EN

„Ethischer und transparenter UN-Menschenrechtsrat vonnöten“

Reformmaßnahmen für mehr Glaubwürdigkeit
UN-Menschenrechtsrat
Um glaubwürdig zu bleiben, muss der UN-Menschenrechtsrat einige Reformen angehen. © CC BY-NC-ND 2.0 flickr.com/ United Nations Photo

Im Gespräch mit freiheit.org erklärt Savannah Fox, Human Rights Fellow der Young Professionals in Foreign Policy, warum der UN-Menschenrechtsrat unverzüglich Reformmaßnahmen ergreifen muss.

Der UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) löste im Rahmen der vom damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan vorangetriebenen Reform der Vereinten Nationen im Juni 2006 die UN-Menschenrechtskommission (UNCHR) ab, die wegen Vorwürfen der Ineffizienz und Politisierung immer weiter in die Kritik geriet. Seit über zehn Jahren trägt nun also der UN-Menschenrechtsrat zur Förderung der Menschenrechte bei. Frau Fox, was hat sich seitdem verändert? Ist der Menschenrechtsrat effizienter als sein Vorgänger?

Die Menschenrechtskommission existierte 59 Jahre lang und wurde zum Symbol für die Ineffizienz der Vereinten Nationen (UN). Nachdem die Kommission 2005 aufgelöst wurde, durchlief ihr Nachfolger, der Menschenrechtsrat, drei grundlegende Veränderungen, um den wichtigsten Herausforderungen,  mit denen die Kommission zu kämpfen hatte, zu begegnen. Zunächst wurde das Wahlsystem, das zu Zeiten der Kommission auf geheimen Absprachen beruhte, in ein vermeintlich offenes Wahlsystem umgewandelt. Seither werben die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen jedenfalls theoretisch um die Mehrheit der Stimmen, um einen der 47 Sitze im Menschenrechtsrat zu gewinnen.  Außerdem müssen sich nun alle 193 UN-Mitgliedstaaten einer regelmäßigen Überprüfung ihrer Menschenrechtsbilanz unterziehen, um zu vermeiden, dass nur die Staaten ins Visier genommen werden, deren Lobby zu gering ist, um eine Anprangerung zu verhindern. Zu guter Letzt wurde beschlossen, dass sich der Rat über das gesamte Jahr hinweg versammeln muss. Die UNCHR kam nur alle sechs Wochen zusammen, was die Produktivität der Kommission hemmte.

Diese Reformschritte sollten einen ethischen und transparenten Menschenrechtsrat garantieren. Doch noch immer gibt es einige zentrale Verfahren, die zur moralischen Korruption des Rates beitragen und die dringend geändert werden müssen, um die Glaubwürdigkeit und den Einfluss des Gremiums zu wahren. So ist es beispielsweise immer noch an der Tagesordnung, über die Ratsmitgliedschaft in Hinterzimmern zu verhandeln und den „kompetitiven Wahlprozess“ so zu umgehen. Außerdem haben es die UN-Regionalgruppen zur Regel gemacht, nur so viele Staaten zur Wahl zu stellen, wie es offene Sitze für die jeweilige Gruppe gibt. Das schränkt die Wettbewerbsfähigkeit des Wahlsystems erheblich ein.

Viele Beobachter knüpften große Hoffnung an die regelmäßigen Überprüfungen, die mit dem Menschenrechtsrat eingeführt wurden. Doch obwohl die Einführung der Überprüfungen ein bedeutender Schritt hin zu mehr Transparenz war, handelt es sich dabei letztendlich um bloße Worte ohne die Verantwortlichen tatsächlich zur Rechenschaft zu ziehen. Viele Menschrechtsverletzer stellen sich daher der Überprüfung, wohl wissentlich, dass es in der Vergangenheit erst ein Land gab, das sich den Konsequenzen stellen musste: 2011 wurde Libyens Mitgliedschaft wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen oppositionelle Demonstranten durch Muammar al-Gaddafi aufgehoben.

Savannah Fox

Savannah Fox

© Savannah Fox

Gerade erst hat die Trump-Administration bekannt gegeben, dass die USA die UN-Kultur- und Bildungsorganisation UNESCO verlassen werden. Diesen Sommer drohte die Trump-Administration außerdem damit, aus dem UN-Menschenrechtsrat wegen dessen Voreingenommenheit gegenüber Israel und der Zusammesetzung des Rates im Hinblick auf die Mitglieder auszutreten. Die UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, erklärte kurz darauf jedoch, dass die USA den Menschenrechtsrat nicht verlassen werden. Das Gremium müsse sich aber verbessern. Frau Fox, wie sehen Haleys Reformpläne aus?

Richtig. Im Juni 2017 stellte UN-Botschafterin Haley Reformen vor, die sie für notwendig hält, um die Legitimität des Menschenrechtsrates wieder herzustellen. Die Reformen zielen auf zwei verschiedene Bereiche ab: Zum einen auf den Wahlprozess und zum anderen auf die Voreingenommenheit gegenüber Israel. Um für mehr Wettbewerb bei der Wahl zu sorgen, müssten alle Regionalgruppen mehr Staaten zur Wahl stellen, als es Sitze zu vergeben gibt. Die Botschafterin fordert außerdem ein Ende der geheimen Abstimmungen. Im Moment verläuft die Wahl geheim, was dazu führt, dass die Staaten Hinterzimmerabsprachen treffen und für Länder mit verheerenden Menschenrechtsbilanzen votieren, ohne dabei die Kritik der Öffentlichkeit fürchten zu müssen. Durch einen transparenteren Wahlprozess erhofft man sich, dass es weniger geheime Absprachen geben wird und so auch die Anzahl der Menschenrechtsverletzer, die in den Rat gewählt werden, abnimmt, weil die Öffentlichkeit die Staaten für ihre Stimmabgabe zur Rechenschaft ziehen kann.

Zudem will Haley gegen die Voreingenommenheit des Menschenrechtsrates gegenüber Israel angehen. Seit 2012 häufen sich die Beschlüsse gegen Israel. Hinzu kommt, dass Israel das einzige Mitglied ist, dem ein separater Tagesordnungspunkt auferlegt wurde. Und zwar der Tagesordnungspunkt 7: "Die Lage der Menschenrechte in Palästina und in den besetzten arabischen Gebieten". Um sein Mandat tatsächlich erfüllen zu können, muss sich der Rat fair und unparteiisch für die Menschenrechte weltweit einsetzen und alle Mitgliedstaaten gleich behandeln. Zwar sollte Israel für seine massiven Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden, doch sollte der Rat dies unter Berufung auf Artikel 4 tun, wie er es bei all den anderen Mitgliedstaaten auch tut. Separate Regelungen und Systeme für ein einzelnes Mitglied aufzuerlegen, untergräbt nicht nur die Fähigkeit des Menschrechtsrates unparteilich zu bleiben; es gibt Israel auch schlagende Argumente, die Resolutionen des Rates zurückzuweisen, anstatt auf die Anschuldigungen der Menschenrechtsverletzung einzugehen.

Der Menschenrechtsrat steht also vor erheblichen Herausforderungen. Wie steht es um die Zukunft des Gremiums und was können wir von den anstehenden Wahlen erwarten?

Ende Oktober wird der Menschrechtsrat 15 neue Mitglieder aufnehmen. Die Liste der Staaten, die bereits von den Regionalgruppen für die gekünstelte Wahl vorgeschlagen wurden, lässt darauf schließen, dass das Wahlergebnis düster ausfallen wird. Afrikas fixe Kandidatenliste wird dafür sorgen, dass sowohl die Demokratische Republik Kongo als auch Angola dem Menschenrechtsrat beitreten werden. Die Regionalgruppe Asien hat nur fünf Kandidaten für die vier offenen Sitze vorgeschlagen, sodass entweder Afghanistan oder Katar einen Platz im Rat bekommen wird. Diese drei Länder werden dann also die immer länger werdende Liste von Menschenrechtverletzern zu denen bereits China,  die Elfenbeinküste, Kuba, Saudi Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate sowie Venezuela gehören, weiterführen. Natürlich ist es richtig, dass es kein Land mit einer makellosen Menschenrechtsbilanz gibt. Doch das Ausmaß der verabscheuungswürdigen Menschenrechtsverletzungen der genannten Länder, die schon bald dem UN-Menschrechtsrat angehören werden, wird den Einfluss und die Reputation des Gremiums weiter gefährden.

Frau Fox, was müsste sich denn aus Ihrer Perspektive ändern?

Die Vielfältigkeit der UNHRC-Mitglieder verleiht den Entscheidungen des Rates eine Legitimität, die auf dem Gebiet der internationalen Menschenrechte unersetzlich bleibt. Um zu vermeiden, dass der Menschenrechtsrat in die Fußstapfen seines Vorgängers tritt, muss das Gremium jedoch unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um die Transparenz des Wahlprozesses zu erhöhen und einzelne Mitgliedstaaten zur Rechenschaft ziehen, wenn diese gegen die Grundsätze des UNHRC verstoßen. Konkrete Mechanismen, um Menschenrechtsverletzer zur Verantwortung zu ziehen, müssen von den Vereinten Nationen als Ganzes angestoßen werden, um das UNHRC-Mandat, also die faire, zuverlässige und unvoreingenommene Förderung der Menschenrechte, zu erfüllen.

Das Interview führte Iris Froeba, Policy Analyst und Media Officer des Transatlantischen Dialogprogramms der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.