EN

US-Wahlen
Swing State Showdown

US-Election Countdown: Tag der Entscheidung

Ein Tag vor den US-Wahlen werden Joe Biden und Donald Trump ihre letzten Kampagnen-Auftritte in den Swing States haben. Dort wird die Wahl entschieden.

Viele Wähler in mehreren dieser Swing States haben bereits ihre Stimmzettel abgegeben, während das Coronavirus in ihren Gemeinden neue Höchststände erreichte. Das monatelange Rennen wurde, sehr zum Missfallen von Präsident Donald Trump von der Covid-Pandemie beherrscht. Er hätte gerne nur Wahlkampf über sein stärkstes Thema geführt, die Wirtschaft. Die Veröffentlichung von Daten in der vergangenen Woche, die ein rekordverdächtiges Wirtschaftswachstum im dritten Quartal zeigten, bot Trump einen Anlass, um in der letzten Phase der Kampagne gute Nachrichten zu verkünden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das entscheidende Thema im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf seit 40 Jahren die wirtschaftliche Situation des Landes ist.

Was wird das alles für den Wahltag bedeuten? Die folgenden Faktoren werden eine entscheidende Rolle spielen.

Der Weg zu 270 Wahlmännerstimmen

Es wird zwar im ganzen Land gewählt, aber der Gewinner ist nicht unbedingt der Kandidat, der die Mehrheit der Wählerstimmen erhält. Entscheidend ist die Mehrheit im Wahlmännerkollegium. Die unterschiedlichen politischen Konstellationen, haben in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass die Wahlen nur noch in ca. 10-12 Bundesstaaten, den sogenannten „Swing States“, entschieden werden. Im Laufe des letzten Jahres konzentrierten Joe Biden und Präsident Trump ihre Bemühungen auf diese Staaten. Trump wird einige der Staaten, die derzeit zu Biden tendieren, gewinnen müssen, um die Mehrheit im Wahlmännerkollegium zu erreichen, darunter Pennsylvania, Michigan und Wisconsin, die er vor vier Jahren überraschend knapp gewann.

Besonders wichtig werden die Ergebnisse in North Carolina, Florida, Nevada und Arizona sein. Sollte Biden in einem dieser Staaten die Mehrheit gewinnen, wird der Weg von Trump zur Wiederwahl noch komplizierter werden.

Alle Augen auf Florida

In diesem Bundesstaat liegen nach jüngsten Umfragen die Kandidaten praktisch gleichauf. Er ist deshalb nicht seriös vorauszusagen.

Trump hat in Florida, in dem die Zahl der Todesopfer von Covid-19 mehr als 16.000 beträgt, aufgrund des Umgangs mit der Pandemie einen erheblichen Vertrauensverlust in einer wichtigen Wählergruppe – den Senioren - erlitten. Er gewann vor vier Jahren die Mehrheit bei den Rentnern als eine seiner stärksten Wählerschaften, was wesentlich zu seinem Überraschungssieg geführt hat.

Aber sein Missmanagement der Pandemie in diesem Jahr und sein mangelndes Einfühlungsvermögen den Menschen gegenüber, hat nicht nur die Frauen in den Vorstädten gegen ihn aufgebracht, sondern auch diese wichtigen Wähler. Als die verletzlichste Gruppe fühlen sich viele Senioren vom Präsidenten nicht geschützt, sondern vergessen. Diese Gruppe spielt traditionell in allen Swing States eine große Rolle, da sie überproportional zur Wahlurne geht, besonders aber in Florida, wo viele dieser Wähler im Ruhestand leben.

Dennoch ist der Präsident bei der Basis seiner Partei in Florida nach wie vor ungemein beliebt und hofft auf eine überproportional hohe Wahlbeteiligung aus dieser Gruppe.

Die Pandemie spielt eine große Rolle

Seit April hat Joe Biden den Umgang des Präsidenten mit dem Coronavirus aggressiv zum Thema gemacht und ihn immer wieder hart kritisiert. Er versucht, die ganze Präsidentschaftswahl zu einem Referendum über Trumps Umgang mit der schlimmsten Gesundheitskrise der Nation zu machen. Im Endspurt des Wahljahres nehmen die neue Coronavirus-Infektionen im ganzen Land zu, auch in den Swing States, was den Wahlkampf noch weiter aufheizt.

Die Pandemie hat den Wahlprozess selbst bereits erschwert. Aufgrund der Befürchtung, dass der Virus die Wahlfähigkeit der Amerikaner beeinträchtigen könnte, haben mehrere Staaten die Briefwahl gefördert. Nahezu 90 Millionen Amerikaner haben bisher gewählt. Damit hat die Zahl der vorzeitigen Stimmabgaben im Jahr 2020 die entsprechende Zahl im Jahr 2016 bereits weit übertroffen.

Trump hat versucht, diese Art der Stimmabgabe durch eine Desinformationskampagne zu diskreditieren, aber Wahlbetrug per Post ist äußerst selten. Hier wird der Präsident wieder ansetzen, wenn es so aussieht als ob er verloren hat.

Viele Staaten werden in der Wahlnacht keine vollständigen Ergebnisse haben

Auch wenn viele Gewinner, darunter Senatoren, Repräsentantenhausabgeordnete, Gouverneure und Abgeordnete der Parlamente der Staaten, in der Wahlnacht schnell feststehen werden, wird die Zunahme der Briefwahl aufgrund der Pandemie voraussichtlich die Bekanntgabe der vollständigen Ergebnisse in vielen Swing States verzögern. Florida ist einer der wenigen Staaten, die bereits vor dem Wahltag mit der Auszählung der Briefwahlzettel beginnen können. Viele andere Staaten, darunter die Swing States Pennsylvania und Wisconsin, können erst am Wahltag mit der Verarbeitung oder Auszählung der Stimmzettel beginnen.

Selbst wenn alle gelassenen Stimmzettel ausgezählt sind, könnte immer noch eine beträchtliche Anzahl von Stimmen ausstehen. Nur acht Staaten erwarten, dass bis zum Mittag des Tages nach der Wahl mindestens 98 Prozent der inoffiziellen Ergebnisse gemeldet werden. 22 Bundesstaaten und D.C. lassen sogar noch nach dem Wahltag abgestempelte Stimmzettel zu.

Die Reihenfolge, in der verschiedene Arten von Stimmabgaben gemeldet werden, könnte auch dazu führen, dass eine Partei zu verschiedenen Zeitpunkten in der Nacht stärker erscheint.

Es kann am Wahlabend zu einer zwischenzeitlichen Verzerrung der Zwischenstände kommen. Dies liegt an der parteipolitischen Spaltung bei der Briefwahl - Demokraten wählen in diesem Jahr überproportional per Post, während die Republikaner persönlich am Wahltag zur Urne gehen. Es mag also so aussehen, als ob Trump am Wahlabend führend ist, obwohl es in Wirklichkeit per Post zugesandte Stimmzettel für Biden gibt, die noch nicht ausgezählt wurden. Daher könnten die ersten Ergebnisse, die an der Wahlnacht eintreffen, zu Gunsten von Trump verzerrt sein.

Wie wird sich das alles abspielen?

Solange es keinen Erdrutschsieg für Biden oder Trump am Abend des 3. Novembers gibt, wird Amerika wahrscheinlich am 4. November in Unsicherheit erwachen.

Es besteht die Möglichkeit, dass Präsident Trump sich weigern wird, die Ergebnisse zu akzeptieren und die Wahl anfechten wird, sollte er verlieren.

Die Hoffnung ist, dass der 3. November ein Wahltag sein wird, wie jeder andere. Selbst wenn es Wochen oder Monate dauern könnte, bis die Ergebnisse vollständig bestätigt sind, sollte es hoffentlich ein friedlicher Prozess sein, bei dem alle Stimmen fair gezählt werden.