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Die Auswirkungen des russischen Krieges auf die schmelzende Arktis

Mit dem Klimawandel, der Globalisierung und der zunehmenden menschlichen Aktivität in den nördlichsten Teilen der Welt hat die strategische Bedeutung der Arktis zugenommen. Neben den acht arktischen Staaten haben sich in den letzten zehn Jahren auch verschiedene nicht-arktische Staaten und Akteure für die Region interessiert. Infolgedessen ist die regionale Sicherheitsdynamik ständig im Fluss.

Darüber hinaus hat Russlands unrechtmäßiger Angriff gegen die Ukraine im Februar 2022 deutlich gemacht, dass die Arktis keine außergewöhnliche „Friedenszone“ in den internationalen Beziehungen ist, wie Michail Gorbatschow sie in seiner historischen Rede in Murmansk im Jahr 1987 nannte. Obwohl sich der Krieg in der Ukraine nicht auf die Arktis ausgedehnt hat, wird er zweifellos nachhaltige Auswirkungen auf die regionale Geopolitik und Zusammenarbeit haben, nicht zuletzt aufgrund der Beschlüsse Finnlands und Schwedens (die beide traditionell neutrale arktische Länder sind), der NATO beizutreten. Auch in den russisch-chinesischen Beziehungen hat sich eine neue Dynamik entwickelt, die es zu beobachten gilt. Am Vorabend der Olympischen Spiele in Peking Anfang 2022 gaben Xi Jinping und Wladimir Putin eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie neue Abkommen über Energie- und Weizenimporte bekannt gaben und betonten, dass ihre Freundschaft „unbegrenzt“ sei. Die Erklärung kritisierte die Erweiterung der NATO und erwähnte die Bereitschaft der beiden Länder, die „praktische Zusammenarbeit für die nachhaltige Entwicklung der Arktis“ zu intensivieren. Wenige Wochen später verletzte Russland schwerwiegend die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine – und damit zwei der für die chinesische Außenpolitik wichtigsten Prinzipien. Dennoch weigert sich die chinesische Regierung, den Angriff Russlands auf die Ukraine zu verurteilen, und kritisiert stattdessen die westlichen Sanktionen gegen Russland.

Arktis wird von großen, konkurrierenden Mächten geprägt

Einst als „Friedenszone“ betrachtet, die sich durch funktionale Zusammenarbeit in den Bereichen Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung auszeichnet, wird die Arktis zunehmend von großen, konkurrierenden Mächten geprägt. Das Abschmelzen der arktischen Eiskappen eröffnet neue wirtschaftliche Chancen, insbesondere im Bereich der Rohstoffgewinnung und der Schifffahrt – ein entscheidender Grund, warum sich verschiedene nicht-arktische Staaten und Stakeholder, darunter China, für die Region interessieren. Trotz seines historischen Misstrauens hat Russland, der größte Regionalstaat, chinesische Investitionen in seine arktischen Energie- und Infrastrukturprojekte bislang begrüßt. Aufgrund von Sanktionen, die die EU und die USA nach der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 verhängten, ist Russland zunehmend von chinesischen Cashflows abhängig geworden. Um seine Seegrenzen und wirtschaftlichen Projekte zu verteidigen und seine Fähigkeit zu erhöhen, Macht auch in anderen potenziellen Konfliktgebieten zu demonstrieren, hat Russland begonnen, seine arktischen Gebiete zu remilitarisieren. Als Reaktion darauf haben die USA und die NATO begonnen, dem hohen Norden mehr strategische Aufmerksamkeit zu schenken.

Obwohl sich Russlands Krieg in der Ukraine nicht auf die Arktis ausgebreitet hat, hat er die Region dramatisch beeinflusst. Die regionale Zusammenarbeit im Arktischen Rat wurde offiziell ausgesetzt, und auch wissenschaftliche Projekte zur Überwachung des Klimawandels wurden zurückgestellt. Verschiedene westliche Investoren haben sich aus russischen Energieprojekten zurückgezogen und bieten China so die Chance, den wirtschaftlichen Einfluss gegenüber Russland zu erhöhen. Der Krieg hat auch die Sápmi gespalten, genauer gesagt, das traditionelle Territorium der indigenen Sámi, das sich über Teile Nordfinnlands, Norwegens, Schwedens und Russlands erstreckt.

Risiko von Missverständnissen und Unfällen steigt

Was die Sicherheitsaspekte angeht, wird der Ukraine-Krieg langanhaltende Auswirkungen auf die Arktis haben. Geschockt von Putins Aggression haben die traditionell neutralen Länder Finnland und Schweden die NATO-Mitgliedschaft beantragt. Vor diesem Hintergrund wird Russland sich kaum bemühen, seine nördlichen Gebiete zu entmilitarisieren. Da sowohl die NATO als auch Russland ihre militärische Präsenz in der Arktis erhöhen, steigt das Risiko von Missverständnissen und Unfällen. Und solange Putins Krieg in der Ukraine andauert, ist es nahezu unmöglich, sich vorzustellen, dass die Zusammenarbeit in der Arktis zum Status quo vor dem Krieg zurückkehrt – selbst wenn wichtige grenzüberschreitende Aktivitäten zur Eindämmung des Klimawandels anstehen. In der Zwischenzeit liegt es im Interesse sowohl der Staaten der westlichen Arktis als auch Russlands selbst zu verhindern, dass regionale Spannungen zu direkten Konfrontationen werden.

Colin Wall und Sanna Kopra analysieren in einem Policy Paper für die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit die aktuelle in der Arktis unter besonderer Berücksichtigung des Klimawandels und der Auswirkungen des russischen Krieges in der Ukraine.