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Digitalisierung
Per KI durch die Galaxis

Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte zu selbstlernenden Algorithmen
Lego flying car fliegendes Auto
© CC BY 2.0/ Flickr: JD Hancock/ bearbeitet

Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik werden als Disruptive Technologien bezeichnet. Disruption klingt dabei irgendwie gefährlich und risikobehaftet. So sind Disruptive Technologien laut dem Fraunhofer Institut für Produktionstechnologie „Innovationen, die die Erfolgsserie einer bereits bestehenden Technologie, eines bestehenden Produkts oder einer bestehenden Dienstleistung ersetzen oder diese vollständig vom Markt verdrängen“. Dieser Entwicklung begegnet unsere Gesellschaft derzeit mit großer Skepsis. Sei es im Bereich der Energietechnik oder dem Automobilsektor – never touch a running system, scheint eine Leitlinie für die Akzeptanz technologischer Innovationen zu sein.

Ja, aber…

Auch beim Autonomen Fahren begegnet man der deutschen „Ja, aber“-Mentalität. Laut einer Umfrage der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit könnten sich nur 30 Prozent der Bevölkerung vorstellen, ab dem Jahr 2025 ein selbstfahrendes Auto zu nutzen. Diese Skepsis ist geprägt durch die bis jetzt noch unbeantworteten zentralen Fragen zum Autonomen Fahren. Zu diesen gehören beispielsweise:

  • Wer haftet im Falle eines Unfalls? Der Mensch oder die KI? Wenn es die KI ist, wer haftet dann? Das herstellende Unternehmen? Die Programmierer?
  • Wie soll sich die KI in Konfliktfällen verhalten? Hier ergeben sich tiefgreifende ethische Fragen. Muss die KI verschiedene Lebenswerte gegeneinander aufwiegen in Unfallsituationen? Soll der KI ein bestimmter moralischer Regelsatz zugrunde gelegt werden? Wer entwickelt diesen? Das Unternehmen? Ein gesellschaftlicher Diskurs?
  • Was passiert mit den erhobenen Daten? Wo werden diese gespeichert? Wer hat Zugriff?

All diese aufgeworfenen Fragen sind maßgeblich für das Autonome Fahren. Dies zeigt auch die Debatte um den tödlichen Unfall in Arizona, bei dem ein Auto im Selbstfahrmodus eine Fußgängerin erfasste. Der Fahrer saß zu dem Zeitpunkt hinter dem Lenkrad, griff jedoch nicht ein. Das selbstfahrende Auto wird genau wie menschliche Fahrer in Situationen geraten, in denen Kollisionen nicht vermeidbar sind, wenn beispielsweise Fußgänger aus dem Schatten, ohne auf den Verkehr zu achten, direkt auf die Fahrbahn laufen. Deshalb müssen sich unterschiedliche Akteure mit genau diesen Fragen auseinandersetzen und verschiedene Lösungstheorien entwickeln, bei der alle Verkehrsteilnehmer weiterhin die Verantwortung für einen sicheren Straßenverkehr tragen. Das ist insbesondere beim innerstädtischen Verkehr wichtig.

Wir brauchen intelligente Informationstechnik, die dem Fahrer hilft, ihn aber nicht ersetzt. Er bleibt verantwortlich.

Karl-Heinz Paqué seit 2018
Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué, stellv. Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zum gestrigen tödlichen Unfall verursacht durch ein selbstfahrendes Uber-Auto in Arizona

Trial and Error

Grundsätzlich ist KI nicht nur als eine disruptive Technologie zu betrachten, sondern auch als eine verbessernde oder unterstützende Technologie. Die Vorteile des Autonomen Fahrens liegen auf der Hand: die Vermeidung von Verkehrsunfällen, höhere Individualmobilität oder niedrigerer Kraftstoffverbrauch. Durch das Sammeln von Daten und Vernetzung aller Verkehrsteilnehmer und Verkehrsinfrastruktur wird vorausschauendes Fahren möglich.

Man unterscheidet in fünf Stufen des automatisierten Fahrens. Von Fahrassistenten wie ABS (Stufe 1) über Hochautomatisiertem Fahren, bei dem die Hände vom Lenkrad genommen werden, der Fahrer jedoch jederzeit eingreifen können muss (Stufe 3), bis hin zum Fahrerlosen Fahren (Stufe 5). Aktuell befinden wir uns übrigens erst beim Teilautomatisierten Fahren (Stufe 2), bei dem es zwar Einparkhilfen gibt, die Hände jedoch jederzeit am Lenkrad sein müssen. Die Technologie für das Fahrerlose Fahren existiert zwar bereits; bis wir sie einsetzen können, müssen aber noch viele Tests durchgeführt und Erfahrungen gesammelt werden. Wir müssen uns durch Versuche und mögliche Fehler an den Einsatz dieser Technologie herantasten. KI hat einen explorativen Charakter, der eine enorme Aufgabe für unsere ganze Gesellschaft sein wird. Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht alle Informationen, die wir benötigen, um alle Fragen des Autonomen Fahrens beantworten zu können. Wenn wir aber mit offenem Geist und vorwärtsgewandt dem Thema KI begegnen, können wir in einem gesamtgesellschaftlichen Diskurs Antworten auf diese Fragen finden. Das eigentliche Disruptionspotenzial liegt in den Algorithmen, die bereits jetzt Einfluss auf unser Leben nehmen. An dieser Stelle sei beispielsweise an den Facebook-Algorithmus gedacht.

"Aus großer Kraft folgt große Verantwortung"

Wenn Entscheidungen und Kompetenzen an ein übergeordnetes System abgegeben werden, besteht immer die Gefahr einer schleichenden Entmündigung. Umso mehr fällt also die Eigenverantwortlichkeit eines jeden Bürgers ins Gewicht. Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, welche Rolle der Mensch in der automatisierten Gesellschaft spielen soll. Der Einsatz von KI bringt uns in den Zwiespalt von Selbstverantwortung und Entlastung. Deshalb dürfen Algorithmen keine Blackbox sein.

  • Ihr Zweck und ihre Absicht müssen für alle Nutzer klar erkennbar sein.
  • Sie müssen erklärbar sein, zumindest so, dass nachprüfbar ist, warum ein bestimmtes Ergebnis erzielt wurde.
  • Algorithmen müssen sicher sein. Es muss verhindert werden, dass sie etwas Ungewolltes machen. An dieser Stelle spielen Cybersicherheit und Datenschutz eine große Rolle.

Letztendlich müssen wir menschliche Werte in KI implementieren und gleichermaßen begreifen, dass die Existenz von KI auch unsere Werte verändern wird. Dabei müssen fundamentale digitale Bürgerrechte wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewahrt werden. Die Datenschutz-Grundverordnung setzt insoweit bereits einen Rahmen. Gut denkbar ist auch, dass es zukünftig ein Bedürfnis für besonders „datensparende“ Anwendungen von KI gibt: Auch solche Anwendungen können zu erfolgreichen Geschäftsmodellen werden.

Der Mensch hat sich immer im Zwiespalt zwischen Risiko und Innovation bewegt. Vielleicht befindet sich auch an genau dieser Stelle ein großer Freiraum für Kreativität und Motivation. Wir müssen der KI mit Offenheit gegenüber der Zukunft begegnen. Wenn wir dabei Risiken und Chancen gleichermaßen im Auge behalten, ohne uns von ihnen einschüchtern zu lassen, sondern diese als gesamtgesellschaftliche Herausforderung begreifen, kann die Disruption zur größten Chance für die Innovation werden.

 

Christine Frohn ist Digitalisierungs-Expertin der Stiftung für die Freiheit.