Foto 
  Karl-Heinz
 
  Paqué
Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Energie
Unikum Uniper?

Das Geschäftsmodell dieses Energiekonzerns ist darauf angelegt, den Staat zu erpressen. Eine marktwirtschaftliche Horrorvision!
Uniper
© picture alliance / Flashpic | Jens Krick

Es gehört in jedes Kochbuch für Konzerne zur Ausbeutung des Staates: Was brauche ich bei der Unternehmensgründung, um im geschäftlichen Krisenfall möglichst auf massive öffentliche Unterstützung hoffen zu können? Ganz einfach, das Geschäftsmodell muss drei notwendige Bedingungen enthalten:

  1. Systemrelevanz, also möglichst eine essenzielle Versorgungsfunktion, auf die aus gesellschaftlichen Gründen nicht verzichtet werden kann;  
  2. Klumpenrisiken, also einen Konzernaufbau, der eine betriebswirtschaftliche Kompensation unternehmenspolitischer Risiken, wenn sie Realität werden, weitgehend ausschließt.
  3. Politikabhängigkeit, also eine möglichst umfassende Abhängigkeit von dem Vorherrschen einer politischen Konstellation, deren Änderung ggf. allein der Staat zu verantworten hat.

Mit diesen drei Bedingungen kann der Staat gar nicht anders, als im Fall der Fälle in die Bresche zu springen. Genau dies geschieht jetzt bei Uniper. Das Unternehmen wurde im April 2016 von E.ON konzernintern gegründet und dann im Juni 2016 aus dem E.ON-Verbund herausgelöst, um dann an die Börse zu gehen, was dann auch geschah. Sukzessive wurden dann die Aktien des Unternehmens bis zu drei Viertel vom finnischen Energiekonzern Fortum übernommen, der Rest blieb Streubesitz.

Soweit geschah alles nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten des globalen Kapitalismus. Schaut man sich allerdings das Geschäftsmodell von Uniper an, so erkennt man ohne Mühe die oben geforderten drei notwendigen Bedingungen:

  1. Unipers Geschäftsmodell ist auf den Gashandel konzentriert. Das Unternehmen beliefert mehr als 100 Stadtwerke in Deutschland, hat also in der Versorgung der Bevölkerung mit Gas eine Art marktbeherrsche Position – also: Systemrelevanz.
  2. Unipers Geschäftsmodell beinhaltet den Betrieb von 22 Kraftwerken in einer Reihe von europäischen Ländern, fünf davon in Russland, mit klarem Schwerpunkt auf Erdgas-Kraftwerken (16 von 22) – also: Klumpenrisiken.
  3. Unipers Geschäftsmodell wurde maßgeschneidert auf die deutsche Energiepolitik der vergangenen zwei Jahrzehnte mit massiver Abhängigkeit von russischem Gas und starker Stellung als marktbeherrschender Gaslieferant vor Ort – also: Politikabhängigkeit.

Es kann deshalb eigentlich niemanden überraschen, dass der Zusammenbruch der deutschen Energiepolitik einschließlich der russischen Antwort ohne staatliche Unterstützung zum Zusammenbruch eines Unternehmens führen würde, dessen Geschäftsmodell diesen Fall einfach ausschloss. Es erinnert alles an die Subprime-Abenteuer einiger global tätiger Finanzinstitute – und deutscher Landesbanken – im Aufgalopp zur Weltfinanzkrise 2007/8, die dann auch den Staat in die Pflicht nahmen.

Die Lehre daraus? Nun gut, die Radikalität der Kehrtwende in der deutschen Energiepolitik war sicherlich nicht vorauszusehen. Gleichwohl bahnte sich der Konflikt mit Russland Schritt für Schritt an – außenpolitisch mit der Georgien-Krise 2008 und der Eroberung der Krim 2014 mit den folgenden, wenn auch schwächlichen Sanktionen, innenpolitisch mit der harten Auseinandersetzung um Nord Stream 2 und dem Widerstand dagegen aus der Europäischen Union sowie den USA. Spätestens seit Mitte des letzten Jahrzehnts gab es jedenfalls deutliche Anzeichen der Krise im Verhältnis zu Russland. Jedes verantwortungsvolle Unternehmen hätte dies einkalkulieren müssen – gerade auch bei Umwandlung und Abspaltung von Uniper aus dem E.ON-Konzern, vollzogen 2016, noch nicht mal zwei Jahre nach der russischen Eroberung der Krim!

Der Verdacht liegt nahe, dass die handelnden Personen der beteiligten Unternehmen diese zunehmenden Risiken durchaus sahen, aber jeden Anreiz hatten, gerade durch die Schaffung eines Konzerns wie Uniper mit seinem Geschäftsmodell die Risiken voll auf den Staat abzuwälzen. Das ist jetzt geschehen. Und wie in der Finanzkrise sorgt die Systemrelevanz dafür, dass der Staat sich seiner Verantwortung nicht entziehen kann. Ein spektakulärer Einzelfall bleibt Uniper hoffentlich nur deshalb, weil andere global tätige Energiekonzerne wie etwa RWE und Shell genug robuste Standbeine im Weltmarkt haben, um trotz der Verluste im russischen Öl- und Gasgeschäft in die eigenen tiefen Taschen zu greifen. Das tun sie natürlich nicht aus Wohltätigkeit, sondern aus Eigeninteresse, denn eine massive Stützung durch den Staat ist eben auch auf Dauer an den Kapitalmärkten ein Makel, den man nicht mehr loswird. Die Commerzbank kann ein Lied davon singen. Sie ist noch heute durch die staatliche Beteiligung „gezeichnet“, die auf die Weltfinanzkrise zurückgeht.   

Alles in allem: Uniper ist ein marktwirtschaftliches Trauerspiel. Es endet in einem Wirrwarr von Maßnahmen zur Stützung des betroffenen Unternehmens, egal wie groß die eigene Schuld von dessen Gründer und Kapitaleigner ausfällt – von KfW-Krediten bis hin zu einer staatlichen Beteiligung. Die Weltfinanzkrise 2007/8 lässt grüßen. Im politischen Zentrum steht aber die Einführung einer Gasumlage, die Gasverbraucher in der Industrie und in privaten Haushalten zu zahlen haben, weil das Unternehmen selbst das Gas am freien Markt zu sehr hohen Preisen besorgen muss, da Russland nicht liefert. Eigentlich ein normales unternehmerisches Risiko, aber es hat existenzbedrohende Ausmaße. Und wer trägt letztlich die Last der Umlage? Der Staat prüft derzeit ein Bündel von Maßnahmen der Kompensation, um den am härtesten betroffenen privaten Gasverbrauchern zu helfen – samt ad-hoc-Senkung der Mehrwertsteuer auf den Mindestsatz von fünf Prozent. Alles wäre EU-Beihilfe-konform, anders als eine komplette Mehrwertsteuerbefreiung, wie Kommissar Gentiloni jüngst bestätigte.

Klar ist derzeit nur eines: Mit Eigenverantwortung für unternehmerisches Fehlverhalten hat dies alles nichts zu tun. Der Zusammenbruch eines Geschäftsmodells wird den Steuerzahlern und den Verbrauchern zur Last gelegt. Privatisierung von Gewinnen, Sozialisierung von Verlusten: Selten ließ sich dieses die Praxis dieses Prinzips besser beobachten als bei Uniper.