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Digitalisierung
Coding kann jedes Kind

Eine Digitalwerkstatt für Grundschüler
In der Habas Digitalwerkstatt werden Grundschüler ans Programmieren herangeführt.

In der Habas Digitalwerkstatt werden Grundschüler ans Programmieren herangeführt.

© HABA Digital GmbH / Simon Vollmeyer

Nicht nur vor dem Rechner hängen, sondern anfassen und ausprobieren: In der Haba Digitalwerkstatt werden Grundschüler ans Programmieren herangeführt. Ein Workshop-Vormittag.

„Na los, komm schon, wir wollen doch zusammen gehen“, sagt Max. Der blonde Achtjährige starrt auf ein ipad, auf dem sein Freund Malte fleißig Zahlen eintippt. Prompt setzt sich ein grünes Männchen auf einer kindlich gemalten Karte in Bewegung. Als die Figur das Ziel, die Schule, erreicht, wartet dort bereits ein rotes Männchen. Als die beiden Figuren sich treffen, springen die Jungen auf und klatschen in die Hände: „Geschafft!“ Die Karte ist ihr Schulweg, die Männchen sie selbst. Gemalt haben es die beiden gemeinsam.Und danach mit dem ipad abfotografiert.

Max und Malte sind nicht allein: Dreizehn Mädchen und Jungen, alle im Alter von acht und neun Jahren, wischen in der Haba Digitalwerkstatt in München über bunte ipads und versuchen, ihre Figuren ins Ziel zu bringen. „Probiert euch ruhig aus, hier könnt ihr nichts kaputtmachen“, sagt Evelyn Kovacs. Sie ist Digitaltrainerin, die Kinder die zweite Klasse einer städtischen Grundschule. Gemeinsam probieren sie die Grundlagen des Programmierens in einem Workshop aus.

Nicht nur vor dem Rechner hängen, sondern anfassen und ausprobieren – das sei das Konzept der Digitalwerkstatt des Spielzeugherstellers Haba, erläutert Geschäftsführerin Antonia von Preysing. „Hier lernen Kinder ab sechs Jahren, wie man programmiert, Roboter baut oder mit einem 3-D-Drucker experimentiert“, sagt die 29-Jährige, die gerade selbst zum ersten Mal Mutter wird. In den sieben Digitalwerkstätten gibt es deutschlandweit Kurse für Kinder, Familien und Großeltern. Ihre Initiative wächst. 2015 gestartet, arbeiten mittlerweile 35 Mitarbeiter an fünf Standorten für die digitale Zukunft der Jüngsten.

Hier lernen Kinder ab sechs Jahren, wie man programmiert, Roboter baut oder mit einem 3-D-Drucker experimentiert.

Antonia
Antonia von Preysing

„Alles ganz spielerisch“

„Um das Programmieren kommt keine Generation mehr herum“, konstatiert von Preysing. Das sei für die Kinder genauso wichtig wie Lesen, Schreiben und Rechnen, ist sie sicher. „Das müssen die Schulen endlich flächendeckend verstehen.“ Politische Unterstützung ist von Preysing gewiss: Der Großen Koalition zufolge sollen Schulen mit dem sogenannten „Digitalpakt Schule“ fit für digitales Lernen werden. Der Bund stellt dafür 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Kultusministerkonferenz hat im vergangenen Jahr die Schulen beauftragt, digitale Kompetenzcluster zu bilden. „Vielerorts trifft das aber auf Skepsis“, sagt von Preysing. Lehrer fühlten sich schlicht überfordert und wüssten nicht, wie ein zusätzliches Fach in den ohnehin dichten Lehrplan der Grundschulen integriert werden soll, beobachtet sie.

Die Kinder lernen gerade, welches Material Strom leitet und welches nicht. In einem Versuch verkabeln sie Kronkorken und Wäscheklammern über ein Steuerpad mit einem Computer. Nur wenn das Material leitet, können sie auf einem virtuellen Piano spielen. Nach einer kurzen Pause werden die Gegenstände aus den Pappboxen auf den ipads animiert – mit Scratch, einem Programmier-Tool für Kinder. Dort treffen Spielfiguren wie Hunde oder Mäuse auf die digitalisierten Dinge. „So geht das alles ganz spielerisch“, flüstert von Preysing, während die Kinder staunend auf ihren Plätzen sitzen.

„Mit der Software lassen sich Figuren gestalten und mit vorher abfotografierten Gegenständen – zum Beispiel einer Münze oder einem Luftballon – ganz individuell programmieren“, erläutert sie. Das Programm fungiere als digitale Puppenkiste, mit der Kinder einfache Computerspiele entwickeln könnten. „Schau mal, wie der aussieht“, sagt Max. Malte hat gerade einen blauen Hund mit Magnethalsband programmiert und lacht.

Digitalwerkstatt mobil

Von Preysing stimmt in das Lachen ein und freut sich. Zugleich weiß sie, „dass unser Bemühen in den Digitalwerkstätten begrenzt ist“. Soll heißen: „Wir können zwar ein bis zwei Klassen täglich betreuen, aber die Schulen müssen zu uns kommen.“ Das sei aber für viele ein Hemmnis. Hinzu kommt: Die Eltern der kleinen Programmierpioniere müssen sich den Workshop auch leisten können. Der Besuch kostet zwischen zehn und 15 Euro pro Stunde – ein Preis, den viele Eltern kaum bezahlen können. Deswegen startet in Kürze die erste mobile Digitalwerkstatt, kostenlos, in einem Kastenwagen. „Digitale Bildung darf nicht elitär bleiben, deswegen wollen wir alle Kinder an den Digitalwerkstätten teilhaben lassen“, sagt von Preysing.

Erste Station des neuen Digitalwerkstatt-Mobils ist Lippstadt in Ostwestfalen. „In dem Wagen ist alles drin, was wir auch vor Ort haben, nur etwas kleiner“, erläutert von Preysing, die deswegen gemeinsam mit der Digitalwerkstatt-Gründerin Verena Pausder viele Gespräche mit dem nordrhein-westfälischen Bildungsministerium führte. „FDP-Bildungsministerin Yvonne Gebauer hat uns dabei sehr unterstützt“, sagt von Preysing.

Der Workshop in München geht gerade zu Ende. Es herrscht Aufbruchstimmung: Stühle werden lärmend über den Boden geschoben, Rucksäcke gepackt, Jacken angezogen. Nach dem Kurs in der Digitalwerkstatt treffen sich die Kinder vor der Tür des Hauses in der Nymphenburger Straße. Max und Malte geben sich die Hände. Echte Freunde wollen eben zusammen gehen.

Stefan Kreitewolf durfte immer erst nach seinem großen Bruder an den Familien-Commodore-64. Alles, was über Updates-Aufspielen oder Cache-Leeren hinausgeht, überlässt er heute dem Computerladen an der Ecke. Die Haba-Digitalwerkstatt behält er für seinen dreijährigen Sohn im Auge.

Hier können Kinder das Programmieren lernen
In der Haba Digitalwerkstatt werden Kurse für Kinder, Großeltern und Familienworkshops angeboten. In Berlin, München, Hamburg und Frankfurt am Main, Lippstadt und in Kürze auch mobil können Jung und Alt Programmieren lernen, Roboter bauen, mit 3-D-Druck experimentieren und Animationsfilme gestalten. Schulen können sich ebenfalls bei der Digitalwerkstatt melden, es gibt Digitale Schulstunden, Workshops und Projekttage für Klassen im Grundschulbereich sowie spezielle Lehrerfortbildungen.

 

Dieser Artikel ist zuerst erschienen im liberal-Magazin 04.2018.