Da ist Klima ein riesiges Thema, genauso wie Nachhaltigkeit.“ Um der Europaskepsis zu begegnen, müssten der gebürtigen Finnin zufolge EU-Kommission und -Parlament den Bürgern stärker deutlich machen, was sie regional etwa im Bereich der Infrastruktur erreicht haben. 

„Ich lebe in einem Land, in dem Europa Tag für Tag infrage gestellt wird“, hat Katalin Cseh, die für die ungarische Momentum-Partei als Kandidatin in die Europawahl zieht, einen ganz anderen Blick auf die Dinge. Sie beschwört den europäischen Spirit: „Europa ist mehr als eine Idee. Es gibt uns die Chance auf Wachstum und Freizügigkeit. Wir müssen aufhören, uns selbst zu schwächen, so wie das derzeit die ungarische Regierung versucht.“