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EU-Verteidigungspolitik
Flickenteppich oder Puzzle?

Ein Pariser Blick auf die aktuellen Initiativen für eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
EU-Verteidigung
Das Eurokorps - 1992 auf deutsch-französische Initiative entstanden und heute ein Grundpfeiler der europäischen Verteidigungszusammenarbeit © CC BY-SA 3.0 commons.wikimedia.org/ Claude Truong-Ngoc

In der Europäischen Verteidigungspolitik geht es im Moment Schlag auf Schlag: PESCO, europäisches Kampfflugzeug und europäische Interventionsinitiative sind nur einige der Schlagworte. Was darf man von diesen Initiativen erwarten, und wie passen sie eigentlich zusammen? Sebastian Vagt, Leiter des Sicherheitspolitischen Hubs der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Brüssel, sprach darüber mit Laetitia Saint-Paul, Abgeordnete der französischen Nationalversammlung.

So viel Fortschritt gab es noch nie in der Europäischen Verteidigungspolitik. Im Dezember erst begründeten 25 EU-Mitgliedsstaaten (alle außer Malta, Dänemark und dem Vereinigten Königreich) die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (PESCO) und beschlossen eine umfangreiche Liste gemeinsamer Projekte. Wenig später gaben die „Erzrivalen“ Airbus und Dassault bekannt, zukünftig zusammenzuarbeiten und ein europäisches Kampfflugzeug bauen zu wollen. Vergangene Woche schließlich startete der französische Präsident Emmanuel Macron seine „Europäische Interventionsinitiative“ (EII). Dieses Format, erstmals angedeutet in seiner inzwischen berühmten Europa-Rede an der Sorbonne im September 2017, ist institutionell nicht mit der EU verbunden und umfasst lediglich neun Mitgliedsstaaten. Auch Deutschland ist bei dieser Initiative mit dabei, dem Vernehmen nach jedoch mit begrenzter Euphorie. In Berlin bedauert man insbesondere die fehlende Einbindung einiger mittel- und osteuropäischer Mitgliedsstaaten, wollte selbst jedoch nicht außen vor bleiben.

Deutschland und Frankreich, so sind viele Beobachter überzeugt, bilden gemeinsam den Motor der europäischen Verteidigungspolitik. Für eine Einschätzung zu den aktuellen Fortschritten lohnt es daher, auf der anderen Seite des Rheins nachzufragen: Laetitia Saint-Paul war selbst bis 2017 Kompaniechefin in der Deutsch-Französischen Brigade und sitzt seit einem Jahr für die Macron-Partei „La République En Marche“ in der französischen Nationalversammlung.

Die Gründung der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) wurde in Brüssel als Durchbruch in der europäischen Verteidigungspolitik gefeiert. Wie beurteilen Sie den bisherigen Fortschritt auf diesem Gebiet?

Wir möchten unsere Anstrengungen für eine weitergehende Integration in der Europäischen Verteidigungspolitik gegenwärtig noch verstärken. Doch entgegen der Erwartungen ist der Fortschritt bei PESCO weniger bedeutend als manche es sich erhoffen. Die Projekte konzentrieren sich vor allem auf materielle Probleme, nur ein einziges beschäftigt sich mit dem wichtigsten Faktor, dem Menschen. Wenn wir als Europäer besser zusammen arbeiten möchten, müssen auch unsere Befehlsketten besser kooperieren. Ich bin überzeugt, dass wir hierfür einen gewachsenen Bottom-Up-Ansatz brauchen! Die Gründung von PESCO ist trotzdem der große Fortschritt, auf den wir lange warten mussten. Es ist die lang ersehnte Aktivierung eines bereits vor zehn Jahren angelegten Mechanismus. Aber es stehen noch viele Entscheidungen in der Verteidigungspolitik bevor. Die Verhandlungen über den mehrjährigen EU-Finanzrahmen (das EU Budget 2021-2027, d. Red.) sind wegweisend für die europäische Verteidigung. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht einen Europäischen Verteidigungsfonds in Höhe von 13 Mrd. Euro für die gesamte Haushaltsperiode vor. Das ist schon mal gut! Wir werden trotzdem auf weitere Fortschritte drängen müssen.

Laetitia Saint-Paul
Laetitia Saint-Paul setzt sich für eine Ausweitung der europ. Verteidigungszusammenarbeit ein © CC BY-SA 4.0 commons.wikimedia.org/ Laetitia-saint-paul

In welchem Zusammenhang steht die jüngst von Macron begründete Europäische Interventionsinitiative zu PESCO?

Die von Frankreich initiierte Europäische Interventionsinitiative (EII) erlaubt es, Lücken zu füllen, die PESCO nicht zu füllen vermag. Dazu haben wir eine kleinere Gruppe von Mitgliedsstaaten gewonnen, die bereit sind, ihre militärischen Fähigkeiten stärker zu vereinen und sich stärker zu engagieren. Beide Initiativen sind komplementär. Während PESCO einen inklusiven Charakter hat und beinahe alle Mitgliedsstaaten umfasst, versammelt die EII eine kleinere Gruppe gleichgesinnter Staaten, die bereit sind, sich schneller und entschlossener einzubringen.

Airbus und Dassault wollen gemeinsam das zukünftige europäische Kampfflugzeug entwickeln. In der Vergangenheit sind die Produkte solcher Kooperationen häufig dadurch aufgefallen, dass sie teurer, später und mit weniger Fähigkeiten fertiggestellt wurden als versprochen. Das Paradebeispiel für missglückte Kooperation ist der A400 M. Was muss passieren, damit es nun besser klappt?

Es gab in der Vergangenheit einige Fehler, die so nicht wiederholt werden dürfen! Wir werden Wege finden müssen, um das Engagement einzelner Mitgliedsstaaten auch über etwaige Regierungswechsel hinweg sicherzustellen, um eine echtes Klima des Vertrauens aufzubauen. Jeder Mitgliedsstaat hat seine Prioritäten, die mitunter schwer in Einklang zu bringen sind. Die Projekte der Vergangenheit wurden viel zu oft ohne ausreichende Verständigung, ohne Rücksicht auf den Bedarf einzelner Mitgliedsstaaten und ohne Abstimmung der unterschiedlichen strategischen Visionen unternommen. Die Vereinbarung zwischen Dassault und Airbus ist für die europäische Verteidigungsindustrie von historischer Bedeutung und erlaubt eine starke Zusammenarbeit zwischen europäischen Konzernen. Die Probleme mit dem Transportflugzeug A400 M haben die Generalstäbe davon überzeugt, dass die Verteidigungspolitik nach ambitionierten Partnerschaften verlangt. Dank einer vertrauensvollen Zusammenarbeit, eines kohärenten Plans und einer Annäherung der strategischen Visionen der Mitgliedsstaaten werden wir, so hoffe ich jedenfalls, bis zum Jahr 2040 über ein europäisches Kampfflugzeug verfügen.

Laetitia Saint-Paul ist Abgeordnete in der Assemblée Nationale. Zwischen 2002 und 2017 nahm sie als Offizier der französischen Streitkräfte an mehreren Auslandseinsätzen teil.

Die Fragen stellte Sebastian Vagt, Leiter des Expert Hubs für sicherheitspolitischen Dialog der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Für Medienanfragen kontaktieren Sie unseren Sicherheitsexperten der Stiftung für die Freiheit:

Projektleiter - FNF Marokko  Experte für Nachhaltigkeit
Telefon: +212.5377.77509