Öffentliche Haushalte

Stabilität
als
Staatsziel

Der Liberalismus verlangt solide Finanzen und werthaltiges Geld. Nur so kann der Zusammenhalt der Gesellschaft erreicht werden.

Text: Karl-Heinz Paqué

Deutsche Liberale kämpfen seit langer Zeit für Stabilität des Geldes und ausgeglichene Haushalte. Dafür gibt es eine Fülle von besonders gewichtigen Beispielen:

Vernetzte Diktatoren

Stabilität
als
Staatsziel

Der Liberalismus verlangt solide Finanzen und werthaltiges Geld. Nur so kann der Zusammenhalt der Gesellschaft erreicht werden.

Text: Karl-Heinz Paqué


Deutsche Liberale kämpfen seit langer Zeit für Stabilität des Geldes und ausgeglichene Haushalte. Dafür gibt es eine Fülle von besonders gewichtigen Beispielen:

  • Vor rund 150 Jahren war der Achtundvierziger-Revolutionär, Bankier und liberale Reichstagsabgeordnete Ludwig Bamberger maßgeblich an der Bindung der neuen Reichsmark an Gold beteiligt. Er half damit, Deutschland in vier Jahrzehnten des Friedens bis 1914 in der Stabilität des Goldstandards zu verankern.
  • Vor 100 Jahren beendete der liberale Reichskanzler Gustav Stresemann die Hyperinflation durch eine Währungsreform. Diese war verbunden mit einer harten Konsolidierung des Budgets. Sie gilt bis heute zu Recht als mutige Tat und großer Erfolg in schwieriger Zeit. Sie führte die Nation zurück an den globalen Kapitalmarkt.
  • Vor 75 Jahren unterstützten die Freien Demokraten uneingeschränkt die Währungs- und Wirtschaftsrefom Ludwig Erhards. Sie sorgte für Stabilität der neuen Deutschen Mark und des Geldwerts sowie ausgeglichene Haushalte. Sie wurde zur stabilen Grundlage für das westdeutsche Wirtschaftswunder.
  • Vier Jahrzehnte ist es her, dass es zu einem spektakulären Regierungswechsel auf Bundesebene kam. Die Liberalen verließen die Koalition mit der SPD, unter anderem weil Kanzler Helmut Schmidt außerstande war, den Bundeshaushalt zu sanieren. Es folgte eine CDU/FDP-Koalition – und Schritt für Schritt die finanzpolitische Konsolidierung.
  • Aktuell kämpft der liberale Finanzminister Christian Lindner in der Bundesregierung gegen eine dauerhafte Abschwächung der Schuldenbremse. Die Koalitionspartner SPD und Grüne fordern genau diese. Auch in der CDU/CSU-Opposition gibt es Stimmen für die Aufweichung der Bremse durch Sonderregelungen für Investitionen.

Diese Beispiele sind keine historischen Zufälle. Und sie stehen auch global keineswegs allein, denn überall in der Welt sind es vor allem liberal orientierte Politiker, die stabiles Geld und ausgeglichene Haushalte anmahnen. Der Grund ist einfach: Wer für die Freiheit, den Rechtsstaat und die soziale Marktwirtschaft steht, der kommt an der Stabilität als deren Voraussetzung nicht vorbei. Schlagworthaft ließe sich sagen: Stabiles Geld ist nicht alles, aber ohne Stabilität ist alles nichts. Warum?

Liberales Bekenntnis zur Stabilität:
Die Schuldenbremse ist das ordnungspolitische Kernstück der sozialen Marktwirtschaft.

Die Antwort ist erstaunlich einfach – jenseits aller komplexen volkswirtschaftlichen Theorien. Eine funktionierende Marktwirtschaft braucht neben Rechtssicherheit auch die Geldwertstabilität. Denn ohne sie beruhen alle Entscheidungen über Konsum und Investitionen von privaten Haushalten und Firmen auf Kalkulationen, die durch Inflation und Währungsverfall verunsichert sind. Wie stark wird die Inflation im Planungszeitraum der Zukunft ausfallen? Welche Preise, Löhne, Zinsen und Devisenkurse muss ich verlangen – oder anbieten –, um dem Wertverfall des Geldes entgegenzuwirken und eine vernünftige reale Schätzung vornehmen zu können? Fehlprognosen verursachen beträchtliche Kosten, bei hoher und sich beschleunigender Inflation sind es sogar gewaltige Schäden.

Verheerende Folgen

Besonders dramatisch sind die Entwertungen von Vermögen, zumeist von Kleinsparern der Mittelschicht. Haben sie – anders als gewiefte Anleger und Spekulanten – nicht die Möglichkeit, in teuren Immobilien und stabiler Auslandswährung ihr Geld zu parken, werden sie schleichend enteignet. Sie reagieren – wie im Deutschland der 1920er- und im Russland der späten 1990er-Jahre – mit politischer Radikalisierung. Die Aufstiege von Hitler und Putin waren vor allem auch Ergebnis der Preisinflation und des Währungsverfalls.

Also: Inflation ist schlecht; je stärker sie ausfällt, desto schlechter. Wie lässt sie sich verhindern? Durch eine politisch unabhängige Zentralbank; und durch eine niedrige Verschuldung und Kreditaufnahme des Staates, da auf Dauer nur dies die Finanzmärkte überzeugt, dass der Staat zur Deckung der Defizite allenfalls zu höheren Steuern und mehr Staatsanleihen beim Publikum greift, aber nicht zur Refinanzierung dieser Anleihen mit deren Aufkauf durch die Zentralbank mit frischem Geld. Eine Horrorvision, die 1922/23 in Deutschland dramatische Wirklichkeit wurde.

Das zentrale Element der Stabilisierung ist deshalb das staatliche Haushaltsdefizit. Es muss so niedrig wie möglich gehalten werden. Dafür gibt es im Übrigen einen fundamen­talen Grund der Gerechtigkeit zwischen Generationen: Staatsverschuldung heißt ja nichts anderes, als öffentliche Leistungen den künftigen – und nicht den heutigen – Generationen zur Finanzierung aufzubürden, sei es mit einer höheren Steuerlast, sei es durch inflationsbedingte Vermögens­abwertung.

Verhängnisvoller Trend

Diese Erkenntnis gewann in den 1990er- und 2000er-Jahren an Brisanz, als sich ein Trend zu immer höherer staatlicher Kreditaufnahme international abzuzeichnen begann – angeblich, um unabweisbare neue Staatsausgaben zu finanzieren.

Daraus zogen zwei Nationen in Europa besonders weitreichende Konsequenzen. Zunächst war es die Schweiz, welche auf Initiative des liberalen Mitglieds des Bundesrats Kaspar Villiger eine scharfe Schuldenbremse einzog, die fortan die staatliche Kreditaufnahme massiv erschwerte. Dann folgte Deutschland mit seiner Schuldenbremse, die im volkswirtschaftlichen Normalfall für Bund und Länder neue Grenzen jenseits von eng definierten Notfallsituationen setzte: keine Kreditaufnahme für die Länder und maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für den Bund.

Hierzulande ersetzte diese feste Schuldenbremse die traditionelle verfassungsrechtliche Regel, dass eine Nettoneuverschuldung in Höhe der eigenfinanzierten Investitionen erlaubt blieb. Diese Regel hatte sich nach allgemeinem Urteil nicht bewährt, weil sie physische Investitionen gegenüber laufenden staatlichen Ausgaben etwa für Bildung und innere Sicherheit systematisch diskriminierte und zu mancher kreativen Bilanzbuchhaltung einlud.

Mehr Schulden in Deutschland könnten die Stabilität der gesamten Eurozone gefährden und schnell zu höheren Kreditzinsen führen.

Die Schuldenbremse hat sich bewährt

Die generelle neue Bremse dagegen bewährte sich. Die Schweiz ohnehin, aber auch die Bundesrepublik fanden durch diese Regelung zurück zu ausgeglichenen Haushalten – allerdings begünstigt durch massiv sprudelnde Staatseinnahmen in den Jahren nach der Weltfinanzkrise 2008/09. Wichtig ist dabei: Gerade in der europäischen Schuldenkrise sorgte die solide finanzpolitische Position Deutschlands auch für eine Stabilisierung des Euro.

Denn ohne den Stabilitätsanker Deutschlands wäre es dem damaligen EZB-Chef Mario Draghi schwergefallen, eine Lender-of-last-resort-Position der EZB glaubwürdig einzurammen, die dann den Euro und die Zinsniveaus in den Krisenländern stabilisierte. Überspitzt formuliert: Draghis „whatever it takes“ gegenüber Griechenland, Spanien und Portugal, aber auch Frankreich und Italien wäre an den Finanzmärkten verhallt, hätte nicht die Schuldenbremse in Deutschland den Anker des größten Landes der Eurozone gehärtet.

Vieles spricht dafür, dass dieser harte Anker weiterhin notwendig ist. Deshalb muss und wird der Liberalismus an der Stabilität als Staatsziel festhalten – und damit auch an der Schuldenbremse. Deren Gegner machen es sich derzeit zu leicht: Ein Aufgeben der Schuldenbremse könnte sehr schnell die Stabilität der gesamten Eurozone gefährden und dann zu höheren Kreditzinsen führen, die den zusätzlich gewonnenen Kreditspielraum schnell aufzehren.

Tatsächlich zeigt auch der Blick in die Schweiz, dass eine harte Schuldenbremse keineswegs die notwendigen staatlichen Investitionen gefährdet. Denn selbst beim besten Willen ist nicht zu erkennen, dass die Infrastruktur in der Schweiz schlechter ist als in Nationen ohne Schuldenbremse. Wenn überha

Fazit: Der Liberalismus muss sich unverändert zur Stabilität als zentralem Staatsziel bekennen, einschließlich der Schuldenbremse als ordnungspolitischem Kernstück der sozialen Marktwirtschaft.

Nur so kann der Liberalismus sicherstellen, dass in seinem Weltbild der Konflikt zwischen den Ausgabewünschen der Gegenwart und denen der Zukunft vernünftig austariert wird – und zwar ohne Gefährdung der Preis- und Währungsstabilität. Manche Gegner der Schuldenbremse meinen, sie sei ein überholtes Relikt aus einer alten Zeit – ungeeignet für einen „modernen“ Liberalismus. Das ist völlig falsch. Sie muss auch in Zukunft Kernbestand liberaler Philosophie und Politik bleiben.

Karl-Heinz Paqué ist Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung. Er ist Volkswirt und war u. a. von 2002 bis 2006 Finanzminister des Landes Sachsen-Anhalt. Er hätte sich damals eine Schuldenbremse gewünscht.

Karl-Heinz Paqué ist Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung. Er ist Volkswirt und war u. a. von 2002 bis 2006 Finanzminister des Landes Sachsen-Anhalt. Er hätte sich damals eine Schuldenbremse gewünscht.


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