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Gewalt gegen Frauen
Gewalt gegen Frauen: Auch in Deutschland ein Massenphänomen

Nein zu Gewalt gegen Frauen

Das Bundeskriminalamt stellte am 23. November 2021 seine Statistiken zu Partnerschaftsgewalt im Jahr 2020 vor. Mit 146.655 Fällen von Gewalt in Partnerschaften verzeichnet es einen Anstieg von 4,9 Prozent zum Vorjahr. Dokumentiert wurden Fälle von aktuellen oder ehemaligen Partnern. Zumeist handelte es sich um einfache Körperverletzung, aber nicht nur: Fast 140 Frauen und 30 Männer waren Opfer von tödlicher Partnerschaftsgewalt. Durchschnittlich alle zweieinhalb Tag wird eine Frau ermordet, jede Stunde erfahren im Schnitt 13 Frauen Gewalt in ihrer Partnerschaft: hier in Deutschland.

Die Gründe für die Aggression sind verschieden: eine Trennung, beruflicher Stress oder Erziehungsfragen gehören dazu. Fast 40 Prozent der Opfer erlebten Gewalt durch einen Ex-Partner oder eine Ex-Partnerin. Begünstigt wird die Gewalt gegen Frauen laut BKA-Präsident Holger Münch unteranderem durch patriarchalische Rollenbilder.

Die Zahlen des Bundeskriminalamtes umfasst jedoch nur die polizeilich erfassten Fälle, das sogenannte Hellfeld. „Die meisten Straftaten geschehen in den privaten vier Wänden, im Verborgenen“, erläuterte Münch. Die Dunkelziffer der Gewalt gegen Frauen wird um ein Vielfaches höher liegen. Anhaltspunkte dafür gibt auch eine Dunkelfeldstudie der Landespolizei NRW aus dem letzten Jahr. Demnach werden nur 2,4% der einfachen Körperverletzungen in Partnerschaften überhaupt angezeigt. Der Lockdown könnte die Dunkelziffer noch erhöht haben, denn er erschwerte den Opfern das Erstatten einer Anzeige. Ein Indiz dafür wäre, dass die Anrufzahlen bei dem Hilfstelefon „Gewalt gegen Frauen“ im letzten Jahr um 15 Prozent zugenommen haben. 51.400 Beratungen habe es 2020 dort gegeben, mit einer deutlichen Zunahme im ersten Lockdown. Dabei muss jedoch auch beachtet werden, dass seit Beginn der Pandemie verstärkt auf das Angebot aufmerksam gemacht wurde. Eine Studie zur Gewalt während der Pandemie ist aktuell in Planung.

Rückschritt für Frauenrechte in Europa

Aber nicht nur in Deutschland ist häusliche Gewalt ein Problem. In vielen Staaten Europas hat sich die Situation von Frauen im letzten Jahr weiter verschlechtert. So trat die Türkei als erstes Land aus der erst 2011 beschlossenen Istanbuler Konvention aus. Der völkerrechtliche Vertrag befasst sich mit der Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Hinter dem Austritt aus der Konvention steckt im Fall der Türkei eine populistische Familienpolitik, welche die Errungenschaften der Gleichberechtigung von Frauen in der Gesellschaft generell in Frage stellen will. Ähnliches lässt sich auch in Polen beobachten. Polen drohte bereits 2020 mit dem Ausstieg aus der Konvention. Im März dieses Jahres brachte die Regierung dann eine Gesetzesinitiative auf den Weg, die einen Austritt anstrebte. Der Titel der Gesetzesinitiative „Ja zur Familie, Nein zum Geschlecht" zeigt, dass auch hier der Austritt aus der Konvention im Namen der Familie vorangetrieben wird. Trotz aller Androhung ist Polen noch nicht ausgetreten. Die Regierung schränkt trotzdem weiter die Rechte von Frauen ein.

Mit gutem Beispiel voran

Deutschland sollte in Europa mit gutem Beispiel voran gehen und sich stärker gegen die Gewalt gegen Frauen stellen. Neben Polen haben auch andere Staaten der Europäischen Union die Konvention nicht ratifiziert oder noch nicht in nationales Recht überführt. Dazu gehören unter anderem: die Slowakei, Bulgarien, Tschechien, Lettland und Litauen.

Der Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen lässt hoffen, dass die zukünftige Regierung sich dem Thema widmet. Neben einer ressortübergreifenden politischen Strategie gegen Gewalt soll auch eine staatliche Koordinierungsstelle geschafft werden. Zudem soll die Istanbul Konvention auch im digitalen Raum vorbehaltlos und wirksam umgesetzt werden. Dies ist schon länger eine Forderung der Liberalen.

Mehr über den Angriff auf die Istanbul Konvention und welche konkreten Schritte gegen Gewalt gegen Frauen unternommen werden sollten, können Sie hier lesen. 

 

Demonstration «One Billion Rising» gegen Gewalt an Mädchen und Frauen

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