Soziale Arbeit

Ist Soziale Arbeit
verschwendetes Potenzial?

Um die Zukunft zu meistern, brauchen wir mehr Menschen in der Sozialen Arbeit. Das Interesse ist zwar groß, doch viele Berufseinsteiger sind schnell ernüchtert. Es ist riskant, sie mit befristeten Stellen, Niedriglohn und kurzfristiger Denke abzuspeisen.

Text: Carmen Torchalla


Soziale Arbeit

Ist Soziale Arbeit verschwendetes Potenzial?

Um die Zukunft zu meistern, brauchen wir mehr Menschen in der Sozialen Arbeit. Das Interesse ist zwar groß, doch viele Berufseinsteiger sind schnell ernüchtert. Es ist riskant, sie mit befristeten Stellen, Niedriglohn und kurzfristiger Denke abzuspeisen.

Text: Carmen Torchalla


Demografischer Wandel, eine wachsende Zahl an Flüchtlingen und psychisch zunehmend belastete Kinder, Jugendliche und Familien – das sind nur einige Gründe, warum Soziale Arbeit boomt. Treten soziale Probleme auf, werden die Rufe nach mehr Sozialarbeit schnell laut. Der Corona-Energie-Klima-Dauerkrisen-Modus, in dem wir uns seit über drei Jahren befinden, spielt hierbei ebenso eine Rolle wie unser Bildungssystem und der Eindruck ständiger Überforderung, die viele Menschen empfinden.

Sozialarbeitende sorgen neben anderen Berufsgruppen für die soziale Sicherheit und Stabilität unseres Landes. Ein Job mit viel Verantwortung also. Die Nachfrage nach Sozialarbeitenden ist groß und steigt weiter. Laut Institut der Deutschen Wirtschaft leidet der Sektor allerdings unter großem Fachkräftemangel: Im Jahr 2022 waren demnach 26 500 Stellen unbesetzt. Die Folgen für die Beschäftigten sind gravierend: Mehrarbeit, emotionale und körperliche Überlastungen – die nicht selten den Berufsausstieg zur Folge haben. Ein Teufelskreis.

Die Studierendenzahl in dem Bereich stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich an, auf 108 000 zum Wintersemester 2020/21. Eine große Anzahl junger Menschen entschließt sich also dazu, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Am Ende des Studiums angekommen, werden diese jungen Menschen jedoch häufig desillusioniert und demotiviert: unbezahlte Pflichtpraktika, Befristungen und Teilzeitstellen, bei vergleichsweise geringem Gehalt. Der soziale Sektor ist gekennzeichnet von Einsparungen und Rationalisierungen. Doch Soziale Arbeit rentiert sich langfristig. Setzt sie bei Problemen früh an, kann sie spätere Fehlentwicklungen verhindern, die zu beheben viel teurer ist. Dieser Zusammenhang scheint kaum einem Entscheidungsträger bewusst zu sein.

Mehrarbeit, emotionale und körperliche Über-lastung führen oft zum Ausstieg aus
dem Beruf.

Die wenigsten Menschen wissen, was Soziale Arbeit eigentlich macht und wie wichtig sie auch künftig für uns alle ist. Doch in Anbetracht der Tatsache, dass sich unsere Gesellschaft in einer Umbruchphase befindet, wird der Bedarf an Sozialer Arbeit weiter steigen. Denn die Art und Weise, wie wir leben, arbeiten und konsumieren, muss und wird sich ändern, damit wir weiterhin zu guten Bedingungen auf unserem Planeten leben und dies auch zukünftigen Generationen ermöglichen können. So hat beispielsweise der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung ein umfassendes Konzept entwickelt, das er als Gesellschaftsvertrag für eine große Transformation angesichts globaler Umweltveränderungen beschreibt. Dabei wird deutlich, dass dieser Wandel über die Köpfe der Menschen hinweg unmöglich ist. Vielmehr muss ein gesamtgesellschaftliches Umdenken im Einklang mit sozialen, ökonomischen sowie ökologischen Aspekten stattfinden. 

Soziale Arbeit verfügt über das Know-how dafür – in der Gemeinwesen- und Bildungsarbeit ebenso wie in der Einzelfallhilfe und Betriebssozialarbeit. Die Gesellschaft braucht Soziale Arbeit, um den Übergang von heute zu morgen meistern zu können. Stellt sich nun die Frage, ob die Gesellschaft auch bereit für ein Umdenken hinsichtlich der Situation Sozialer Arbeit ist: Denn allein mit befristeten Stellen und Niedriglohn lässt sich unsere Zukunft nicht gestalten.

Carmen Torchalla promoviert am Institut für Pädagogik der Universität Koblenz und forscht zu „Zukunfts-visionen sozialarbeiterischer Forschung“.

Carmen Torchalla promoviert am Institut für Pädagogik der Universität Koblenz und forscht zu „Zukunfts-visionen sozialarbeiterischer Forschung“.

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